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Angela Merkel im Interview: Ihr Plan für Deutschlands digitale Zukunft


Merkel erklärt ihren Plan für Deutschlands digitale Zukunft

Ein Interview von Florian Harms und Tatjana Heid

Aktualisiert am 14.11.2018Lesedauer: 12 Min.
Interview
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Angela Merkel im Gespräch mit den Redakteuren Florian Harms und Tatjana Heid: "Schnelles Internet ist die Voraussetzung für die Teilhabe an der Digitalisierung."Vergrößern des Bildes
Angela Merkel im Gespräch mit den Redakteuren Florian Harms und Tatjana Heid: "Schnelles Internet ist die Voraussetzung für die Teilhabe an der Digitalisierung." (Quelle: HC Plambeck)

Die Digitalisierung ist das wichtigste Zukunftsthema

Ab dem heutigen Mittwoch trifft sich das Bundeskabinett zu einer zweitägigen Klausurtagung in Potsdam. Einziger Programmpunkt: die Digitalisierung. Bislang agierte die Bundesregierung in vielen Bereichen zögerlich, viele Gremien wurden eingesetzt, setzten aber wenig um; Agenden wurden beschlossen, doch Ergebnisse sind allenfalls langsam zu sehen. In ihrer letzten Amtsperiode will Bundeskanzlerin Angela Merkel die Prozesse jetzt beschleunigen. Mit t-online.de spricht sie exklusiv über künstliche Intelligenz, Glasfasernetze, das totalitäre chinesische Überwachungssystem – und ihre eigene Internetnutzung.

t-online.de: Frau Bundeskanzlerin, Sie sprechen seit Jahren immer wieder über das Großthema Digitalisierung. Es gab viele Ankündigungen, Versprechungen, Beschwörungen – aber geschehen ist wenig. Warum hat Ihre Regierung das Thema verschlafen?

Angela Merkel: Es ist in einigen Bereichen bereits sehr viel mehr geschehen, als einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Allerdings will auch ich, dass es nun noch schneller vorangeht. Der digitale Wandel vollzieht sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit und in dieser Geschwindigkeit liegt die Herausforderung für alle politisch Handelnden.

Machen wir es mal konkret: Überall in Deutschland gibt es Funklöcher. Viele Regionen haben kein schnelles Internet. Telekom und Vodafone weigern sich, Glasfaserkabel bis in die Häuser zu verlegen. Es gibt kein digitales Bürgerportal. Viele Behörden arbeiten immer noch mit Papierbergen statt digital. Tech-Konzerne wie Facebook, Google, Amazon sind mächtiger als viele Staaten, gehen aber intransparent mit den Daten der Nutzer um und zahlen in Deutschland kaum Steuern. Das Problem von Hass-Postings und Propaganda auf Facebook, YouTube und Twitter ist trotz des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ungelöst. Beim Thema künstliche Intelligenz läuft China Deutschland davon ...

Mit ihrer Frage ist die Zeit ja schon fast um ...

Zusammengefasst: Wir haben den Eindruck, in Ihrer Regierungszeit hat es jahrelang weder Interesse noch Kompetenz gegeben, diese Themen anzupacken; die riesigen Probleme wurden liegen gelassen.

Im Gegenteil. Es bewegt sich gerade sehr viel. Richtig ist zwar, dass Europa im Bereich der Konsumenten-Plattformen gegenüber Asien und Amerika im Rückstand liegt. Aber jetzt stehen wir vor dem digitalen Wandel in der Industrie, der Industrie 4.0. Das ist ein Schwerpunkt der Bundesregierung. Hier sind wir in Deutschland bis hinein in den größeren Mittelstand sehr gut aufgestellt. Nachholbedarf sehen wir sicherlich in den kleineren mittelständischen Unternehmen und darum kümmern wir uns. Wir haben in der letzten Legislaturperiode zum Beispiel eine verbesserte finanzielle Förderung für Start-ups durchgesetzt. München und Berlin gelten weltweit als attraktive Standorte, alle großen Internetkonzerne haben Forschungs-Campusse in Deutschland angesiedelt. Wir haben Exzellenz-Cluster im Bereich der künstlichen Intelligenz, hier werden wir eine Gesamtstrategie entwickeln. Und wir haben unsere Cyberfähigkeiten stark verbessert; die Bundeswehr hat nun eine eigene Teilstreitkraft für diesen immer wichtiger werdenden Bereich. Sie sehen: Es bewegt sich viel, aber wir müssen unsere Anstrengungen noch einmal beschleunigen.

