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Andrang auf Corona-Impfungen: "Wir Ärzte schaffen das nicht mehr"


Massenandrang auf Corona-Impfungen
"Das ist eine heftige Belastung für uns"


25.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Frau wartet in einem Impfzentrum auf ihren Termin: Der Geschäftsführer der Arbeiter-Samariter-Bund-Notfallhilfe ist besorgt, dass die Mitarbeiter schon bald an ihre Grenzen stoßen.Vergrößern des Bildes
Eine Frau wartet in einem Impfzentrum auf ihren Termin: Der Geschäftsführer der Arbeiter-Samariter-Bund-Notfallhilfe ist besorgt, dass die Mitarbeiter schon bald an ihre Grenzen stoßen. (Quelle: Vadim Ghirda/ap)

Kaum wurden viele Impfzentren geschlossen, stehen die Leute nun wieder in Massen für ihren Corona-Piks an. Stichwort: Boostern. Doch das erneute Akkord-Impfen hinterlässt schon jetzt seine Spuren.

In Deutschland steigt die Nachfrage nach Corona-Impfungen wieder enorm an. Dafür sind zum einen verschärfte Regeln, zum anderen die hohe Nachfrage nach Booster-Impfungen verantwortlich. Der Betrieb in vielen Impfzentren wurde zuletzt aber entweder heruntergefahren – oder sie wurden gar ganz geschlossen. Nun müssen sie, genau wie viele Ärzte, die Impfkampagne unter Hochdruck wieder beschleunigen.

Wie geht das – und was sind die Probleme? t-online hat mit mehreren Betroffenen gesprochen.

In einem Punkt sind sich alle einig: Sowohl Impfzentren als auch Arztpraxen sind aktuell nah an der Belastungsgrenze. "Wir haben ein volles Haus und lange Warteschlangen vor dem Impfzentrum", erzählt zum Beispiel Markus Nisch, Leiter des Impfzentrums Berlin-Tegel.

Auch im Corona-Impfzentrum im bayerischen Erlangen sind viele Leute impfwillig, sagt Robert Ziegenfelder, Geschäftsführer der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Notfallhilfe. "Es ist sehr schade, dass man die Impfzentren jetzt wieder hochfahren muss. Im September hatten wir genug Impfstoff, dafür aber keine Impflinge", so Ziegenfelder. Die Mitarbeiter hätten lieber durchgehend so viel geimpft wie jetzt.

"Das ist eine heftige Belastung"

Auch die Arztpraxen sind voll ausgelastet. "In meiner Praxis kommen drei Faktoren zusammen: die normale herbstliche Erkältungswelle, Patienten, die kurz vor Weihnachten noch ihre Tabletten brauchen, und die Corona-Impfsituation", sagt Stefan E. Breit, Notfall- und Hausarzt im bayerischen Hof.

"Das ist eine heftige Belastung für uns", so Breit weiter. Sein dreiköpfiges Ärzteteam könne dem Andrang nur schwer gerecht werden. Sie impfen schon bald auch am Samstag und Sonntag. Dabei fehle es vor allem an medizinischem Assistenzpersonal. "Wir brauchen Leute, die die Spritze aufziehen. Wir Ärzte schaffen das zeitlich einfach nicht mehr und deswegen rekrutieren wir jetzt alles, was geht."

In den Impfzentren gibt es hingegen genügend Helfer, doch Robert Ziegenfelder ist besorgt, dass das medizinische Personal und die Mitarbeiter in Erlangen schon bald an ihre Grenzen stoßen. "Die Motivation ist da, ich möchte aber nicht sagen, dass sie für eine fünfte, sechste oder siebte Welle dauerhaft so hoch ist."

Er verweist darauf, dass die Ärzte in den Impfzentren nebenbei noch ihre Praxis leiten und auch die Kinderärzte bald eine Doppelbelastung erleben könnten, wenn die Corona-Impfung für Kinder zugelassen wird. "Jeder geht gerade über die 100 Prozent hinaus und das geht nie lange gut."

