t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon


HomePolitikDeutschlandAußenpolitik

Abschiebungen nach Syrien: Union streitet sich über Wadephuls Worte


Streit in der Union
Wer muss gehen?


04.11.2025Lesedauer: 5 Min.
imago images 0835071512Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (r.) und Johann Wadephul: Der Bundeskanzler hat dem Außenminister indirekt, aber in der Sache deutlich widersprochen. (Quelle: IMAGO/Andreas Gora/imago)
News folgen

Können Syrer schnell zurück in ihre Heimat? Der Außenminister zweifelt daran und hat seine Union so gegen sich aufgebracht. Die Spitzen versuchen, den Konflikt kleinzureden. Doch bisher gelingt das nicht.

Sie wollen, dass es endlich vorbei ist. Steffen Bilger, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, sitzt am Dienstagmorgen mit Journalisten zusammen und spricht aus, was viele bislang nur hinter vorgehaltener Hand gesagt haben: "Das war jetzt nicht gut, dass wir tagelang diese Debatte führen mussten."

"Diese Debatte" – das ist die Diskussion um Abschiebungen nach Syrien. Anders als viele andere in der Koalition spielt sie sich ausschließlich in der Union ab. Das macht es besonders schmerzhaft für einen wie Steffen Bilger. Seine Aufgabe ist es nämlich, die Fraktion im Bundestag zusammenzuhalten.

Jetzt aber kritisieren sich seine Leute schon seit Tagen gegenseitig. Seit der CDU-Außenminister Johann Wadephul am Freitag in Syrien vor den Trümmern eines kriegszerstörten Vororts von Damaskus gesagt hatte, eine Rückkehr für Syrer sei "zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich".

Dass in der Union vier Tage später immer noch darüber gesprochen wird, auch an diesem Mittwoch in der Fraktionssitzung, wo sich der Außenminister erklären soll, das liegt einerseits an misslungenem Krisenmanagement. Aber eben nicht nur. Denn es gibt in der Union nicht nur unterschiedliche Tonalitäten in der Debatte, sondern schlicht verschiedene Vorstellungen davon, wer Deutschland jetzt eigentlich alles verlassen soll.

Misstrauen gegen Wadephul

Das Bemerkenswerte an der ganzen Sache ist, dass nach dem Freitag und Wadephuls Äußerungen in Syrien erst einmal kaum etwas passiert ist. Zumindest nicht öffentlich. Kein Widerspruch, keine Klarstellung. Intern aber brach in Teilen von CDU und CSU eine Welle der Aufregung los. So wird es jetzt verschiedentlich geschildert. Die bange Frage: War es das jetzt mit der "Migrationswende", die wir, die Union, so groß versprochen haben?

Das hat Wadephul zwar nicht gesagt und nicht gemeint. Aber offensichtlich ist er von vielen bei CDU und CSU so verstanden worden. Oder, noch etwas komplizierter: Viele befürchteten offenbar, dass die eigenen Wähler Wadephul so verstanden haben könnten.

Dieses Misstrauen hat mehrere Gründe. Einer ist Wadephul selbst. In der Fraktion wird zwar betont, dass er dort seit Jahren ein anerkannter Außenpolitikexperte sei. Nur: Anders als der überwiegende Teil der Fraktion wird der Mann aus dem liberalen Landesverband Schleswig-Holstein dem Sozialflügel zugerechnet und nicht dem erstarkten konservativen Flügel. Besonders dort und in der CSU wird er auch deshalb schon länger kritisch begleitet.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass die eigenen Leute mit ihrem Außenminister fremdeln. Im Sommer sprach sich Wadephul wegen des Gaza-Kriegs gegen "Zwangssolidarität" mit Israel aus und dachte früh über Sanktionen nach. Zumindest das Wort bezeichnete er später als Fehler, doch auch Sanktionen lehnten viele in der Union kategorisch ab. Im August positionierte sich Wadephul aus Sicht vieler erneut voreilig, als er sagte, ein Ukraine-Friedenseinsatz würde die Bundeswehr "überfordern".

Misslungenes Krisenmanagement

Es gibt also bei einigen in der Union ein Grundmisstrauen gegen Wadephul, das die aktuelle Debatte nicht leichter macht. Doch das ist nicht das einzige Problem. In der Fraktion wird es mittlerweile als eindeutiger Fehler gesehen, dass die Bundesregierung Wadephuls Worte nicht schneller klargestellt hat. Das Auswärtige Amt hat das ebenso wenig getan wie das Kanzleramt.

Nach zwei Tagen schickte die Fraktion also selbst jemanden zur "Bild"-Zeitung, um Wadephul zu widersprechen: Günter Krings. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende sagte, der Zerstörungsgrad eines Landes sei "als Argument gegen eine freiwillige oder pflichtgemäße Rückkehr selbstverständlich denkbar ungeeignet". Wer solle ein zerstörtes Land wieder aufbauen, wenn nicht die eigenen Staatsbürger?