Aber es gibt immer noch eine Vielzahl von Gremien, in denen nebeneinander über Digitalisierung gesprochen wird: den Digitalrat, die Runden zur Digitalen Agenda, diverse Abteilungen in den Ministerien. Viele Bundesländer haben ihre eigene Digitalisierungsstrategie. Es gibt eine eigene Staatsministerin für Digitalisierung, der Kanzleramtsminister redet ebenfalls mit, und nun soll es auch noch eine eigene Kabinettsklausur zum Thema Digitalisierung geben. Die deutsche Digitalpolitik ist ein Flickenteppich.

Das sehe ich ausdrücklich nicht so, denn diese Gremien haben jeweils eigene Aufgaben, die sich ergänzen und ineinander greifen müssen. In Deutschland ist vieles dezentral strukturiert. Das ist ein Vorteil, aber es erfordert ein hohes Maß an Kooperation, um die Potenziale zu entfalten. Wenn wir zum Beispiel über das neue Bürgerportal reden, dann ist das eine föderale Aufgabe. Da kann der Bund nur etwas bewegen, wenn er mit Ländern und Kommunen zusammenarbeitet. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode das Grundgesetz geändert, damit der Bund überhaupt die Kompetenz dafür hat. Auf Bundesseite haben wir unsere Kräfte Anfang dieser Legislaturperiode noch einmal stark konzentriert. Digitalisierung ist jetzt in jedem Ressort Chefsache. Und wir haben mit dem Digitalrat ein Expertengremium eingesetzt, das uns ganz konkrete Vorschläge machen und uns auch – wo es Not tut – antreiben soll.


Sie sprechen vom Digitalrat, dessen Mitglieder aber nur ehrenamtlich arbeiten und sich auch nur zweimal im Jahr mit dem Bundeskabinett treffen sollen.

Das sind ausgewiesene Expertinnen und Experten, auch im internationalen Maßstab. Sie treffen sich zwar nur zweimal mit den Kabinettsmitgliedern, dazwischen aber natürlich häufiger. Ich bin beeindruckt, mit wie viel Engagement sie sich einbringen. Wir haben gerade die zweite Arbeitssitzung mit dem Digitalrat hinter uns. Wir haben schwerpunktmäßig über E-Government und die digitale Modernisierung der Verwaltung gesprochen. Hierzu haben sie uns sehr konkrete Vorschläge ins Aufgabenbuch geschrieben. Daran werden wir arbeiten.

Im Juni hat sich erstmals das Digitalkabinett zusammengesetzt, über den Sommer sollten die Ressorts ihre Ideen vorlegen, die dann bis Herbst hier im Kanzleramt zu einer gemeinsamen Strategie zusammengefasst werden. Jetzt ist Herbst. Wie sieht also die Digitalstrategie der Bundesrepublik Deutschland aus?

Wir müssen besser und schneller in der Umsetzung unserer digitalen Vorhaben werden. Alle Ressorts haben gemeinsam mit dem Kanzleramt ein Aufgabenbuch entwickelt, unter dem Motto digital-made-in.de. Darin ist die Umsetzungsstrategie der Bundesregierung zur Gestaltung des digitalen Wandels über alle Ressorts zusammengefasst, vom Digitalpakt Schule bis zur Digitalisierung in der Landwirtschaft, von den Einflüssen auf die Arbeitswelt bis zu den Anwendungen in der Gesundheitspolitik und der Pflege. Das alles ist konkret und nutzerorientiert, um Fortschritte besser messen zu können. Wir haben einen permanenten Prozess in Gang gesetzt, bei dem wir im Digitalkabinett regelmäßig überprüfen werden, wo wir in der Umsetzung stehen und was die nächsten Ziele sind. Das wird also laufend fortgeschrieben.

Einer der wichtigsten Punkte innerhalb dieser Umsetzungsstrategie ist die nationale Strategie künstliche Intelligenz – eine Aufgabe vor allem der Ministerien für Forschung, Wirtschaft und Arbeit. Deutschland ist im Bereich der Forschung zur künstlichen Intelligenz international in der Spitzengruppe. Das müssen wir bleiben, mehr noch: Deutschland und Europa müssen in Zukunft führender Standort für künstliche Intelligenz sein. Mit diesem Ziel wollen wir diese Woche unsere Strategie "Künstliche Intelligenz" im Kabinett beschließen. Davon hängen ganz wesentlich unser künftiger Wohlstand ab und die Frage, ob und wie wir unsere europäischen Werte von der Würde jedes einzelnen Menschen und dem Schutz der Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter verteidigen können. Wir müssen sowohl konsequent in die Forschung investieren als auch besser in der Anwendung werden. Wir werden Forschungscluster bilden und vernetzen.

