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Unterwegs mit Armin Laschet: Er ist ganz anders als das Bild von ihm


Laschet im Wahlkampf
Ich bin nur gut, wenn keiner guckt


Aktualisiert am 06.09.2021Lesedauer: 7 Min.
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Armin Laschet in Hannover: Kommt noch die Wende in diesem Wahlkampf?Vergrößern des Bildes
Armin Laschet in Hannover: Kommt noch die Wende in diesem Wahlkampf? (Quelle: imago-images-bilder)

Das Image von Armin Laschet scheint ruiniert. Vielen Bürgern gilt er inzwischen fast als Tollpatsch. Doch wer ihn näher beobachtet, erlebt einen Mann, der Menschen mitreißen kann und eine politische Mission hat.

Eigentlich müsste er nur noch erschöpft sein. Es ist ein Abend im April, Armin Laschet sitzt in der Talkshow "3 nach 9". Vor wenigen Tagen und nach vielen Nächten hat er Markus Söder beim Kampf um die Kanzlerkandidatur niedergerungen. Es war ein Nervenkrieg, auch gegen große Teile seiner eigenen Partei. Der Moderator fragt, ob Laschet sich deshalb bei seiner Familie "auskotzen" würde.

Auskotzen? Laschet lächelt irritiert. Dann sagt er: "Es reicht ja, dass ich damit belastet bin." Er erkläre dann meistens seiner Familie: "Ist okay, mir geht's gut." Dann spricht er über alte Schlager, Laschet stimmt für ein paar Sekunden tatsächlich "Er gehört zu mir" an. Es klingt sympathisch, nicht peinlich. Armin Laschet wirkt so befreit wie einer, der ein Kettenhemd abgestreift hat.

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"3 nach 9" ist eine Nischensendung, sie erreicht weniger als eine Million Menschen pro Ausgabe. Deutlich weniger als die "Tagesthemen" oder "Anne Will", wo Armin Laschet sonst häufig zu Gast ist. Doch nur in der Nische tritt der 60-jährige Laschet so souverän und siegessicher auf.

Wieder im Kettenhemd des öffentliches Drucks

Jetzt, viereinhalb Monate später, ist die Souveränität aus der Talkshow vom April verflogen. Und die Siegesgewissheit sowieso.

Die Wähler schauen sehr kritisch auf den Kanzlerkandidaten Laschet. Die Union liegt in den meisten Umfragen inzwischen mehrere Prozentpunkte hinter der SPD. An ein solches Szenario haben nicht einmal die überzeugtesten Sozialdemokraten geglaubt. Der mutmaßliche Grund: In allen Erhebungen zur fiktiven direkten Kanzlerwahl liegt ihr Kandidat Olaf Scholz inzwischen deutlich vorn. Laschet dagegen ist weit abgeschlagen. Nicht mal all jene, die sich noch zur Union bekennen, favorisieren ihn als Regierungschef.

Das öffentliche Urteil lautet weniger als drei Wochen vor der Wahl: Er kann es nicht.

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Da hilft es auch nicht, wenn sich die Kanzlerin dann doch mal dazu durchringt, Laschet ihre eigene Nachfolge zuzutrauen. Er führe das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen "sehr erfolgreich", sagte Angela Merkel am Sonntag. "Und wer so ein Land führen kann, kann auch die Bundesrepublik Deutschland als Kanzler führen." Nur: Führungsstärke gehört zu jenen Eigenschaften, die die Deutschen Laschet mit am wenigsten assoziieren.

Die Kanzlerin sagt "Er kann es!". Aber dass die Bürger ihr "Stimmt doch gar nicht" zurufen, dürfte vor allem einen Grund haben: Es hat sich ein Bild von Laschet verfestigt, nach dem er Auftritte verstolpert, sich in Interviews verhaspelt, im Flutgebiet lacht. Anfangs hat der CDU-Chef noch so getan, als würde ihn die Kritik an ihm nicht stören. Doch er ist unsicherer geworden, inzwischen scheint er wieder im Kettenhemd des öffentlichen Drucks gefangen, in dem er sich so schwer bewegen kann.

Fairness, heißt es gern, sei keine politische Kategorie. Und dennoch: Die Beurteilung von Armin Laschet ist unfair. Wer ihn eine Weile aus der Nähe beobachtet, erlebt einen Politiker, wie ihn sich viele wünschen: Nahbar, ohne erkennbare Arroganz, in der Lage, Menschen mitzureißen.

