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Jamaika-Aus: Regierungskrise in einem beneidenswerten Land


Regierungskrise in einem beneidenswerten Land

t-online, Gerhard Spörl

Aktualisiert am 20.11.2017Lesedauer: 3 Min.
Wolken über dem Reichstagsgebäude: Europa und die Welt beneiden das Land um seine politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse – doch Angela Merkels Autorität schwindet.Vergrößern des BildesWolken über dem Reichstagsgebäude: Europa und die Welt beneiden das Land um seine politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse – doch Angela Merkels Autorität schwindet. (Quelle: getty-images-bilder)
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Nach dem Abbruch der Sondierungen sind Neuwahlen die bessere Lösung, eine Minderheitsregierung kommt nicht in Frage. Dazu stehen einige Rücktritte an, die schon nach der Wahl fällig gewesen wären.

Ein Kommentar von Gerhard Spörl

Es muss ein großer Spaß sein, dieses Land zu regieren. Die Wirtschaft läuft auf Hochtouren, deutsche Waren und Güter sind auf dem Weltmarkt begehrt, die Arbeitslosigkeit liegt bei rund fünf Prozent, das ist ziemlich wenig, vor allem im europäischen Vergleich.

Emmanuel Macron würde sich solche wunderbaren Verhältnisse wünschen. Theresa May dürften die Augen tränen, wo sie doch gezwungen ist, das schwächelnde England aus der EU zu lotsen. Und die Amerikaner haben Deutschland gerade noch um Angela Merkel beneidet, die Führerin der freien Welt, wie die "New York Times" titelte.

Oder überwiegt doch die Last?

Es muss eine große Last sein, Deutschland zu regieren. Vier Wochen lang haben vier Parteien sondiert, ob sie gemeinsam etwas hin bekommen, was nach einer Koalition aussehen könnte, und sind daran gescheitert. Das ist nicht weiter verwunderlich.

Die Vier bestanden aus zwei schwachen Großen und zwei starken Kleinen. Die Jamaika-Formation hätte nur Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn Angela Merkel den Faden in die Hand genommen hätte, aber das ist nicht ihre Art und vielleicht fehlte ihr dazu auch schon die Kraft und die Autorität.

Dazu war es grotesk, dass Horst Seehofer, der sich gerne überlebensgroß gibt, den Abbruch der Verhandlungen fürchten musste, weil er daheim in München nur auf Abruf bleiben darf, was er ist. Daher kam es auf die Kleinen an, wobei die Grünen anpassungswillig waren, woran auch immer, und die FDP skeptisch von Anfang an.

Jamaika war kein gemeinsames Projekt

Regierungsparteien brauchen Gemeinsamkeiten. Können sie kein Projekt definieren, sind sie von Anfang an auf Rivalität gepolt. Mir wurde nie klar gemacht, was CDU und CSU und FDP und Grüne in den nächsten Jahren miteinander anfangen wollten. Trotzdem war es richtig, nach dem seltsamen Wahlergebnis im September auszuloten, was möglich gewesen wäre. Und es war richtig, dass einer der Vier die Konsequenzen zog und die endlosen Verhandlungen abbrach.

Was nun? Entweder die Bundeskanzlerin regiert mit einer Minderheit. Das wäre ein echtes Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte und hätte wohl auch geringe Aussichten auf Erfolg. Wir sind es nun einmal gewohnt, dass eine Koalition, die wenigstens so tut, als ob sie wüsste, was sie will, das Land regiert. Die Alternative sind Neuwahlen, das ist die sowohl saubere als auch riskante Lösung. Dem Bundespräsidenten, auf den es in der Krise ein bisschen ankommt, geht diese Lösung gegen die Hutschnur, aber er wird sich beugen müssen.

Jetzt werden Rücktritte fällig

Ein paar Korrekturen, die schon gleich nach der Wahl fällig gewesen wären, dürften jetzt nachgeholt werden. Angela Merkel hat sich große Verdienste um das Land erworben. Vermutlich hätte sie sogar gerne darauf verzichtet, noch einmal anzutreten, das dritte Mal. Den Abschied im richtigen Augenblick zu nehmen, ist bisher nur Hans-Dietrich Genscher gelungen, aber keinem Bundeskanzler. Angela Merkel erlebt nun, wie es ist, wenn man gezwungen wird, los zu lassen.

Dass Horst Seehofer die längste Zeit Ministerpräsident gewesen ist, dürfte ihm mehr als klar sein. Und die leisen Rufe, dass Martin Schulz, der andere Wahlverlierer, ebenfalls den Weg freimachen muss, werden von nun an lauter erklingen. Gleich in mehreren Parteien sollte eine Generation abtreten, damit die nächste Generation zeigen kann, was in ihr steckt. Darauf können wir gespannt sein.

Was bei Neuwahlen herauskommt, hängt auch von der Deutungshoheit über die Gründe der Regierungskrise ab. Wer den Abbruch der Sondierungen auf sich nimmt, kann Held der Schurke sein. Die FDP geht ein großes Wagnis ein, aber damit hat sie in ihrer Geschichte gute Erfahrungen gemacht, warum nicht diesmal.

Der grelle Gegensatz bleibt: Ein beneidenswertes Land leistet sich eine Regierungskrise und sucht nach einer neuen Generation, die es so gut regiert, wie Deutschland es verdient.

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