"Das Kapitel ist geschlossen" Linksfraktion im Bundestag löst sich auf
Nach dem Austritt der Gruppe um Sahra Wagenknecht hat die Linksfraktion im Bundestag ihre Auflösung beschlossen. Auch ein Termin steht nun fest.
Die Linksfraktion im Bundestag hat ihre Auflösung zum 6. Dezember beschlossen. Das teilte Fraktionschef Dietmar Bartsch nach der Entscheidung am Dienstag in Berlin mit. Es solle dann schnellstmöglich ein Antrag auf Erreichen eines Gruppenstatus der Linken-Abgeordneten im Bundestag gestellt werden, sagte Bartsch weiter.
Hintergrund ist der Austritt der früheren Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und neun weiterer Abgeordneter aus der Partei die Linke. Wagenknecht hatte mit diesen kürzlich das "Bündnis Sahra Wagenknecht" gegründet – ein Verein, der als Grundstein für eine eigene Partei dienen soll.
Für die Linke hat das schwerwiegende Konsequenzen, denn ohne Wagenknecht und ihre Anhänger verliert die Linksfraktion ihre Mindestgröße von 37 Abgeordneten und muss liquidiert werden – ein Vorgang, der für das Parlament sehr ungewöhnlich ist. "Das Kapitel ist geschlossen", stellte Parteichefin Janine Wissler nach der Entscheidung fest.
Nach dem lähmenden Richtungsstreit mit Wagenknecht gehe es nun wieder los für die Linke, so die Losung. Das Aufbruchssignal wollen Wissler und ihr Co-Fraktionschef Martin Schirdewan am Wochenende bei einem Bundesparteitag in Augsburg senden. Bekannt gemacht haben sie schon, dass die Partei einige Hundert neue Mitglieder gewonnen hat – die Zahl der Eintritte sei höher als die der Austritte im Sog von Wagenknecht.
Zwei parlamentarische Gruppen erwartet
Es wird erwartet, dass nun zwei neue parlamentarische Gruppen entstehen: die verbliebenen 28 Linken-Abgeordneten einerseits und Wagenknecht mit ihren Unterstützern andererseits. Man werde darauf hinarbeiten, das so schnell wie möglich umzusetzen, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch vor der Fraktionssitzung. Eine Gruppe hat im Vergleich zu einer Fraktion etwas weniger parlamentarische Rechte und bekommt auch weniger finanzielle Unterstützung aus der Staatskasse. Zur Zulassung einer Gruppe und zur Bestimmung von deren Rechten braucht es einen Bundestagsbeschluss.
Politisch ist es für die Linke ein tiefer Einschnitt. Die Linksfraktion hatte sich 2005 gegründet, ein Zusammenschluss der Abgeordneten der ehemaligen PDS und der damals neuen WASG. Beide Parteien fusionierten dann 2007 zur Linken. Nun spaltet sie sich wieder. Wagenknecht möchte Anfang 2024 eine Konkurrenzpartei gründen. Ihr Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht" bereitet dies vor und sammelt schon Spenden.
Die geschiedenen Partner sind künftig Konkurrenten und ringen bereits um die Deutungshoheit. "Wir sind die einzige relevante linke Partei in Deutschland, und wir kämpfen darum, dass wir auch wieder stärker werden", sagte Wissler. Das ist nun das Mantra: "Die Linke ist nicht tot", betonte auch Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Das Ende der gemeinsamen Fraktion sei die Chance auf einen Neustart. "Bei Niederlagen gilt: Wer achtmal hinfällt, muss neunmal aufstehen."
Liquidation kann Jahre dauern
Dass sich eine Bundestagsfraktion während der laufenden Legislatur auflöst, ist neu. Solche "Liquidationen" gab es bisher nur nach Wahlniederlagen. 2013 wurde die FDP-Fraktion im Bundestag liquidiert, als sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. 2002 durchlief die Linken-Vorgängerin PDS bereits einmal ein solches Verfahren. Damals schafften nur zwei Direktkandidatinnen den Sprung in den Bundestag.
Weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Räume und Verträge gekündigt werden müssen, kann eine Liquidation Jahre dauern. Die Gründung der neuen parlamentarischen Gruppen kann aber schon vorher beginnen. Sie brauchen Unterstützung der übrigen Fraktionen im Ältestenrat und im Plenum. Übergangsweise werden die bisherigen Mitglieder der Linksfraktion wohl als Einzelabgeordnete im Bundestag sitzen.
Die Linksfraktion erhielt nach Angaben des Bundestags 2022 rund 11,5 Millionen Euro staatlicher Zuwendungen und hatte Personalausgaben von rund 9,3 Millionen Euro. Die Fraktion muss nun allen 108 Mitarbeitern kündigen. Einige von ihnen könnten bei den beiden neuen Gruppen einen Job finden.
- Nachrichtenagentur dpa