Besonders, wenn er nicht eine Politik-Show veranstalten muss, sondern sich einfach mit Leuten unterhält. Dann, wenn die Kameras für ihn zur Nebensache werden und er sich unbeobachtet fühlt. Manchmal erinnert er einen dann an ein Lied von Max Raabe: "Ich bin nur gut, wenn keiner guckt / Wenn einer zuschaut, mach ich's gleich verkehrt und es ist nicht der Rede wert / Ich bin so gut, wenn keiner guckt."

Für das Wahlkampffinale, so scheint es, hat sich Laschet allerdings vorgenommen, endlich auch gut zu werden, wenn alle gucken. Und am letzten Dienstag sieht er dafür seine Chance gekommen. Laschet ist zum "Wirtschaftstag" des Wirtschaftsrates der CDU in Berlin eingeladen. Viele Anzugträger schwirren herum, Banken und Unternehmen haben eigene Stände im Tagungshotel. Der "Wirtschaftstag" ist so eine Art Konklave der CDU-nahen Unternehmer.

Um 13.23 Uhr fährt Laschet vor. Als Laschet zur Bühne schreitet, wummert aus den Lautsprechern "Final Countdown". In seiner Rede wettert er gegen "hohe Steuern", das sei eine "der fundamentalsten Fehleinschätzungen" von SPD und Grünen. Und: "Ein Stahlwerk in Duisburg ist ein Beitrag zum Weltklima." So etwas hören die Anzugträger natürlich gern. Zudem verspricht er Friedrich Merz einigermaßen deutlich, dass er Minister wird, wenn Laschet die Wahl gewinnt. Der Applaus danach ist lang, es gibt sogar Standing Ovations.

Ich bin nur gut, wenn keiner guckt? Er ist an diesem Tag sogar weiter: Laschet ist gut und kurz gucken auch alle.

Laschet hält eine für seine Verhältnisse sehr mitreißende Rede, die schnell in den sozialen Medien Verbreitung findet. Und die Botschaft des Tages ist: Friedrich Merz sitzt jetzt hochoffiziell mit im Boot. Die Nachrichtenseiten werden etwa eine Stunde lang von ihm dominiert.

Ein Zufall macht die Strategie kaputt

Dann läuft in den Schlagzeilen, dass mehrere Demonstranten über den Vertretern des "Wirtschaftstags" gefälschte, blutig-gefärbte Geldnoten abgeworfen haben. Es wirkt wie ein Mini-Anschlag auf die Veranstaltung, schnell sind die Minister-Garantie für Merz und Laschets Attacken-Auftritt in den Hintergrund gerückt. Stattdessen interessiert viele jetzt, wie das falsche Geld auf die Unternehmer regnet.

Es ist wie so oft bei Armin Laschet: Ein unglücklicher Zufall macht seine sorgsame Strategie eines guten Auftritts kaputt. Und er kann nur noch zusehen.

Am nächsten Tag bekommt man einen Einblick davon, wie sehr das an ihm zehrt. Es ist Mittwoch, Laschet stellt mit dem Autor Ralph Bollmann dessen neue Biografie über Angela Merkel vor. Bollmann erzählt, wie ihm einmal die Mutter von Merkel sagte, dass oft etwas Falsches über ihre Tochter geschrieben werde, das solle ihm doch nicht passieren. Da klinkt sich Laschet ein: Ja, das hätte seine Mutter, die mittlerweile verstorben ist, vermutlich ebenfalls so gesagt.

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"Wenn mir jemand ein Eis anbietet, dann esse ich das"

Die Berichterstattung über Laschet hat, um es vorsichtig zu formulieren, teilweise eine gewisse Eigendynamik angenommen. Vor wenigen Tagen wird er fotografiert, wie er im Wahlkampf ein Eis isst. Und Onlinemedien bebildern damit negative Meldungen über die CDU, obwohl thematisch überhaupt kein Zusammenhang besteht.

Prompt wirkt es, als sei dem Kanzlerkandidaten seine Partei egal. Hauptsache, ich habe mein Eis, auch wenn wir in den Umfragen abrauschen, das war die ihm unterstellte Botschaft. Laschet erklärt danach in einem Interview, dass er die Kritik an seinen Beratern nicht verstehe, die es zulassen würden, wenn er ein Eis esse. Ich werde mich für eure Politik-Show nicht verbiegen, soll das heißen.

