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Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Wehrbeauftragte ignoriert Whistleblower


Rechtsextremismus in der Bundeswehr
Wehrbeauftragte ignoriert Whistleblower

  • Carsten Janz
Von Carsten Janz

30.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Eva Högl schaut auf ein eisernes KreuzVergrößern des Bildes
Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) schaut offenbar bei Rechtsextremismus nicht so genau hin.

Ein Soldat meldet zahlreiche Rechtsextreme in der Bundeswehr. Doch er selbst wird dafür abgestraft und seine Karriere beendet. Auch die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) lässt ihn im Stich.

Eigentlich wollte Patrick J. Elitesoldat werden. Doch als junger Unteroffizier stieß er auf Rechtsextreme in der Bundeswehr, meldete diese und musste feststellen: Für eine Karriere als Elitesoldat ist das nicht förderlich. Denn statt die von ihm gemeldeten Vorfälle zu ahnden, ging die Bundeswehr gegen Patrick J. vor.  t-online berichtete über seine Meldungen zu Rechtsextremen in der Bundeswehr und den Umgang damit. Sechs Jahre dauert der Kampf von Patrick J. inzwischen.

Nun hat er sich an die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) gewandt. Sie ist qua Amt "Anwältin der Soldatinnen und Soldaten", wie es auf ihrer Homepage steht, und parlamentarische Kontrollinstanz der Bundeswehr. Doch auch von ihr bekommt Patrick J. keine Hilfe. Denn sie erklärt sich für nicht zuständig – dabei wäre sie das laut Gesetz durchaus.

MAD geht nicht gegen Extremisten vor

Patrick J.s Kampf gegen Rechtsextreme in der Bundeswehr begann 2017, gut ein Jahr, nachdem Patrick J. bei der Bundeswehr angefangen hatte. Von Anfang an bekam er mit, dass einige Kameraden sich rechtsextrem äußerten. Nun entschied er sich, diese Fälle seinen Vorgesetzten zu melden. Er schrieb ein Dossier, das t-online vorliegt. Es enthält Screenshots von Instagram-Accounts, Chatnachrichten, die zahlreiche Verdachtsfälle belegen, aber auch Notizen über Äußerungen und Beobachtungen.

J. gilt als Nestbeschmutzer

Patrick J. gilt seitdem als Nestbeschmutzer. Und er wird selbst zum Täter gemacht: Kurze Zeit später beschuldigte ihn ein Stubenkamerad: Patrick J. habe seine höhere Stellung ausgenutzt und ihn strammstehen lassen.

"Missbrauch der Befehlsbefugnis" heißt so etwas bei der Bundeswehr. Patrick J. wurde so selbst zum Beschuldigten in einem Strafverfahren. "Eine Nebelkerze", nennt er das. Das Verfahren gegen den Whistleblower Patrick J. endete zunächst Ende 2018 mit einer Verurteilung. Doch bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gab es zahlreiche Fehler und Lücken. So wollten Zeugen zwar am folgenden Morgen vom "Strammstehen" gehört haben – später aber kam heraus, dass sie an dem Tag gar keinen Dienst hatten. Vor Gericht wurden aber nicht die Zeugen in Zweifel gezogen, sondern die angebliche Tat wurde kurzerhand auf einen anderen Tag verlegt, der dann zu den Dienstplänen passte. Und laut Patrick J. gibt es weitere Widersprüche.

J. selbst bestreitet den Vorwurf seines Kameraden bis heute. Inzwischen ist er nicht mehr bei der Bundeswehr. Sein Fall liegt nun beim Berliner Verwaltungsgericht. Er kämpft weiter für eine Bundeswehr, die auf dem Boden der Verfassung steht.

Und es geht ihm jetzt auch um seinen Ruf. Deshalb hatte er sich Mitte März an die Wehrbeauftragte des Bundes, Eva Högl (SPD), gewandt. In einer Mail, die t-online vorliegt, informiert er über die Geschehnisse, erhofft sich, dass die Wehrbeauftragte einschreitet, und bittet um die "Mitteilung eines Aktenzeichens". Also einen Beleg, dass sie sich kümmert. Außerdem schreibt er Högl, dass er auf "ein persönliches Gespräch" mit ihr hoffe.