Schon Krings' Worte zeigten, dass es sich nicht nur um ein Missverständnis handelt, sondern dass es unterschiedliche Vorstellungen in der Sache gibt. Denn genau diesen Zusammenhang zwischen Zerstörung und Rückkehr hatte Wadephul hergestellt. Da half es nicht viel, dass sich andere am Sonntag bemühten, das alles als "Scheinkonflikt" kleinzureden, so wie der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in der ARD.

Schon am Montag wurden die Unterschiede erneut deutlich. Und zwar ausgerechnet, als sich das Auswärtige Amt äußerte. In der Regierungspressekonferenz betonte ein Sprecher, man müsse zwischen freiwilligen Rückkehrern und Rückführungen, also Abschiebungen, unterscheiden. Wadephul habe sich "nur ganz, ganz, ganz am Rande" zu Abschiebungen geäußert. Seine Äußerungen hätten sich auf freiwillige Rückkehrer bezogen.

Loading...
Loading...

Doch auch das widerspricht eben der von Günter Krings vorgetragenen Position. Genau wie bei den Abschiebungen, bei denen Wadephul nur von "ganz wenigen Ausnahmefällen" im Falle von Straftätern gesprochen hatte.

Ein Kanzlermachtwort

Einige Stunden später versuchte es Bundeskanzler Friedrich Merz also noch einmal selbst mit einer Klarstellung. Als er am Montagnachmittag bei seinem Länderbesuch in Schleswig-Holstein vor Journalisten stand, sagte er: "Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland, und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen."

Er setze drauf, sagte Merz, dass ein Großteil freiwillig zurückkehre, um am Wiederaufbau teilzunehmen. "Diejenigen in Deutschland, die sich dann weigern, in das Land zurückzukehren, können wir selbstverständlich auch in naher Zukunft abschieben."

"Keinerlei Gründe mehr für Asyl"? Und alle, die nicht freiwillig zurückkehren, können "in naher Zukunft" abgeschoben werden? Es sollte wohl ein klares Kanzlermachtwort sein, das die Zweifel beseitigt, die durch Wadephuls Worte an der Entschlossenheit der Union bei der "Migrationswende" aufgekommen waren.

Doch ob es ganz so pauschal kommt, wie es der Kanzler sagte, ist offen. Ohnehin geht es bei Abschiebungen immer um individuelle Entscheidungen über den Einzelfall, auch bei Syrern. Das betonte am Montag selbst das Innenministerium, das ja eigentlich die "Migrationswende" vorantreiben soll. Droht der Person im Heimatland möglicherweise Gefahr, weil sie einer verfolgten Volksgruppe angehört? So etwas wird überprüft.

Wer darf bleiben, wer soll gehen?

Unionsfraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger sagte am Dienstag, im Mittelpunkt stehe jetzt erst einmal die Abschiebung von Straftätern. Daran arbeite das Bundesinnenministerium. In einem zweiten Schritt müsse es darum gehen, dass weitere Syrer in ihr Heimatland zurückkehren. Am besten, weil sie freiwillig zurückkehren wollen, unterstützt möglicherweise durch Anreize der Bundesregierung.

Abschieben will die Union neben Straftätern dann im zweiten Schritt auch jene, "die sich hier nicht integriert haben, die hier keinen Beitrag leisten, die nicht beschäftigt sind", wie Bilger es etwas vage formulierte.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann wurde am Dienstag ein bisschen konkreter. Es müsse "um eine Rückführung arbeitsfähiger Syrer gehen, die in Deutschland keiner regulären Beschäftigung nachgehen". Wer arbeite und Beiträge zahle, für den gebe es "keinen Grund, warum er hier nicht bleiben soll".

Glaubt man den Worten von Außenminister Johann Wadephul, ist ohnehin alles in Ordnung in der Union. Es gebe "überhaupt keine Differenz" zwischen ihm und dem Kanzler, behauptete Wadephul am Dienstag. Doch dann sagte er einmal mehr noch ein paar andere Dinge.

In Teilen Syriens gebe es durch die Zerstörung eine "apokalyptische Situation", sagte Wadephul. Solange das der Fall sei, "wird es schwer sein, dort wieder ein, wie ich es ja vor Ort gesagt habe, menschenwürdiges Leben zu ermöglichen". Abschiebungen seien natürlich möglich, wenn eine Rückkehr nicht freiwillig geschehe. Aber das sei ein Prozess, bei dem man sich an der Lage vor Ort orientieren müsse. Und damit wiederholte er eben genau das Argument, dem andere in der Union offen widersprechen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Infos der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, AFP

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom