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Friedrich Merz im Bundestag: Interessant ist, wozu er schweigt


Regierungserklärung
Er will Putin jetzt in die Knie zwingen


16.10.2025Lesedauer: 5 Min.
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Friedrich Merz (CDU): "Europa muss seine Möglichkeiten entschlossener und geschlossener nutzen." (Quelle: IMAGO/imago)
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Europa als wirtschaftlich starke "Friedensmacht": Friedrich Merz hat skizziert, wie er sich die EU vorstellt. Fünf Erkenntnisse aus seiner Regierungserklärung.

Friedrich Merz spricht sich erst mal Mut zu. Und nicht nur sich selbst, sondern der Politik im Allgemeinen. Vielleicht gar keine schlechte Idee nach den wilden Tagen, Wochen und Monaten dieser Bundesregierung.

"Politisches Handeln macht einen Unterschied in dieser Welt", sagt Merz. "Zum Guten und zum Schlechten." Als der Bundeskanzler das an diesem Donnerstagmorgen sagt, steht er gerade im Bundestag am Rednerpult und hält seine Regierungserklärung zum Europäischen Rat, zu dem er Ende nächster Woche fährt. Es ist seine optimistische Schlussfolgerung aus dem unterzeichneten Gaza-Friedensplan vom Montag.

Friedrich Merz münzt seine Freude über die politischen Fortschritte in Nahost um in einen Auftrag – an sich selbst, aber vor allem auch an die anderen Staats- und Regierungschefs der EU, die er am 23. und 24. Oktober in Brüssel treffen wird. Er sagt: "Europa muss seine Möglichkeiten entschlossener und geschlossener nutzen und muss seine Macht zum Einsatz bringen, um die Welt zum Besseren zu gestalten."

Nur wie genau? Und wie nicht? Um das zu beurteilen, ist nicht nur interessant, was Friedrich Merz in seiner Rede sagt – sondern auch, was er nicht sagt. Fünf Erkenntnisse und zwei Leerstellen:

1. Europa als wirtschaftlich starke "Friedensmacht"

Für Friedrich Merz ist und bleibt die Europäische Union eine "Friedensmacht", das betont der Bundeskanzler ganz zu Beginn. Und erklärt, dass er die Betonung auf die zweite Hälfte des Wortes lege: auf die Macht also.

"Frieden in Freiheit gelingt nur, wo er unterlegt ist mit Stärke", sagt Merz. "Mit wirtschaftlicher Stärke, mit politischer Stärke und Entschlossenheit und auch mit militärischer Stärke." In dieser rauer werdenden und gewordenen Welt gelte: "Nur Stärke bewahrt Frieden. Und Schwäche bringt den Frieden ins Wanken."

Jedes europäische Land sei wirtschaftlich und politisch zu klein, um das Weltgeschehen wirklich mitzubestimmen. Aber im Verbund habe man alle Möglichkeiten, die Entwicklung der Welt zum Besseren mitzugestalten. Friedrich Merz will dafür "Führungsverantwortung in Europa übernehmen". Denn: "Deutschland geht es nur gut, wenn es Europa gutgeht. Und Europa kann nur stark sein, wenn das große Land in seiner Mitte stark ist."

Wie das gehen kann, sei bekannt, betont Merz. "Wir haben in Europa kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem." Es ist eine nur leicht verklausulierte Kritik an der EU-Kommission und damit auch an der deutschen Kommissionschefin und CDU-Parteifreundin Ursula von der Leyen.

2. Wettbewerbsfähigkeit durch Deregulierung

Seit Wochen wirbt Friedrich Merz dafür, dass sich die Europäische Union wieder auf ihre Kernaufgaben konzentriert. Und das ist für ihn: die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Das ist auch in seiner Regierungserklärung wieder sein wichtigster und ausführlichster Punkt.

Merz beruft sich auf Papiere zweier Italiener, um zu untermauern, dass eigentlich klar ist, was getan werden müsste, damit Europa wirtschaftlich wieder aufholt: auf die früheren Ministerpräsidenten Enrico Letta und Mario Draghi. Letta hat einen Bericht zum Binnenmarkt geschrieben, Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit.

"Wir haben alle Vorschläge auf dem Tisch liegen", sagt Merz deshalb. "Diese beiden Berichte dürfen nicht in den Aktenschränken der Europäischen Kommission verschwinden. Sie gehörten jetzt auf die Tagesordnung. Konkret will Merz: "Schluss mit der Regulierungswut, schnellere Verfahren, offene Märkte, mehr Innovation und mehr Wettbewerb."

Besonders die "Regulierungswut" sieht Friedrich Merz als großes Problem, nach wie vor auch der EU-Kommission. "Ungefähr 80 Prozent der Regulierung" in Deutschland kämen aus Brüssel, sagt er. Bedeutet für ihn: "Wir werden bestehende Regulierungen gemeinsam zurückbauen und künftige Überregulierung gemeinsam verhindern."

3. Mammutprojekt gemeinsame Rüstung

"Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen." Friedrich Merz wiederholt auch diesmal seinen Lieblingssatz, um zu begründen, warum Deutschland und Europa deutlich mehr in Rüstung investieren müssen. Und er nennt auch erneut den, gegen den sich Europa verteidigen können muss: Wladimir Putin.

"Europa muss sich enger abstimmen, muss besser koordinieren, entschlossener handeln, und zwar schnell", sagt Merz. Ein Kern für ihn: gemeinsame Rüstung. Die Europäische Verteidigungsagentur soll dafür künftig Waffensysteme "gemeinsam entwickeln, produzieren und beschaffen", sagt Merz. "So bündeln wir unsere Kräfte und beenden die Kleinstaaterei im Verteidigungssektor."

Klingt logisch, wird aber im Detail schwierig, das weiß Merz. Derzeit scheitern Deutschland und Frankreich schon daran, gemeinsam ein neues Kampfflugzeug FCAS zu entwickeln und zu bauen. Denn am Ende spielt es für viele Staaten eben doch eine wichtige Rolle, wo die Fabrik steht, die millionenschwere Flugzeuge und Panzer bauen.

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4. Gegen Putin – mit "Frozen Assets", ohne "Drohnenwall"

Friedrich Merz versucht, Wladimir Putin einmal mehr Entschlossenheit entgegenzusetzen – idealerweise nicht nur verbale Entschlossenheit. Putin verkalkuliere sich, wenn er darauf setze, den Europäern mit seiner "Offensive der Verunsicherung" Angst einzujagen.

Merz kündigt an, sich im Rat dafür einzusetzen, "noch einmal sehr grundsätzlich darüber zu beraten", wie der Druck auf Russland zusätzlich zum 19. EU-Sanktionspaket noch weiter erhöht werden könne. "Putin muss erkennen, dass dieser Krieg ihn teurer zu stehen kommt als ein verhandelter Frieden."

Dazu gehört für ihn, dass Putin sehen müsse, dass die Unterstützung für die Ukraine nicht nachlasse. Deshalb hatte der Bundeskanzler sich vor Wochen hinter die Idee gestellt, 140 Milliarden Euro des eingefrorenen russischen Zentralbankvermögens zu nutzen, um damit Rüstung für die Ukraine zu finanzieren. Die sogenannten Frozen Assets.

Doch es besteht nach wie vor bei mehreren Staaten die Sorge, dass man damit in Schwierigkeiten kommt, weil es faktisch doch als Enteignung angesehen werden könnte. Merz gibt sich optimistisch, vielleicht zweckoptimistisch. Das werde "nicht ganz trivial", gesteht er ein. "Wir werden aber die rechtlichen und die tatsächlichen Voraussetzungen dafür schaffen."

Mit keinem Wort erwähnt Friedrich Merz hingegen eine Idee, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorangetrieben hatte. Den sogenannten Drohnenwall. Der Bundeskanzler hält die Pläne für unausgereift und angesichts des riesigen Territoriums ohnehin für schwierig. Und er sieht die Gefahr, dass operative Doppelstrukturen mit der Nato entstehen, als deren Aufgabe er das ansieht.

Für die Abwehr von Drohen und anderen hybriden Angriffen kündigt Merz stattdessen erst mal eine nationale Lösung an: Der neue Nationale Sicherheitsrat im Kanzleramt werde sich in wenigen Tagen mit einem "umfassenden Aktionsplan" befassen.

5. Ja zu Klimazielen – und das Verbrenner-Aus?

Friedrich Merz bekennt sich in seiner Regierungserklärung zu den europäischen Klimazielen. Das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit stehe "nicht im Widerspruch zu unserem klaren Bekenntnis, auch die Klimaziele bis 2045 zu erreichen und auch die Zwischenziele im Jahr 2040", sagt Merz. "Ich will allen Zweifeln, die daran geäußert werden, hier ausdrücklich entgegentreten."

Diese Zweifel waren vor allem von einigen seiner CDU-Parteifreunde geäußert worden. Intern, aber inzwischen auch öffentlich. Merz' Bekenntnis ist deshalb bedeutsam, auch und gerade für die deutsche Positionierung in Brüssel.

Das ist umso wichtiger, als sich Merz wohl bei einem anderen wichtigen Thema zurückhalten muss: dem Verbrenner-Aus. In der Koalition gibt es dazu noch immer keinen Kompromiss. Die Union will es am liebsten komplett abschaffen, die SPD mehrheitlich nur für verschiedene Technologien öffnen. Wobei auch da unklar ist, wie das alles in die bisherige Systematik passen soll.

Verwendete Quellen
  • Regierungserklärung von Friedrich Merz im Bundestag am 16. Oktober 2025
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