Die Wehrbeauftragte Högl sieht keine eigene Zuständigkeit. Doch Högl lässt ihm in einer Standardantwort, die eine ihrer Mitarbeiterinnen verfasste, mitteilen, dass ein Einschreiten der Wehrbeauftragten "ausgeschlossen" sei. Nur Soldaten hätten ein sogenanntes "Eingaberecht". Soldat sei Patrick J. aber nicht mehr. Die Mitarbeiterin begründet das mit dem §7 des Gesetzes über die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, kurz "WBeauftrG".

Der Paragraf ist allerdings für diesen Fall vollkommen irrelevant. Denn darin heißt es lediglich: "Jeder Soldat hat das Recht, sich einzeln ohne Einhaltung des Dienstwegs unmittelbar an den Wehrbeauftragten zu wenden. Wegen der Tatsache der Anrufung des Wehrbeauftragten darf er nicht dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden." Es steht also nichts davon, dass ein "normaler Bürger" keine Eingabe machen darf, sondern nur, dass ein Soldat keine Nachteile erfahren darf, wenn er sich an die Wehrbeauftragte wendet.

Wehrbeauftragte kennt eigene Zuständigkeit nicht

Zudem ist es längst gängige Praxis, dass sich Privatpersonen an die Wehrbeauftragte wenden. In dem Tätigkeitsbericht, den Eva Högl jedes Jahr dem Bundestag vorlegen muss, sind solche Fälle sogar ausgewiesen: 299 solcher Meldungen gab es 2022. Das Gesetz schreibt eigentlich sogar vor, dass Högl solche Fälle prüfen muss. Denn in §1 Absatz 3 heißt es, dass eine Prüfung notwendig ist, wenn Soldaten sich melden, "oder auf andere Weise Umstände bekannt werden, die auf eine Verletzung der Grundrechte der Soldaten oder der Grundsätze der Inneren Führung schließen lassen".

Warum also wird Patrick J.s Eingabe nicht beantwortet? t-online hat dazu die Wehrbeauftragte Eva Högl angefragt: keine Antwort.

Nach der Berichterstattung über den Fall von Patrick J. hat die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) in der vergangenen Woche eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Sie wollte wissen, wie viele der von Patrick J. gemeldeten Fälle vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) mittlerweile überprüft wurden. Der Inlandsnachrichtendienst ist zuständig für die Ermittlung bei rechtsextremistischen Verdachtsfällen in der Bundeswehr. Der Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums antwortete, dass es rund 220 Personen seien, "die aufgrund einer Auswertung der Dokumente zur Überprüfung auf einen Verdachtsfall hin festgestellt wurden". Gravierende Konsequenzen gab es offenbar bei keinem, denn alle präsentieren sich in den sozialen Medien weiterhin als Soldaten – auch in offizieller Uniform.

"Das kann ich nur als Versagen bezeichnen"

Renner von der Linken kritisiert die Untätigkeit: "Aus den teils mehr als vier Jahre alten Hinweisen konnte der MAD zwar bis heute mehr als 200 Verdachtsfälle identifizieren, versagte aber, als es darum ging, diese zu überprüfen." Es wäre Sache der Behörde gewesen, festzustellen, ob Soldaten fälschlich verdächtigt wurden "und wie viele Rechtsextremisten bzw. sogenannte 'Reichsbürger' eine ernsthafte Gefahr" darstellten. Renner bezeichnet das "als Versagen“.

J. ist enttäuscht, dass so wenig passiert und auch Högl sich weigert, tätig zu werden. "Gerade, weil Eva Högl zur SPD gehört, sollte sie den Kampf gegen Rechtsextremismus mehr im Fokus haben", sagt er t-online. Das gehöre laut eigenem Bekunden schließlich "zur DNA der Partei". Patrick J. zweifelt daran jedoch inzwischen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Anfrage Eva Högl (SPD)
  • Wehrbeauftragtengesetz
  • Kleine Anfrage von Martina Renner (Die Linke)
  • Anfrage Martina Renner
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