Bei seiner Bewerbungsrede auf dem CDU-Parteitag im Januar, als er sich knapp gegen Friedrich Merz durchsetzt, sagt Laschet: "Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung. Aber ich bin Armin Laschet, und darauf können Sie sich verlassen." Es soll ein bisschen klingen wie "Sie kennen mich" von Angela Merkel aus dem Wahlkampf 2013.

Der Unterschied ist: Die Politik der Kanzlerin kannte man zu dem Zeitpunkt einigermaßen genau. Ob man sich auf Armin Laschet verlassen kann, ist dagegen vielen unklar.

Armin Laschet hofft jetzt, dass es noch nicht zu spät ist, um zu zeigen, dass man sich auf ihn verlassen kann. In diesen Tagen spult er Hunderte Kilometer im Dienstwagen ab, beackert Marktplatz um Marktplatz. Er kämpft gegen sein eigenes Image an.

Apolda, mitten in Thüringen am vergangenen Freitag. Von der kleinen Bühne am Marktplatz soll Laschet um 14 Uhr sprechen. Auf dem Weg vom Hauptbahnhof dorthin gibt es etwa ein Dutzend Plakate des örtlichen CDU-Spitzenkandidaten Mike Mohring, fünfmal welche von der AfD, und nur viermal Armin Laschet. Aber auf allen vier Laschet-Plakaten steht: Bratwurst und Bier für einen Euro. Es ist gut gemeint, aber es wirkt so: Die Leute kommen nur, wenn sie günstig essen und trinken können.

Das Sicherheitspersonal wird nervös, Laschet bleibt ruhig

Laschet verspricht in seiner Rede dann ein "großes Paket" für den Osten, sichert zu, dass der Kohleausstieg nicht vorgezogen wird und erklärt, dass er sich für die "Menschen im ländlichen Raum" einsetzen wolle. Die Rede kommt gut an, Laschet trifft den richtigen Ton. Das ist für einen liberalen Politiker bemerkenswert in einer Region, in der Friedrich Merz vor anderthalb Jahren noch Hunderte Leute in einem Saal aufgepeitscht hatte. Laschet überzeugt mittlerweile sogar Wähler in den erzkonservativen Regionen.

Der Kanzlerkandidat steigt in Apolda in seinen Dienstwagen und steht kurz darauf in Erfurt auf einer Bühne. Wieder eine Rede, wieder das eigene Image retten, wieder zeigen, dass man sich auf ihn verlassen kann. Dieses Mal wird Laschet aber dabei gestört. Ein Mann springt aus dem Publikum, steht plötzlich neben Laschet und beschwert sich lautstark über die Corona-Maßnahmen. Er kommt aus der Querdenker-Szene, was Laschet zu diesem Zeitpunkt aber nicht wissen kann.

Das Sicherheitspersonal wird schon erkennbar nervös, Laschet bleibt ruhig. Es ist einer der Momente, wo ihm die Kameras egal sind, obwohl völlig unklar ist, wie es ausgeht. Für einen Spitzenpolitiker ist eine solche Situation extrem gefährlich, seine PR-Berater dürften sich die Haare raufen.

Laschet aber sagt zu dem Störer, er solle sich bitte erst mal beruhigen und hält ihm das Mikrofon hin. Der Mann kritisiert die Corona-Maßnahmen in den Schulen, fragt, wie es dabei weitergehen soll und kommt dabei kurz nah an Laschet heran. Laschet hört sich die Frage an, bittet den Mann anschließend freundlich, hinter die Absperrung zu gehen und sagt: "Eine Impfpflicht oder Druck auf Kinder, sich impfen zu lassen, lehne ich ab."

Die Szene wird später via Video im Netz verbreitet, der SPD-Politiker Karl Lauterbach geißelt Laschet auf Twitter: Es sei "dumm", sich so nahe an jemanden zu stellen, der keine Maske trägt. Die Wahrheit ist: Der Mann kam Laschet nur sehr kurz nahe, Laschet selbst konnte nichts dafür und ist zudem doppelt geimpft. Trotzdem ist da wieder das Bild: Laschet, der Tölpel, der Corona nicht ernst nimmt.

Reicht es, gut zu sein, auch wenn nicht immer alle genau hingucken?

Armin Laschet sagte im TV-Triell, es gelte: "Kanzlerisch ist nicht, wenn man die Raute von Angela Merkel nachmacht." Und er schob nach: "Lassen wir doch die Wähler entscheiden, was sie 'kanzlerisch' finden."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche u.a. in Apolda und Berlin
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