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"Maybritt Illner" – Lindner kontert Baerbock: "Das ist unseriös"


Ampel-Finanzierung bei "Maybrit Illner"
Lindner kontert Baerbock: "Das ist unseriös"

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 22.10.2021Lesedauer: 5 Min.
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Baerbock und Lindner bei "Maybrit Illner": Bei der Finanzpolitik herrscht keine Einigkeit.Vergrößern des Bildes
Baerbock und Lindner bei "Maybrit Illner": Bei der Finanzpolitik herrscht keine Einigkeit. (Quelle: ZDF/Jule Roehr)

Grüne und FDP sind in Finanzfragen grundlegend uneins. Das wurde bei "Maybrit Illner" deutlich. Baerbock forderte ein Ausnutzen der ausgesetzten Schuldenbremse, Lindner hielt dagegen: "Das ist unseriös."

Die Gäste

  • Annalena Baerbock, Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
  • Christian Lindner, FDP-Parteichef
  • Norbert Röttgen, Mitglied des CDU-Präsidiums
  • Christiane Hoffmann, Autorin im Hauptstadtbüro des "Spiegel"
  • Herfried Münkler, Politikwissenschaftler

Maybrit Illner fragte einfach so lange nach, bis auch dem letzten Zuschauer klar war: Grüne und FDP haben bei der Finanzierung ihrer teuren Pläne in der Sondierung offenbar bei einem entscheidenden Punkt aneinander vorbeigeredet. Oder vielleicht wollten sie der Realität da einfach noch nicht ins Auge blicken. Das taten die Parteichefs Annalena Baerbock und Christian Lindner dann eben mit direktem Blickkontakt am Donnerstagabend in der ZDF-Talkrunde. Illner stellte die Gretchenfrage: Wie hält es die Ampelkoalition mit der wegen der Pandemie ausgesetzten Schuldenbremse?

Diese Frage ist wichtig geworden, denn bislang ist vielen Beobachtern nicht klar, wie eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP Vorhaben wie den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft finanzieren will. "Ampel unbezahlbar?", war entsprechend auch der Titel der "Illner"-Ausgabe. Steuererhöhungen soll es bekanntlich nicht geben, Bundesfinanzminister und Wahlsieger Olaf Scholz (SPD) will seine Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten. Die war zur Bewältigung der Corona-Folgen ausgesetzt worden. Das würde jedoch – so lauteten Überlegungen – der neuen Regierung die Chance eröffnen, schnell noch 2022 ordentlich Schulden zu machen (spekuliert wurde über mehrere Hundert Milliarden Euro zusätzlich), um so für den Rest der Legislaturperiode ein dickes Finanzpolster zu haben. So in etwa hat das auch Baerbock verstanden.

Baerbock vs. Lindner bei "Illner"

Zunächst wollte Illner von der Grünen-Co-Vorsitzenden wissen, ob sich die potenziellen Koalitionspartner tatsächlich verabredet hätten, jährlich 50 Milliarden Euro in ihre Zukunftsprojekte zu investieren. "Wir haben uns mindestens darauf verständigt", bestätigte Baerbock. Reiche das oder wolle die Ampel dann noch mal 2022 einen "ordentlichen Schluck aus der Pulle" nehmen, um sich ein Polster zuzulegen, hakte die Moderatorin nach. "Es ist beides", erwiderte die Grünen-Kanzlerkandidatin und wandte sich vorsorglich gegen Kritik: "Es ist ja nicht so, als hätte es das bisher nicht gegeben." So könne die Deutsche Bahn als eigenständiger Akteur Kredite aufnehmen, auch die bundeseigene Förderbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) investiere. Dies sei im Rahmen der europäischen Regeln möglich. "Das brauchen wir alles, um die riesigen Projekte, die wir im Infrastrukturbereich brauchen, wirklich angehen zu können", unterstrich Baerbock.

Lindner gab sich alle Mühe, den Widerspruch zur Ampel-Partnerin nicht zu formulieren. "Es gibt noch keine mittelfristige Finanzplanung", versuchte er sich vor einer klaren Antwort zu drücken. Illner hatte mehrmals nachgefragt, ob er das Ergebnis der Sondierungsgespräche in diesem Punkt genau so verstanden habe. Er verwies wie Baerbock auf neue Möglichkeiten für den Staat, Geld zu beschaffen. So könnten "Billionen Euro" an privatem Kapital aktiviert werden, etwa mithilfe der KfW oder durch niedrigere Hürden für Lebensversicherungen, um Kapital anzulegen. Dies könne ein spannender Weg sein, der "undemokratische Schattenhaushalte außerhalb des Bundeshaushaltes verhindert, die Schuldenbremse einhält und gleichzeitig marktwirtschaftlich, auch mit privater Haftung, Fortschritt organisiert". Als die Gastgeberin erneut nachhakte, wurde der FDP-Chef deutlicher: "Die Schuldenbremse ist ausgesetzt worden wegen der Pandemie, nicht wegen der Transformation der Wirtschaft. Und ich glaube, dass es das gemeinsame Verständnis aller drei Parteien, die jetzt verhandeln, ist, dass wir seriös auch in der Haushalts- und Finanzpolitik bleiben."

