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Fall Lübcke (✝65): Tatverdächtiger Stephan E. hat lange Neonazi-Vergangenheit


Verdächtiger Stephan E. hat lange Neonazi-Vergangenheit

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

17.06.2019Lesedauer: 4 Min.
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Verdächtiger in Haft: Stephan E. soll den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke getötet haben. Die Behörden gehen von einem rechtsextremen Hintergrund aus.Vergrößern des Bildes
Verdächtiger in Haft: Stephan E. soll den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke getötet haben. Die Behörden gehen von einem rechtsextremen Hintergrund aus. (Quelle: dpa/Screenshot, Montage: Nour Alnader)

Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremen Anschlag auf CDU-Politiker Walter Lübcke aus. Der Verdächtige Stephan E. ist einschlägig vorbestraft – und war in einem Schützenverein aktiv.

Der Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist nach Einschätzung der Ermittler eine Tat mit rechtsextremem Hintergrund. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte am Montag, es gebe bislang zwar keinen Hinweis, dass der dringend tatverdächtige Stephan E. Teil eines rechtsterroristischen Netzwerks sei. Sein Vorleben und seine Äußerungen legten aber einen rechtsextremistischen Hintergrund nahe.

Spezialkräfte hatten den 45-jährigen E. am frühen Samstagmorgen in Kassel festgenommen. Seit Sonntag sitzt er wegen dringenden Mordverdachts in Untersuchungshaft. Die Festnahme erfolgte den Angaben zufolge "aufgrund eines DNA-Spurentreffers". Hautschuppen des Verdächtigen sollen bei dem Getöteten gefunden worden sein. E. schweigt nun offenbar..

Versuchter Totschlag und Rohrbombenanschlag

Im Laufe des Montags hatten Medien berichtet, dass der Mann mit Taten in der rechtsextremen Szene aufgefallen ist: Nach Informationen von "Zeit Online" wurde er wegen eines Vorfalls im November 1992 wegen versuchten Totschlags verurteilt. Er hatte damals auf der Toilette des Wiesbadener Hauptbahnhofs einen Mann mit Migrationshintergrund mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt.

Ein Jahr später wurde er laut "Süddeutscher Zeitung" für die Beteiligung an einem Rohrbombenanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft im hessischen Hohenstein-Steckenroth zu sechs Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der damals 20-Jährige stammt aus Bayern, lebte aber zu dieser Zeit im hessischen Taunus. Damals begründete er seine Tat unverhohlen mit ausländerfeindlichen Motiven.

In den folgenden Jahren war er in der NPD aktiv, wie Fotos zeigen. In seinem Umfeld gibt es Leute, die die militante Gruppe "Combat 18" aufgebaut haben, die Schießtrainings machten und über Waffenkäufe sprachen.

Angriff auf DGB-Kundgebung in Dortmund

Nach Informationen von "Spiegel Online" wurde der Mann dann wieder verurteilt, weil er sich 2009 an Ausschreitungen von Neonazis in Dortmund beteiligt hatte. Er erhielt eine Strafe von sieben Monaten auf Bewährung wegen Landfriedensbruchs. Neonazis hatten dort eine Kundgebung des DGB zum 1. Mai angegriffen. Wenige Jahre später, im Jahr 2015, bat die Linksfraktion im hessischen Landtag dann den Verfassungsschutz um Informationen über den Rechtsextremisten – allerdings ohne Antworten zu erhalten.

Der 65-jährige Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha entdeckt worden. Er hatte eine Schussverletzung am Kopf und starb kurz darauf. Seither ermittelte eine 50-köpfige Sonderkommission – und konnte am Samstag den dringend Tatverdächtigen festnehmen.

Seit zehn Jahren im Schützenverein

Bei einem Schützenverein im Raum Kassel wunderten sich vielleicht am Sonntag manche, Stephan E. an dem Tag nicht zu sehen. "Er war sonntags eigentlich immer da zum Bogenschießen", sagte der Vorsitzende zu t-online.de. Der zweifache Vater Stephan E. war demnach großer Fan des Bogenschießens und im Vereinsvorstand dafür zuständig.

Mit anderen Waffen habe E. sich im Verein nicht beschäftigt. "Es muss ja auch nicht jeder an die Schusswaffen." Ihm sei auch nicht bekannt, dass E. eine solche Waffe gehabt hätte.

Der Vereinschef hat durch einen Anruf von Medien erfahren, dass eines der 170 Mitglieder im Verdacht steht, den Regierungspräsidenten getötet zu haben. Er hat sich dann auch mit Vorstandskollegen besprochen. Der Verein habe sich nichts vorzuwerfen. "Und ich kann mir das auch immer noch nicht vorstellen", sagte er zu t-online.de. "E. ist ein ruhiger Typ, ich habe nicht erlebt, dass er sich mal aufregt." Privat habe er wenig mit dem Mann zu tun gehabt, und man könne ja niemandem hinter die Stirn schauen.

Lübcke hatte seit 2015 Morddrohungen erhalten

Der getötete Regierungspräsident Lübcke hatte seit 2015 immer wieder Morddrohungen erhalten und zeitweise unter Polizeischutz gestanden. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte t-online.de, es verwundere sie überhaupt nicht, dass ein einschlägig bekannter Neonazi als dringend Tatverdächtiger verhaftet worden sei. "Es war leider nur eine Frage der Zeit, bis auf die massive Mordhetze von Rechtsextremen, Neonazis und Rassisten gegen Andersdenkende auch wieder entsprechende Taten folgten."

Linke, Bündnis 90/Grüne und FDP haben eine Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag beantragt, bei der die Sicherheitsbehörden über den bisherigen Ermittlungsstand und die Sicherheitslage Rede und Antwort stehen sollen.

FDP-Politiker fordert Zeitenwende

Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte t-online.de: "Dieses Ereignis muss eine Zeitenwende beim Umgang mit Rechtsextremismus in Deutschland einläuten." Es brauche insbesondere eine harte Abgrenzung bürgerlicher Parteien nach rechts.

Für die Sondersitzung sprach sich auch der AfD-Innenpolitiker Martin Hess aus, selbst Polizist: "Nachdem es den Verdacht eines politischen Motivs beim Täter gibt, befürworte ich eine Sondersitzung." Es müsse alles getan werden, um die Tat lückenlos aufzuklären "und Extremismus, egal welcher Form, effektiv zu bekämpfen".

Die Nachricht von möglichen Verbindungen ins rechtsextreme Milieu hatte am Sonntag in sozialen Netzwerken sofort vielfältige Reaktionen ausgelöst. Auch ohne nähere Informationen waren viele Forderungen laut geworden, den Kampf gegen rechte Gewalt zu verstärken.


Ein Braunschweiger Neonazi postete dagegen in einer Instagram-Story Solidaritätsgrüße, zugleich verbunden mit der Drohung aus einem alten Revolutionslied, die "hohen Herren" würden an Laternen hängen. Auf das Bild war der Fotograf David Janzen gestoßen, der in einem Braunschweiger "Bündnis gegen rechts" aktiv ist.

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