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Dieses Netzwerk wird sich den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt, im Bereich Datenschutz und Datenverfügbarkeit widmen, übrigens gemeinsam mit Frankreich. Wir müssen uns auch mit den Fragen der Datensouveränität befassen und haben dafür die Kommission Datenethik eingesetzt, die bis September 2019 konkrete Vorschläge machen wird.

Wenn künstliche Intelligenz jetzt so ein wichtiger Schwerpunkt ist: Machen Sie da nicht den zweiten Schritt vor dem ersten? Es fehlt doch schon an der Grundlage: dem flächendeckenden und sicheren 5G-Netzausbau.

5G ist nicht die Grundlage für künstliche Intelligenz. Aber 5G kann zum Beispiel notwendig für einige Aspekte des autonomen Fahrens sein, wobei dann auch künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielt. Das eine zu tun, heißt also nicht, das andere zu lassen. Die nötige Geschwindigkeit erreichen wir nur, wenn wir in allen Bereichen der Digitalisierung gleichermaßen Tempo machen. Wir wollen nicht warten, bis wir das 5G-Netz haben, bevor wir uns mit künstlicher Intelligenz befassen. Für einige Anwendungen brauchen wir es später natürlich großflächig. Mit der Versteigerung von Frequenzen im ersten Quartal 2019 werden wir den ersten wichtigen Schritt für den 5G-Ausbau in Deutschland gehen. Erstmalig erhält auch die Industrie direkten Zugriff auf knappe Frequenzressourcen, damit sie selbst innovative 5G-Anwendungen entwickeln kann.

Warum lassen Sie die Mobilfunkfrequenzen überhaupt versteigern? In anderen Ländern werden sie einfach verteilt, dadurch können die Netzbetreiber mehr Geld an anderer Stelle investieren.

Deutschland hat sehr gute Erfahrungen mit der Frequenzversteigerung gemacht. Außerdem können wir so die Rahmenbedingungen setzen, also definieren, was wir von denjenigen erwarten, die die Frequenzen dann wirtschaftlich nutzen. Es ist wichtig, dass derjenige, der sie erwirbt, sie wirklich mit dem Ziel, in die Fläche zu kommen, ausbaut und nicht die Ballungsgebiete bevorzugt. Dabei sinken natürlich die Versteigerungserlöse, doch unser Ziel heißt: die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.


Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Netzanbieter sofort Gegenforderungen stellen? Dass sie dann sagen: Wir schaffen es nicht, die letzte Meile Glasfaserkabel bis in die Häuser zu verlegen, weil wir schon so viel Geld in die Ersteigerung der Netze investieren mussten?

Das ist ein Aushandlungsprozess. Auf der anderen Seite gewinnen wir Mittel, um gezielt den Aufbau der Regionen zu fördern, in denen Privatanbieter aus rein wirtschaftlichen Gründen überhaupt nicht tätig würden. Es ist mir sehr wichtig, dass nicht drei verschiedene Anbieter nur zwischen Köln und Düsseldorf dreimal ausbauen, sondern dass sie den Ausbau auch an Landesstraßen vornehmen und dann immer weiter in die Fläche gehen. Dazu müssen wir die Anbieter verpflichten oder ihnen Anreize bieten. Schnelles Internet ist die Voraussetzung für die Teilhabe an der Digitalisierung, für die Anbindung der ländlichen Räume.

Die Telekom lässt sich nun bei Ausbau und Technik von 5G vom chinesischen Hersteller Huawei helfen. Deutsche Sicherheitsbehörden sind deshalb alarmiert und warnen vor einem Einfallstor für chinesische Spionage. Warum lässt Deutschland zu, dass eine Schlüsseltechnologie dem Einfluss des totalitären China ausgeliefert wird?

Ganz allgemein geantwortet gilt unabhängig vom jeweiligen Land und der Art der Investitionen für uns, dass wir genau hinschauen, welche Teile unserer Infrastruktur so wesentlich sind, dass wir ausländischen Anbietern keinen Zugang geben wollen.

Noch mal: Die Bedenken der Sicherheitsbehörden im Hinblick auf Huawei teilen Sie also nicht?

Und noch einmal ganz allgemein und unabhängig von dem jeweiligen Land und der Art der Investitionen geantwortet gilt, dass wir alle Dinge im Auge haben.

Es ist ja nicht nur 5G. Auch die Mobilfunklöcher sind ein großes Problem. Das Ziel, alle Löcher bis Ende 2018 zu stopfen, werden Sie nicht einhalten können.

