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Wadephul nach Syrien-Äußerung in der Kritik: Ein moralischer Bankrott


Wadephuls Syrien-Äußerung
Es ist ein moralischer Bankrott


Aktualisiert am 03.11.2025Lesedauer: 1 Min.
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Johann Wadephul. Der deutsche Außenminister hält es aktuell nicht für möglich, syrische Flüchtlinge zurück in ihr Heimatland abzuschieben. (Quelle: Dominik Butzmann/imago)
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Wegen des Ausmaßes der Zerstörung in Syrien hat sich Johann Wadephul vorerst gegen Rückführungen in das Land ausgesprochen. Das widerspricht der Linie des Innenministers und wird in der Union kritisiert. Zu Recht?

Eine Aussage des deutschen Außenministers hat am Wochenende Teile der Unionsfraktion irritiert: Nach einem Besuch im vom Bürgerkrieg gezeichneten Syrien in der vergangenen Woche hatte Johann Wadephul angezweifelt, dass angesichts der Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren kann. "Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben", sagte er.

Diese Aussage steht im Widerspruch zur Absicht des Innenministers Alexander Dobrindt (CSU), Syrer aus Deutschland abzuschieben. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Günter Krings, sagte nun der "Bild"-Zeitung: Der syrische Bürgerkrieg sei vorbei, und in weiten Teilen des Landes sei für die allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr zumutbar. Der offenkundige Streit innerhalb der Union führt zu der Frage:

Hat Außenminister Wadephul mit seiner Äußerung recht?

Pro
Patrick DiekmannLeitender Redakteur Außenpolitik

Ja, die Union hat den Mund wieder zu voll genommen

CDU und CSU hatten im Wahlkampf große Versprechungen gemacht. Abschiebungen nach Syrien sollten nach dem Fall des Diktators Baschar al-Assad schnell möglich gemacht werden. Doch von Beginn an war klar: Das war illusorisch und schon damals ein völliger Irrsinn.

Mit ihrer Kritik an der Aussage von Außenminister Wadephul wird nun die nächste Scheindebatte geführt. Teile von CDU und CSU wollen – getrieben vom Umfragehoch der AfD – ein Statement setzen, Abschiebungen nach Syrien ermöglichen, um das Gefühl der Überforderung durch Migration in der Gesellschaft anzugehen. Aber Gefühle machen keine kluge Regierungspolitik, im Gegenteil: Wer schnelle Abschiebungen nach Syrien fordert, der wird künftige Enttäuschungen produzieren – und damit der AfD in die Karten spielen.

Wadephul weiß das. Er sagt lediglich das, was geltendes Recht ist. Er hätte noch viel deutlicher werden müssen: Wer diese Forderungen stellt, ist nicht nur moralisch bankrott, sondern er hat auch weder die Lage in Syrien noch die hier in Deutschland im Blick.

Syrien ist ein Staat im Umbruch und politisch alles andere als gefestigt. Der Bürgerkrieg mag vorbei sein, die humanitäre Krise aber ist es nicht. Beobachter sind sich einig: Das Land gleicht einer Trümmerwüste. Es gibt kaum Infrastruktur, Häuser und Wohnungen sind unbewohnbar. Natürlich sind Syrer gefragt, wenn es um den Wiederaufbau ihres Landes geht. Aber das funktioniert nur dann, wenn sie nicht in Zeltstädten vor Damaskus hausen und mit Hilfsgütern versorgt werden müssen.

Wer nun zwingend Syrerinnen und Syrer schnell loswerden möchte, der muss also zunächst rechtliche Fragen beantworten – sonst ist das nicht mehr als plumper Populismus. Nach § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes darf nur in Länder abgeschoben werden, wenn die Zustände dort "zumutbar" sind. Das ist nicht nur deutsches, sondern auch Europarecht. Bei Abschiebungen nach Syrien will die Union bei jeder Person eine Einzelfallprüfung durchführen. Ist eine Rückkehr angesichts des Alters, des Gesundheitszustands der Personen usw. zumutbar? Hätten deutsche Behörden Kapazitäten für derartige Prüfungen? Wohl kaum.

