Asylstreit in der Union eskaliert Wadephul zerstört die Illusion

Nach seinen Aussagen über Rückführungen nach Syrien erregt Johann Wadephul in der Union weiterhin Unmut. Der Außenminister wähnt sich im Recht und sieht keinen Grund für eine Korrektur.
Es waren Worte, die heute fast schon ein wenig prophetisch anmuten. "Ich möchte ein wahrnehmbarer Außenminister sein – und das nicht aufgrund der eigenen Profilierung. Ich finde, dass die Welt wissen muss, wo Deutschland steht", sagte Johann Wadephul im September im Interview mit t-online. "Deswegen wird es von mir an der ein oder anderen Stelle Aussagen geben, die nicht jedem gefallen."
Was der Außenminister in den vergangenen Tagen sagte, gefiel tatsächlich vielen in der Union nicht, ja es löste geradezu ein Beben aus. Zunächst zweifelte Wadephul bei seinem Besuch in einer schwer verwüsteten Vorstadt von Damaskus an, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren werde. "Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben", sagte er. Weil das dem Ziel der Union widersprach, zeitnah möglichst viele Syrer ins Land zurückzuschicken, wurde er dafür am Wochenende heftig kritisiert.
Am Dienstag bekräftigte er dann das Ziel der Bundesregierung, perspektivisch Menschen nach Syrien zurückzuführen, aber zunächst auf das Prinzip der freiwilligen Ausreise zu setzen. Bei einer Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion verglich er schließlich die Zustände in Syrien mit den Zerstörungen in Deutschland im Zweiten Weltkrieg, wie t-online und andere Medien aus Teilnehmerkreisen erfuhren.
Die Nerven in der Union liegen längst blank. Abgeordnete nennen den Auftritt Wadephuls in der Fraktion "schlimm" und "desaströs". Andere habe er inhaltlich überzeugt, heißt es. Doch in der Summe wächst der Unmut in der Partei, und der Außenminister sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Migrationswende von Kanzler Friedrich Merz und Innenminister Alexander Dobrindt zu gefährden.
Doch Wadephul sieht sich offenbar im Recht und auf einer klaren Mission: Er möchte als Außenminister Dinge nicht schönreden und der Bevölkerung keine falschen Versprechungen machen, keine Luftschlösser bauen. Dabei wird er immer wieder von der Wirkung seiner eigenen Worte überrascht.
Keine Kapazitäten für innenpolitische Machtkämpfe
Bevor Wadephul ins Amt kam, wurde ihm in der Union stets eine hohe Fachkompetenz in außen- und sicherheitspolitischen Fragen attestiert. Und so sah er sich auch selbst: als kompetenten Fachpolitiker. Er arbeitete Anträge der Bundestagsfraktion aus, vertiefte sich in Dossiers zu unterschiedlichen Ländern und Regionen in der Welt. Oft spricht er auch heute noch davon, sich in Themen erst einmal tief einarbeiten zu müssen, um sie richtig zu verstehen.
Als Außenminister bewegt er sich zudem in einer außenpolitischen Blase, wie schon seine Vorgängerin oder manche seiner Vorgänger. Die außenpolitischen Probleme sind groß und die Eindrücke, die Wadephul auf seinen Reisen ins Ausland sammelt, zahlreich. Da verliert man innenpolitische Machtkämpfe, aber auch das Ringen der Union mit der rechtspopulistischen AfD in Deutschland leichter aus dem Blick als andere. Auch Annalena Baerbock wurde oft eine Entfremdung von den Grünen vorgeworfen, ihr Vorgänger Heiko Maas war allgemein vergleichsweise wenig sichtbar.
Wadephul wiederum scheint nicht nachvollziehen zu können, dass seine Fraktion seine Facheinschätzung von vor Ort nicht zur Kenntnis nehmen will. "Ich komme ja nun aus Syrien, ich habe es vor Ort gesehen", sagte der Außenminister vor der Fraktionssitzung bei einer Pressekonferenz im Auswärtigen Amt. "Ich kenne diese Region von allen Außenpolitikern – das sage ich in aller Bescheidenheit – mit am besten, weil ich seit 15 Jahren Außenpolitik betreibe und mich auf diesen gesamten Raum lange konzentriert habe."
Für Wadephul ist es also ausschließlich eine Frage, die er fachlich beurteilen möchte aus rein außen- und nicht innenpolitischer oder gar ideologischer Sicht.
- Wadephuls Syrien-Äußerung: Es ist ein moralischer Bankrott
Ein pragmatischer Christ
Das ist letztlich der Kern des Problems. Einerseits sind die Zerstörungen in Syrien immens. Und zwar nicht nur in den Vorstädten von Damaskus, die der Außenminister vergangene Woche besuchte. Die Verwüstungen in größeren Metropolen wie Homs oder Aleppo seien sogar noch viel größer, berichtet etwa das UN-Flüchtlingshilfswerk. Zudem ist die politische Lage in Syrien noch immer hochvolatil. Das bedeutet: Die neue politische Führung hat nicht die Kontrolle über das ganze Land, in einigen Regionen regieren bewaffnete Milizen. Das durfte Wadephul aber in Syrien nicht öffentlich sagen, um seine Gastgeber nicht zu brüskieren.
Dieses Lagebild bekommt der Außenminister von den Analysten seines Ministeriums als Dossier auf den Schreibtisch gelegt. Darauf basieren seine politischen Äußerungen, die er als Außenminister tätigt.
Wadephul und sein Ministerium halten deshalb Abschiebungen in größerer Zahl nach Syrien für illusorisch, weil den Menschen dort Verelendung und manchmal sogar politische Verfolgung drohen. Generell ist ein Großteil der Syrer in Deutschland vor Rückführungen geschützt, weil sie in der Bundesrepublik arbeiten. Deshalb sind aus der Perspektive des Außenministers lediglich Abschiebungen von Straftätern möglich.
Aber die Zahl derer, die dafür infrage kommen, ist laut Angaben der Bundesregierung gering, sodass Wadephul diese Personengruppe nicht in den Fokus genommen hat. In seinen Augen ist das wenig pragmatisch.
Grundsätzlich ist der 62-Jährige kein Abschiebungsgegner. Auch er sprach sich im Wahlkampf dafür aus, Migration nach Deutschland unter Kontrolle bringen zu wollen. Doch er möchte der deutschen Bevölkerung keine große Zahl von Abschiebungen versprechen, wenn diese am Ende nicht umsetzbar sind und im Zweifel auch noch juristische Probleme bringen – das ist auch die Leitlinie seines Ministeriums. Somit wollte der Außenminister am Dienstag vor der Fraktion seinem Eindruck noch einmal Nachdruck verleihen. "Das kann man als Christdemokrat auch mal sagen. Deswegen bin ich kein Weichei", soll er laut Teilnehmern gesagt haben. Denn, und das ist letztlich auch ein wichtiger Aspekt mit Blick auf das Recht auf Asyl: Wadephul versteht sich selbst als gläubiger Christ.
- stern.de: "Die Unions-Hysterie um Johann Wadephul ist Ausdruck nackter Angst"
- n-tv.de: "Wadephul nach Syrien-Besuch: 'Bin kein Weichei'"
- spiegel.de: "Schlimmer als Deutschland 1945 – Wadephul empört Unionskollegen mit Syrien-Vergleich"
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherchen und Gespräche