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Lindner bemühte sich redlich, die Aussagen der Grünen-Chefin in der Sendung schnell noch umzuinterpretieren. "Deshalb habe ich Annalena Baerbock auch anders verstanden, als Sie gerade versucht haben zu dolmetschen", erklärte er Illner. Also fragte die zum x-ten Mal nach – und Baerbock blieb bei ihrer Haltung, gegebenenfalls im nächsten Jahr auch die Situation mit der ausgesetzten Schuldenbremse zur Finanzierung der Vorhaben zu nutzen. "Ja, denn wir können ja nicht sagen, wir machen jetzt einfach die Augen zu und dann gucken wir mal, was passiert mit der Klimakrise. Die Klimakrise ist unsere größte Herausforderung und sie ist zugleich unsere aller, allergrößte Chance."

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Lindner warnt vor "Geburtsfehler einer neuen Koalition"

Lindner ließ seinerseits keinen Zweifel daran aufkommen, dass hier für ihn eine rote Linie verlaufe. Er nannte es einen "Geburtsfehler einer neuen Koalition", "wenn man die bestehenden, wegen der Corona-Pandemie eröffneten Kreditermächtigungen jetzt nutzt, um gewissermaßen einen Vorrat anzulegen für eine neue Koalition. Das wäre nicht seriös." Lieber gar nicht regieren, als unseriös zu regieren? Diese Frage ersparte Illner dem FDP-Chef. Sie wollte aber natürlich wissen, wie es mit seinem offen formulierten Anspruch auf den Posten des Bundesfinanzministers bestellt sei. "Wir sprechen nicht über Ressorts, schon gar nicht in der Öffentlichkeit", blieb Lindner der Strategie aus den Sondierungsgesprächen treu. Fast schien er aber zum Wohle des großen Ganzen Flexibilität zu signalisieren. "Das Ziel muss sein, dass in der Nikolauswoche eine solche Regierung im Amt ist", betonte er und sagte nickend in Richtung Baerbock: "Wir sollten jetzt manche parteipolitische Debatte hinter uns lassen, damit dieses Land eine stabile Regierung bekommt."

Die Grünen-Chefin hatte zuvor zu Illners Frage, ob ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck nicht der viel bessere Finanzminister wäre, deutlicher Stellung bezogen. "Wir möchten gerne das Finanzministerium besetzen", erklärte Baerbock wenig zurückhaltend. "Aus meiner Sicht ist das natürlich logisch so", sagte sie zu einem Finanzministerium unter Habeck und erinnerte auch direkt daran, warum das so sei. "Es ist ja bekannt, dass wir als Grüne finden: Wir sind zweitstärkste Kraft in dieser Koalition, dass wir das alles mitberücksichtigen müssen." Baerbock will die Regierungsbildung an dieser Frage aber offenbar ebenfalls nicht scheitern lassen: "Wir werden nicht zusammenkommen können, wenn wir uns jetzt gegenseitig sagen: Ich bin aber besser, ich bin aber besser."

Der Wettstreit ums Finanzministerium hat nach Ansicht des CDU-Politikers Norbert Röttgen allerdings mehr als Symbolcharakter für die Machtverhältnisse in der Koalition. "Das ist das strategisch wichtigste Amt der Bundesregierung", so der Bundestagsabgeordnete. Er war von 2009 bis 2012 in der Koalition von Union und FDP (damals mit Außenminister Guido Westerwelle) Umweltminister. Im Kampf um den CDU-Vorsitz war Röttgen Armin Laschet unterlegen. Nach dessen angekündigtem Rückzug meldet er erneut Führungsanspruch an. Sollte es für die Union bei dem schmerzhaften Ergebnis der letzten Bundestagswahl bleiben, würde sie den Status als Volkspartei verlieren, warnte Röttgen. Bei der Erneuerung "werde ich sicherlich mitwirken", sagte er, wollte aber nicht konkreter werden.

Keinen Zweifel ließ Röttgen daran, was er von Forderungen halte, die CDU nach der Niederlage konservativer aufzustellen. Die Erneuerung der Partei könne nur in der Mitte der Gesellschaft gelingen – "alles andere wäre ein Irrweg", mahnte er. Zwar würden sich die im Studio anwesenden Parteivertreter freuen, sollten die Christdemokraten nach rechts rücken. Aber: "Das wäre töricht, dumm und selbstmörderisch", stemmte sich Röttgen gegen entsprechende Strömungen in der CDU.

Verwendete Quellen
  • "Maybrit Illner" vom 21. Oktober 2021
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