Die Union wird von der Realität eingeholt: Auch Deutschland muss Syrien beim Wiederaufbau unterstützen, um künftig wieder einen rechtlichen Rahmen für Abschiebungen zu haben. Schwere Straftäter besitzen dagegen zwar einen niedrigeren Schutzstatus. Sie müssen bestraft werden, können ihre Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik verlieren und gegebenenfalls in Gefängnisse kommen. Aber auch für sie gilt letztlich das deutsche Recht und nicht tagespolitische Stimmung.

Dabei wird zudem übersehen, dass die Integration der Syrerinnen und Syrer inzwischen gut läuft. 2016 waren nur sieben Prozent der neu Angekommenen erwerbstätig, sechs Jahre später hatten bereits 60 Prozent eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, davon bis zu 80.000 in Engpassberufen – unter ihnen über 5.000 Ärzte. Sie werden in Deutschland gebraucht.

Kontra
Christoph SchwennickeBereichsleiter Exklusiv

Nein, das ist Realsatire

Mit seinen Außenpolitikern hat Bundeskanzler Friedrich Merz kein Glück. Von jeher irrlichtert Roderich Kiesewetter verlässlich mit abwegigen und unabgesprochenen Äußerungen durch den medialen Äther. Jüngst ist der außenpolitische Obmann der Bundestagsfraktion sogar einem parteiinternen Anti-Merz-Club namens "Compass Mitte" beigetreten, als einziger namhafter und aktiver CDU-Spitzenpolitiker.

Aber auch derjenige, der das wurde, was Kiesewetter zum eigenen Bedauern nicht geworden ist, schafft Probleme, sobald er ein Flugzeug besteigt und die Welt bereist. Die Parteifreunde von Bundesaußenminister Johann Wadephul tun gut daran, in diesen Fällen schon mal die Splitterschutzweste anzulegen. Mit einiger Sicherheit werden ihnen die Trümmer der Worte Wadephuls vor Ort um die Ohren fliegen.

So auch im Falle seines jüngsten Syrien-Besuches, bei dem er nach eigener Formulierung unter dem Eindruck der Zerstörung situativ befand, dass man vorläufig niemanden nach Syrien zurückführen könne. Genau das hatte aber sein Kabinettskollege Alexander Dobrindt schon eingeleitet. Ganz davon abgesehen (das war hanebüchen und überhastet), dass der heutige Unionsfraktionschef Jens Spahn schon vor einem Jahr nach dem Sieg der Islamisten in Syrien die Abschiebeflieger chartern wollte.

Außenpolitik soll wertegeleitet sein. Jawohl. Aber vor allem und zuerst soll und muss sie interessengeleitet sein. Die Außenpolitik des Auswärtigen Amtes hat die erste Aufgabe, deutsche Interessen im Ausland zu vertreten. Dafür ist sie da. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen aus dem Nahen Osten, aber auch aus der Ukraine, ist es also ein legitimes Ziel, möglichst schnell möglichst viele derjenigen wieder in ihre Heimat zurückkehren zu lassen, die nur vorübergehenden Schutz für die Dauer des Bürgerkrieges bekamen, der definitiv seit einem Jahr beendet ist. Wenn es stimmt, was die Umfragen behaupten, möchten das auch 80 Prozent der derzeit hier lebenden Syrerinnen und Syrer.

Es ist daher Realsatire, wenn sich dann ein Minister auf Reisen vor Ort hinstellt und sagt: Oh Gott, hier ist ja ganz viel kaputt. Denn es ist zentraler und richtiger Teil der Idee (auch bei den besagten 80 Prozent), dass die Rückkehrer ihr Land, das nicht mehr im Krieg ist, wieder mit aufbauen.

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