t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

Bürgergeld vorerst gestoppt – Bundesrat lehnt ab: Wie geht es jetzt weiter? Überblick


Streit zwischen Ampel und Opposition
Bundesrat lehnt Bürgergeld ab – und jetzt?

Von dpa, afp, lw

Aktualisiert am 14.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Agentur für Arbeit (Archivbild): Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen.Vergrößern des BildesAgentur für Arbeit (Archivbild): Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen. (Quelle: RAINER UNKEL/imago-video)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Geht das Bürgergeld trotz Ablehnung im Bundesrat zum 1. Januar 2023 an den Start? Das hängt nun von einem speziellen Gremium ab.

Das Bürgergeld der Ampelkoalition ist vorerst gestoppt. In einer Sondersitzung des Bundesrats erhielt der Gesetzentwurf für die Sozialreform am Montag nicht die erforderliche Mehrheit. Damit kann das zum 1. Januar geplante Vorhaben zunächst nicht in Kraft treten.

Wie zuvor angekündigt, verweigerten mehrere Landesregierungen unter Führung beziehungsweise mit Beteiligung der Union dem Vorhaben ihre Zustimmung. Aber was bedeutet das für das Projekt der Bundesregierung?

Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was plant die Ampel mit dem Bürgergeld?

Mit dem neuen Bürgergeld soll das umstrittene System Hartz IV überwunden werden. Vorgesehen ist eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro auf 502 Euro für alleinstehende Leistungsempfänger. Das befürwortet auch die Union.

Arbeitslose sollen künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt werden, speziell im ersten halben Jahr ("Vertrauenszeit"). Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern will die Ampel lockern. Bei diesen Punkten hält die Union seit Wochen ihr Stoppschild hoch.

Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf am vergangenen Donnerstag mit der Mehrheit von SPD, Grüne und FDP verabschiedet. Einen Vorschlag der Union, die Erhöhung der Regelsätze aus dem Entwurf auszukoppeln und separat zum 1. Januar in Kraft treten zu lassen, lehnten die Ampelfraktionen ab.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Welche Kritik gibt es am Bürgergeld?

Scharfe Kritik kam vor allem aus Bayern, das in der Länderkammer dann mit Nein stimmte. "Das Gesetz ist und bleibt das falsche Signal zur falschen Zeit", sagte der Staatsminister für Bundesangelegenheiten, Florian Herrmann (CSU). Vom Grundsatz "Fördern und Fordern" der Hartz-IV-Reform, der richtig gewesen sei, bleibe nur wenig übrig.

Sanktionsmöglichkeiten gegenüber unkooperativen Leistungsbeziehern seien fast völlig ausgeschlossen, das Schonvermögen sei völlig überhöht angesetzt. "Damit sendet die Ampelkoalition das Signal: Arbeiten lohnt sich immer weniger." Das Gesetz sei "von Grund auf sozial unausgewogen".

Wie reagiert die Ampel auf die Kritik?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warb in der Sondersitzung nochmals vehement für das zentrale Reformprojekt der Ampelregierung. Kritik der Opposition etwa an der zulässigen Vermögenshöhe und der erlaubten Wohnungsgröße für Leistungsbezieher wies er zurück. Hier werde mit Zerrbildern von Riesen-Villen oder großen Vermögen gearbeitet. "Das ist nicht die Realität. Die meisten Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, die haben keine dicken Rücklagen mehr."

Es gebe genügend Gründe, schon im Bundesrat zuzustimmen, sagte Heil. "Für den Fall, dass heute im Bundesrat das Bürgergeld noch keine Mehrheit findet, wird die Bundesregierung noch am heutigen Tag den Vermittlungsausschuss anrufen." Für diesen Fall "ist meine Hand zur Lösung ausgestreckt".

Wie geht es nun weiter?

Erhält ein vom Parlament beschlossener Gesetzentwurf in der Länderkammer keine Zustimmung, kann im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nach einem Kompromiss gesucht werden. Erzielt der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss, was meistens der Fall ist, dann muss der Gesetzentwurf in seiner neuen Fassung nochmals vom Bundestag und anschließend auch vom Bundesrat beschlossen werden. Die Sitzungen des Ausschusses sind geheim, er fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit.

Wann wird der Vermittlungsausschuss eingeschaltet?

Ein Selbstbefassungsrecht hat der Ausschuss nicht: Er kann sich also nicht aus eigenem Antrieb mit Gesetzesvorhaben befassen. Er wird nur aktiv, wenn er dazu aufgerufen wird – vom Bundestag, vom Bundesrat oder, wie nun im Fall des Bürgergelds, von der Bundesregierung. Seit seiner Einrichtung 1949 ist es dem Vermittlungsausschuss gelungen, in den allermeisten Streitfällen einen Kompromiss vorzulegen und die Verabschiedung des strittigen Gesetzes letztlich zu ermöglichen.

Wie setzt sich der Vermittlungsausschuss zusammen?

Der Ausschuss besteht aus 32 Mitgliedern – je 16 von Bundestag und Bundesrat. Die Anzahl der vom Bundestag entsandten Abgeordneten pro Partei orientiert sich an deren Mandatszahlen im Bundestag. Derzeit haben Union und SPD je vier Sitze im Vermittlungsausschuss, die Grünen drei, die FDP und die AfD je zwei und die Linke einen.

Für die Bundesrats-Seite ernennt jedes Bundesland ein Ausschussmitglied – in der Regel ist es der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin persönlich. Derzeit stellt die SPD auf Länderseite acht Mitglieder, die Union sechs und Grüne sowie Linke je einen.

Wie häufig tritt der Vermittlungsausschuss zusammen?

In den vergangenen Jahren musste der Vermittlungsausschuss vergleichsweise selten zusammentreten. Das Verfahren zum Bürgergeld ist das erste seit der Bundestagswahl 2021. In den vorangegangenen acht Jahren der Großen Koalition (von 2013 bis 2021) gab es insgesamt nur zehn Vermittlungsverfahren. Zum Vergleich: Allein in der dreijährigen Wahlperiode von 2002 bis 2005 unter der rot-grünen Bundesregierung musste der Ausschuss 100 Vermittlungsverfahren erledigen.

Der Grund für die sinkende Zahl der Verfahren liegt vor allem darin, dass es in den vergangenen Jahren in Bund und Ländern immer mehr lagerübergreifende Koalitionen gab – etwa die Groko auf Bundesebene oder schwarz-grüne Bündnisse auf Landesebene. Diese Konstellationen führten dazu, dass Streitpunkte bei der Gesetzgebung oftmals ausgeräumt wurden, bevor der Vermittlungsausschuss benötigt wurde.

Wann ist beim Bürgergeld mit einem Ergebnis zu rechnen?

Der Vermittlungsausschuss steht unter großem Zeitdruck. Die Bundesregierung wünscht sich, dass er bis zur nächsten Bundesratssitzung am 25. November einen Kompromissvorschlag vorlegt. Wird diese Frist verfehlt, lässt sich das Bürgergeld nicht wie geplant zum 1. Januar einführen.

Der Ausschuss kann allerdings laut seiner Geschäftsordnung frühestens fünf Tage nach seiner Anrufung zusammentreten – also frühestens am Samstag dieser Woche.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website