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Bundestag | Israelischer Parlamentspräsident unter Tränen: "Nie wieder Holocaust!"


Gedenktag zur Befreiung von Auschwitz
Israelischer Parlamentspräsident: Tränenausbruch im Bundestag

Von afp, dpa, Kgl

Aktualisiert am 27.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Mickey Levy zu Gast im Bundestag: In Gedenken an die im Holocaust ermordeten Juden trägt er ein Gedicht vor. (Quelle: t-online)
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Das Vernichtungslager Auschwitz ist am 27. Januar 1945 befreit worden. Aus diesem Anlass gedachte der Bundestag der Opfer des Holocaust. Dabei kam es zu einer emotionalen Szene.

Anlässlich der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 77 Jahren am 27. Januar 1945 hat der Bundestag am Donnerstag der Opfer des Holocaust gedacht. Neben Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sprachen auch die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher und der Präsident des israelischen Parlaments, Mickey Levy. Als Levy zum Ende seiner Rede ein jüdisches Gebet sprach, brach er in Tränen aus und konnte nicht weitersprechen. Er erhielt minutenlangen Applaus.

In seiner Rede vor dem Parlament hatte Levy an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnert und zugleich vor heutigen Gefahren für die Demokratie gewarnt. Im Reichstagsgebäude könne man eine Ahnung davon bekommen, wie Menschen Demokratie ausnutzen könnten, um sie zu überwinden, sagte er.

"Die Grenzen des Bösen gedehnt"

"Dies ist der Ort, wo die Menschheit die Grenzen des Bösen gedehnt hat, ein Ort, wo Werteverlust einen demokratischen Rahmen in eine rassistische und diskriminierende Tyrannei verwandelt hat", sagte Levy. "Und nun erfahren wir hier, in den Mauern dieses Hauses – stummer Zeuge aus Stahl und Stein – wieder die Zerbrechlichkeit der Demokratie, und wir werden wieder an die Pflicht erinnert, sie zu schützen."

Das Wahren der Erinnerung an den Holocaust sei eine schwere Aufgabe, die jede Generation aufs Neue auf sich nehmen müsse, sagte Levy. Er erinnerte an die sogenannte Wannseekonferenz vor 80 Jahren, bei der führende NS-Beamte und Offiziere die Umsetzung des Völkermords an den europäischen Juden besprochen hatten.

Dank an Ex-Kanzlerin Merkel

80 Jahre seien vielleicht nicht genug Zeit, damit Wunden verheilen können, sagte der Knesset-Präsident. Doch verbinde die Erinnerung Israelis und Deutsche. Beide Nationen hätten es geschafft, das historische Trauma zu überwinden. Und beide seien sich einig über die Bedeutung der Demokratie und den Einsatz für ihren Schutz.

Levy bedankte sich auch bei Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich immer wieder für die Beziehungen zwischen den Ländern eingesetzt habe. "Vielen Dank, Angela Merkel", rief er. An Bundeskanzler Olaf Scholz richtete er die Erwartung Israels, diesen Kurs fortzusetzen. "So viel wir auch getan haben, ist es doch unsere Pflicht, immer noch mehr zu tun", so Levy.

"Diese Krankheit muss so schnell wie möglich geheilt werden"

Vor Levy hatte bereits die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher gesprochen. Auerbacher war 1942 als Siebenjährige ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden und war dort bis zur Befreiung durch die Rote Armee 1945 interniert. Mit ihrer Familie wanderte sie später in die USA aus. Sie appellierte an die Menschen, sich dem Antisemitismus entgegenzustellen. "Leider ist dieser Krebs wieder erwacht, und Judenhass ist in vielen Ländern der Welt, auch in Deutschland, wieder alltäglich", so Auerbacher. "Diese Krankheit muss so schnell wie möglich geheilt werden."

Auerbacher erzählte vor den Abgeordneten von ihren Erlebnissen während der Zeit des Nationalsozialismus. Sie berichtete, wie sie die Nacht der Pogrome erlebte, ihre Eltern zunächst zur Zwangsarbeit gezwungen wurden und die Familie schließlich in das Konzentrationslager Theresienstadt kam. Dort hätten furchtbare hygienische Zustände geherrscht. Typhus, Ratten, Flöhe und Mäuse seien ein großes Problem gewesen. Wie durch ein Wunder hätte sie mit ihren Eltern das Konzentrationslager überlebt. Dann seien sie nach Kriegsende nach New York ausgewandert. Dort litt sie jahrelang unter Krankheiten als Folge der NS-Verfolgung, überwand aber auch diese und arbeitete als Chemikerin.

"Dieser Traum soll nie wieder verloren gehen"

Sie schloss ihre Rede mit den Worten: "Menschenhass ist etwas Schreckliches. Wir sind alle als Brüder und Schwestern geboren. Mein innigster Wunsch ist die Versöhnung aller Menschen." Die Vergangenheit dürfe nie vergessen werden. "Zusammen wollen wir beten für Einigkeit auf Erden. Lasst uns gemeinsam einen neuen Morgen sehen. Dieser Traum soll nie wieder verloren gehen."

Eröffnet worden war die Veranstaltung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Sie rief zur Wachsamkeit gegenüber anhaltender Judenfeindlichkeit auf. "Der Antisemitismus ist mitten unter uns", warnte sie. Antisemitismus gebe es nicht nur am äußersten politischen Rand – er sei ein Problem der ganzen Gesellschaft.

"Mut zur Intoleranz" zeigen

Bas betonte auch: "Erinnern und Gedenken machen nicht immun gegen Antisemitismus." Vielmehr seien Freiheit und Demokratie auf engagierte Bürger angewiesen, die in diesem Fall auch "Mut zur Intoleranz" zeigen müssten. "Wer gegen Muslime und ihren Glauben hetzt, der macht sich als Freund des Judentums unglaubwürdig", sagte Bas. "Wer Menschen bei uns ablehnt, einfach, weil sie anders sind oder nicht schon immer hier waren, der sollte das Wort Freiheit nicht in den Mund nehmen", so Bas weiter. Bei rechtsextremen Wahlerfolgen sei es "höchste Zeit, zusammenzustehen, um die Werte und Institutionen unserer freien, demokratischen Gesellschaft zu beschützen".

Am 27. Januar 1945 hatten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des deutschen Konzentrationslagers Auschwitz im besetzten Polen befreit. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet. Seit 1996 wird das Datum in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen.

Bei der Gedenkstunde wurden unter anderem Musikstücke von einem Komponisten und einer Komponistin gespielt, die ebenfalls in Theresienstadt interniert waren. Auch zwei Lieder des jüdischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Besatzungsherrschaft in Osteuropa wurden gesungen. An der Gedenkveranstaltung nahmen unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz teil.

Verwendete Quellen
  • Gedenkfeier im Bundestag am 27. Januar 2022
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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