Wir hatten in Aussicht gestellt, die Haushalte bis Ende 2018 mit Anschlüssen von 50 Megabit auszustatten. Mit den Versorgungsauflagen aus der Versteigerung 2015 schaffen wir bis Ende 2019 eine Versorgung von 98 Prozent der Haushalte. Auch noch die letzten Haushalte zu erreichen, ist nicht einfach. In der Zwischenzeit aber hat sich bei den Menschen – zu Recht – eine ganz andere Erwartung ergeben. Nicht die Abdeckung der Haushalte ist entscheidend, sondern überall telefonieren zu können, im Zug, auf der Fernstraße, auf der Heide, und idealerweise auf jeder Wiese in der Natur Filme streamen zu können. Das flächendeckend zu erreichen, ist nicht einfach. Als Staat setzen wir Prioritäten und machen nun ein Sonderausbauprogramm für alle Schulen und alle Gewerbegebiete, damit sie ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Und dann ist es auch wichtig, jedem Mittelständler, der vor Ort für Arbeitsplätze und Wohlstand sorgt, eine schnelle ordentliche Anbindung zu ermöglichen.


Haben Sie angesichts der rasanten digitalen Entwicklung nicht auch manchmal den Eindruck, dass die politischen Prozesse zu langsam sind?

In diesem Fall sind es Investitionsprozesse. Die politische Entscheidung können wir schnell treffen, aber es muss ja alles in die Erde verlegt werden und es müssen Funkmasten aufgestellt werden. Aber wir brauchen auch bessere Transparenz über die tatsächliche Abdeckung. Die Bundesnetzagentur hat Ende Oktober eine App veröffentlicht, mit der jeder Bürger Funklöcher an sie melden kann. Damit werden wir einen Überblick bekommen, sodass sich der Druck noch einmal erhöht.

Die Funklöcher gibt es seit Jahren. Wenn wir jetzt erst einen Überblick darüber bekommen, ist das ziemlich spät.

Besser spät als nie. Aber Sie haben recht: Unsere politischen Prozesse auch in der Verwaltung müssen schneller werden. Auch das gehen wir an, auch dafür gibt uns der Digitalrat Impulse. Zur Digitalklausur des Kabinetts haben wir Vertreter der britischen Regierung zu Gast. Sie haben vor 7 Jahren eine neue Arbeitseinheit gegründet, die bewusst anders als der klassische Verwaltungsapparat arbeiten sollte und für einen überschaubaren Zeitraum – meist weniger als ein Jahr lang – jungen IT-Entwicklern Programmieraufgaben gibt. Das geht viel schneller, effektiver und im Übrigen auch kostengünstiger als in den klassischen Strukturen der öffentlichen Verwaltung. Wir werden auch in Deutschland Ideen entwickeln müssen, wie man neue innovative Ansätze mit einer gut funktionierenden und risikoarmen Verwaltung vernünftig kombiniert. Die öffentliche Verwaltung wird in den kommenden Jahren viel lernen müssen.

Noch mal zurück zu China: Die dortige Führung nutzt die digitalen Techniken, um totalitäre Überwachungsmethoden zu entwickeln – und dehnt zugleich ihren weltweiten Einfluss aus. Droht also irgendwann auch uns in Deutschland eine Orwell’sche Überwachung, vielleicht sogar, ohne dass wir es merken?

Davon sind wir weit entfernt und das wird nie unser Weg sein. Wir müssen immer Rechenschaft darüber ablegen, wie wir sicherstellen können, dass die Menschen die Hoheit über ihre Daten haben. Darauf beruht auch die Datenschutzgrundverordnung. China geht ganz anders heran. Sie testen das System der social credit points. Dabei gehen viele individuelle Entscheidungen und Verhaltensweisen des einzelnen Bürgers in eine staatlich geführte Gesamtwertung ein. Ein solches Vorgehen würden wir niemals wählen. Das Datenschutzrecht bietet Schutz.

Ist das wirklich so? China drängt massiv in eine globale Führungsrolle. Auch amerikanische Tech-Konzerne haben Zugriff auf viele unserer Daten, ohne dass wir wirklich wissen, was damit geschieht.

Die amerikanischen Internetkonzerne können auf europäischem Boden nur nach europäischem Recht arbeiten. Sie alle müssen sich an die Datenschutzgrundverordnung halten. Und auch China kann nichts anbieten, was unseren datenschutzrechtlichen Vorstellungen widerspricht. Aber das eigentliche Ziel kann ja ohnehin nicht sein, dass wir ständig amerikanische oder chinesische Konzerne regulieren, sondern das Ziel muss sein, dass künftig die Standards und die großen Player wieder aus Europa kommen. Genau darum geht es bei der Industrie 4.0.

