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Maybrit Illner: Schneider fordert "Masterplan für Armutsbekämpfung"


Polit-Talk bei Maybrit Illner
"Die Soli-Abschaffung ist ein Geschenk für Spitzenverdiener"

MeinungNico Damm, t-online.de

Aktualisiert am 27.10.2017Lesedauer: 4 Min.
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"Wie arm ist Deutschland?", war eine heiß diskutierte Frage im Talk von Maybrit Illner.Vergrößern des Bildes
"Wie arm ist Deutschland?", war eine heiß diskutierte Frage im Talk von Maybrit Illner. (Quelle: ZDF/Svea Pietschmann)

Bei "Maybrit Illner" trafen drei potenzielle Jamaika-Koalitionäre aufeinander – und stritten sich kräftig um das Thema Sozialpolitik

Die Gäste:

Jens Spahn (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium
Robert Habeck (B´90/Die Grünen), stellvertretender Ministerpräsident
und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein
Wolfgang Kubicki (FDP), Stellvertretender Bundesvorsitzender und Bundestagsvizepräsident
• Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des "Deutschen Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes"
• Gabor Steingart, Herausgeber "Handelsblatt"

Das Thema: "Jamaikas Griff in die Kasse - wer guckt am Ende in die Röhre"

Die Sondierungsgespräche zwischen Union, Grünen und der FDP laufen.
Grund für Maybrit Illner, drei Spitzenvertretern der möglichen Jamaika-Koalitionäre auf den Zahn zu fühlen: Wer soll die vielen Wünsche der Parteien bezahlen? Denn eines scheint schon festzustehen: Es bleibt bei der "schwarzen Null", das heißt, es werden keine neuen Schulden gemacht.

Die nächste Bundesregierung hat laut Medienberichten einen finanziellen Spielraum von rund 30 Milliarden Euro zur Verfügung, ohne den ausgeglichenen Haushalt zu gefährden. Das begrenzt die politischen Mittel. Denn die Wünsche der drei Parteien kosten deutlich mehr. Was also fällt hinten runter? Eine unbequeme Frage für die anwesenden Verhandler.

Der Frontverlauf:

Die Fronten waren schnell klar: Während Schneider es für "geradezu unsinnig" hielt, in Zeiten recht guter Konjunktur nicht mehr Geld zu investieren, hielt der Rest der Runde geschlossen dagegen. Einzig Habeck mahnte hier und da an, dass zu einem zukunftsfesten Deutschland auch Investitionen gehörten. Insgesamt sei die "Präambel" der Koalitionäre, die schwarze Null, aber "gut gewählt".

Nicht der einzige Punkt, an dem der linke Flügel der Grünen in den Verhandlungen offenbar rasch einknickte: Die Vermögenssteuer und die Erbschaftssteuer seien ebenfalls vom Tisch, berichtete Habeck. "Das bedaure ich sehr." Als Ausgleich wünsche er sich jedoch bessere Transparenzregeln für die Besteuerung von Konzernen. Da fand er in Kubicki sogar einen Verbündeten: "Wenn wir das ordentlich regeln, können wir zwischen 50 und 60 Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen."

Streitpunkt Nummer eins war die Sozialpolitik. Und damit verknüpft die Frage, ob die Zeit für die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags, wie ihn die FDP fordert, schon gekommen ist. 20 Milliarden Euro würde das kosten – eine der teuersten Forderungen in den Sondierungen überhaupt.
Schneider geißelte die Pläne als "Geschenk für Spitzenverdiener".

Schließlich zahlten nicht nur Menschen mit hohem Einkommen höhere Soli-Sätze. Viele Niedriglohnbezieher oder Empfänger von Sozialleistungen profitierten gar nicht, denn diese zahlten schon jetzt keinen Soli. Spahns Vorschlag: Den Soli für Spitzenverdiener bestehen lassen. Kubicki schien da gesprächsbereit, präferierte aber eher, den Soli abzuschaffen und dafür anderswo Einnahmen zu generieren.

Aufreger des Abends:

Wie arm ist Deutschland? Um diesen Punkt drehten sich die hitzigsten Wortgefechte. Immer mittendrin: Spahn und Schneider. Da ging es auch schnell mal an die Grenze zum Persönlichen. Etwa, als Spahn Schneider indirekt unterstellte, er verheimliche, dass er im vergangenen Jahr der Linkspartei beigetreten sei. Dass er das nicht tut, stellte Illner allerdings sofort richtig.

Inhaltlich war Spahns Linie klar: Deutschland geht es gut. Es werde investiert, in den Verkehr zum Beispiel "so viel wie seit Jahren nicht". Schneider hingegen forderte einen "Masterplan zur Armutsbekämpfung". "Wir müssen was tun für Langzeitarbeitslose, das sind seit Jahren eine Million Menschen." Ein Vorschlag: Öffentlich geförderte Arbeitsplätze für Hartz IV-Empfänger schaffen.

Ein Einspieler gab Schneider argumentatives Futter: Die Jamaika-Koalitionäre wollen weder den Mindestlohn, noch Hartz IV erhöhen. Jedes fünfte Kind ist arm oder von Armut bedroht. Das stimme zwar, so Spahn, aber das sei auf die eine Million Zuwanderer "mit überwiegend niedriger beruflicher Qualifikation" zurückzuführen, die in den vergangenen Jahren gekommen seien.

Steingart nannte Schneiders Argumente "rückwärtsgewandt" und plädierte lieber für eine Verdopplung der Berufsschulen, um die vielen jungen Zuwanderer zukunftsfest zu machen. Für Habeck hingegen ist Armut "nicht wegzureden". "Wenn man mal einen Tag an der Tafel gearbeitet hat, dann sieht man Armut." Wenn man diese akzeptiere und nichts für die Geringverdiener tun, dann könne sich die Koalition "alles andere schenken". Klare Worte, großer Applaus.

Was übrig bleibt:

Ein in den Talkshows der Wahlkampfzeit unsichtbares, aber schmerzlich vermisstes Thema tauchte bei Illner wieder auf: Sozialpolitik. Schade, dass die Sendung keinen Gast aufbot, der zumindest mal die Sinnhaftigkeit der "schwarzen Null" aus ökonomischer Sicht kompetent diskutieren konnte. Schließlich wird Deutschland schon seit Jahren nicht nur von führenden Ökonomen, selbst von marktliberalen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds für seinen Investitionsstau gerügt.

Wie soll die Digitalisierung gelingen, wenn Deutschland in Zeiten des billigen Geldes nur spart? Wie das zunehmende Armutsproblem gelöst, wenn der Soli abgeschafft wird und nicht die Mehrwertsteuererhöhung zurückgenommen? Und was hat der Sparkurs der vergangenen Jahre in den Volkswirtschaften und Arbeitsmärkten anderer EU-Länder angerichtet? Das wären wichtige Fragen für diesen Abend gewesen. Doch auf Jamaika hat man für diese anscheinend ohnehin gerade kein offenes Ohr.

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