Ankündigung von Jens Spahn hatte Konsequenzen

Aktuell gibt es bei allen drei Einrichtungen genügend Impfstoff. Doch die Ankündigung des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, das Vakzin von Biontech zu rationieren, hatte Konsequenzen. "Durch die hervorragende Informationsarbeit von Herrn Spahn fragen jetzt alle vermehrt Biontech nach", erzählt Praxisarzt Breit. Es gebe viel mehr Diskussionen – auch mit Leuten, die noch gar nicht mit dem Impfen dran sind.

"Die Patienten fragen: Warum Moderna? Die 'Resterampe' wollen wir nicht", berichtet der Arzt. Die Ankündigung Spahns sorgte bei vielen für Verunsicherung gegenüber Moderna – dabei ist die Datenlage eindeutig. Breit habe sich abgewöhnt, länger als ein oder zwei Wochen im Voraus zu planen, "weil irgendeine politische Äußerung wieder dazwischenkommt".

Markus Nisch vom Impfzentrum Berlin-Tegel erklärt sich die ungleich verteilte Nachfrage so: "Die große Mehrheit wollte schon immer Biontech haben, vielleicht weil das der deutsche Impfstoff ist und die Leute mehr darüber gelesen haben. Der Impfstoff hat auch mehr Medienpräsenz."

Politische Ankündigungen, wie die von Spahn, führen zu einer gewissen Unsicherheit, sagt der Leiter des Berliner Impfzentrums. "Teilweise hören wir das als Erstes durch die Presse. Dann wissen wir nicht, wie wir als Impfzentrum damit umgehen oder wie wir unsere Gäste ausreichend informieren sollen. Dieser Stil ist für unsere Arbeit nicht hilfreich."

"Blöde Kommentare werden wir immer kriegen"

Bundesweit häufen sich die Berichte über Gewalt und Aggressivität gegenüber Ärzten oder vor Impfzentren. Die drei Protagonisten dieser Geschichte haben das bislang nicht erlebt und berichten überwiegend von Menschen, die über die Chance zur Impfung auch nach stundenlangem Warten noch dankbar sind.

Auch in den Warteschlangen vor dem Impfzentrum in Tegel gab es noch keine Vorkommnisse. "Ich weiß aber auch, dass es in anderen Teilen der Stadt schon zu unangenehmen Situationen gekommen ist. Für Tegel kann ich das zukünftig leider auch nicht ausschließen", sagt Einrichtungsleiter Nisch. Allerdings seien seine Mitarbeiter darauf vorbereitet, in derartigen Situationen vorausschauend deeskalierend zu wirken.

Er bemerkt, dass sich die Stimmung im Gegensatz zu den vergangenen Monaten verändert hat. "Wir haben jetzt auch den einen oder anderen, der sich eigentlich nicht impfen lassen will, aber durch die Maßnahmen einen gewissen Impfzwang fühlt." Daher tauchten die Leute schon mit einer angespannteren Stimmung auf.

Auch sein Kollege Ziegenfelder aus Erlangen berichtet, dass er die Mehrheit der Besucher als sehr verständnisvoll erlebe. "Blöde Kommentare werden wir immer kriegen. Nach zwei Jahren Pandemie müssen sich die Bürgerinnen und Bürger auch mal Luft machen", so Ziegenfelder weiter.

Für die Zukunft wünschen sich alle drei eine offenere Kommunikation seitens der Politik. "Aufhören mit diesem Hü und Hott, endlich mal eine Linie reinkriegen", sagt Breit. "Spahn lässt diesen Spruch los, jetzt entschuldigt er sich. So was müsste definitiv nicht sein. Das ist das, was uns das Leben schwer macht."

Ziegenfelder hofft, dass künftig diejenigen, die an der Basis arbeiten, auch in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Es müsse mehr Austausch stattfinden. "Das Personal im Gesundheitssystem ist seit zwei Jahren an der Grenze. Jetzt sind wir in der vierten Welle und es war klar, dass sie kommt."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Markus Nisch am 23. November 2021
  • Gespräch mit Robert Ziegenfelder am 23. November 2021
  • Gespräch mit Stefan E. Breit am 23. November 2021
  • Eigene Recherche
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