Reicht die Datenschutzgrundverordnung wirklich? Oder brauchen wir auch auf Bundesebene ein Grundrecht auf Datenschutz, wie Hessen es gerade per Volksentscheid in seiner Verfassung verankert hat?

Erstens steht das Europarecht im Rang sogar über unserer Verfassung und zweitens kommt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung spätestens seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 auch bei uns eine ganz besondere Bedeutung zu.

Nicht nur wegen des Datenschutzproblems haben viele Deutsche den Eindruck, der Digitalisierung ausgeliefert zu sein. Viele fürchten auch, dass diese Arbeitsplätze vernichtet und die Welt unübersichtlicher macht. Was wollen Sie diesem diffusen Gefühl entgegensetzen?

Es wird genau andersherum sein: Nicht zu viel Digitalisierung vernichtet unter dem Strich Arbeitsplätze, sondern zu wenig Digitalisierung. Unsere bisherigen Erfahrungen sagen, dass die Zahl der Arbeitsplätze nicht dramatisch sinken wird. Aber vieles wird sich verändern. Ich habe ja schon darüber gesprochen, wie wichtig es für unseren Wohlstand und die Arbeitsplätze ist, bei den digitalen Entwicklungen vorne mit dabei zu sein. Aber ganz entscheidend werden in Zukunft die digitalen Kompetenzen der Menschen sein. Deswegen spielen für uns Weiterbildung und lebenslanges Lernen eine große Rolle. Wir bieten zum Beispiel mittelständischen Unternehmen eine Förderung an, wenn sie ihre Mitarbeiter digital weiterbilden. Wir arbeiten an einer nationalen Weiterbildungsstrategie, die genau diese digitalen Kompetenzen im Blick haben wird. Zugleich durchlaufen wir einen dramatischen demografischen Wandel. Bis 2030 werden wir sechs Millionen Menschen weniger im erwerbsfähigen Alter haben als 2015. Die Aufgabe heißt, diese beiden Entwicklungen klug zusammenzubringen – und das werden wir auch schaffen.

Amazon, Google und Facebook haben durch die Digitalisierung enorm viel Macht erlangt und fahren riesige Gewinne ein. Der französische Präsident Macron will deshalb eine europäische Digitalsteuer einführen und appelliert an Sie, ihn dabei zu unterstützen. Machen Sie mit?

Wir wollen auch, dass digitale Unternehmen fair besteuert werden. Wir ziehen dafür jedoch das Instrument einer sogenannten Mindestbesteuerung vor. Das wenden die Amerikaner schon an, auch die Überlegungen der OECD gehen in diese Richtung. Wir würden das gerne international vereinbaren, können darauf allerdings nicht ewig warten. Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission trifft in Deutschland auf Vorbehalte, weil er im Grunde auf eine neue Form der Unternehmensbesteuerung hinausliefe. Deutschland als Exportnation muss sich genau überlegen, was es für uns und unser Steuereinkommen bedeutet, wenn nicht mehr wie heute die Betriebsstandorte für die Besteuerung ausschlaggebend wären. Darüber reden wir mit Frankreich. Wohl gemerkt: Wir reden nicht über das Ob einer Besteuerung der Digitalkonzerne, wir reden über das Wie. Und bis Dezember wird es einen Vorschlag geben.

Sind Sie eigentlich zufrieden mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz?

Es ist ein erster Schritt.

Was braucht es noch?

Auch hier müssen wir genau überlegen. Wir dürfen zum einen nicht denen recht geben, die im Internet einen Raum sehen, in dem die Regeln aus der analogen Welt nicht mehr gelten. Eine Plattform ist nicht nur ein Raum, wo Menschen miteinander kommunizieren können. Es treten ethische Fragen hinzu. Die Betreiber der Plattformen haben große Verantwortung. Die müssen sie auch übernehmen. Zum anderen darf es aber auch nicht dazu führen, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Darüber müssen wir weiter nachdenken und abwägen. Deshalb evaluieren wir das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gerade.

Wie viel Zeit verbringen Sie eigentlich täglich im Internet?

Wenn das Lesen einer digitalen Zeitung dazu zählt: eine Stunde. Oder anderthalb. Manchmal vielleicht auch zwei. Wenn ich zwei Stunden Auto fahre, lese ich viel im Internet – und ärgere mich natürlich auch, wenn Funklöcher kommen. Möglicherweise werde auch ich irgendwann einmal die Funkloch-App nutzen ...

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