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Kretschmer, Stegner, Weidel und Co.: Sie sind Putins Fünfte Kolonne


Friedenssicherung in der Ukraine
Putins fünfte Kolonne

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 26.08.2025Lesedauer: 5 Min.
SPD-Politiker Ralf Stegner (l.), AfD-Chefin Alice Weidel und CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer: Sie eint ein großes Verständnis für Kreml-Chef Wladimir Putin.Vergrößern des Bildes
SPD-Politiker Ralf Stegner (l.), AfD-Chefin Alice Weidel und CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer: Sie eint ein großes Verständnis für Kreml-Chef Wladimir Putin. (Quelle: IMAGO/Sylvio Dittrich, dpa/Kay Nietfeld/dpa)
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Niemand weiß, wie ein Frieden in der Ukraine aussehen könnte. Aber die Rechten, die Linken und einige andere wissen schon, was Deutschland dazu beitragen kann: gar nichts.

Den Gipfel der Heuchelei hat Michael Kretschmer erklommen, Ministerpräsident in Sachsen, CDU. Der Bundeskanzler und seine europäischen Kollegen waren gerade aus Washington zurückgekehrt, sie hatten Wolodymyr Selenskyj Geleitschutz im Weißen Haus gewährt. Donald Trump erklärte, die Ukraine werde Sicherheitsgarantien bekommen, ähnlich denen unter Nato-Partnern. Die Regierungschefs wirkten erleichtert. Daraufhin sagte Michael Kretschmer: "Deutschland kann die Sicherheit der Ukraine nicht gewährleisten."

Dieser Satz ist infam. Natürlich stimmt er, wörtlich genommen: Deutschland allein kann die Ukraine nicht vor Russland schützen. Aber das hat niemand, wirklich niemand, gefordert, gesagt oder auch nur gedacht. Unter den Europäern und in der Diskussion mit Trump ging es ausschließlich um gemeinsames Handeln. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Finnland, die baltischen Staaten können, mit mehr oder weniger Beteiligung der Amerikaner, gemeinsam die Sicherheit der Ukraine garantieren. Darum geht es. Kretschmer weiß das. Bewusst verengt er den Blick auf die nationale Perspektive: Was geht uns die Ukraine an?

Video | Russland-Frage macht Kretschmer sprachlos
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Quelle: t-online

In der CDU repräsentiert Kretschmer eine kleine Minderheit, vor allem im Osten. In der SPD repräsentiert Ralf Stegner eine große Minderheit, im Osten wie im Westen. Stegner reduzierte den Begriff der Sicherheitsgarantie umgehend auf Bodentruppen, die auf dem Territorium der Ukraine gegen Russland in Stellung gebracht werden sollten. Deutsche Truppen. Die lehnt er ab: "Angesichts des Zweiten Weltkriegs und des deutschen Vernichtungskrieges sind Fantasien über deutsche Bodentruppen nicht angezeigt."

Ralf Stegners Logik

Historisches Bewusstsein kann in aktuellen politischen Debatten nie schaden. Deshalb verdient Stegners Argument Beachtung. Also: Die Ukraine war einer der schrecklichsten Schauplätze des Zweiten Weltkriegs. Hitlers "Generalplan Ost" sah vor, in der damaligen Sowjetrepublik 20 Millionen Deutsche anzusiedeln, das Land sollte als Kornkammer dienen, Rohstoffe und Arbeitssklaven liefern. Acht Millionen Ukrainer verloren im Krieg ihr Leben, davon fünf Millionen Zivilisten, darunter 1,6 Millionen ukrainische Juden.

Wenn nun, mehr als 80 Jahre später, dieses Land, das unter dem Größenwahn unserer Vorfahren gelitten hat wie kaum ein anderes, Deutschland um Hilfe gegen einen Aggressor bittet, dann antwortet der Sozialdemokrat Stegner: Nein, wir nicht. Das verbietet sich, wegen damals. Erkennen Sie darin irgendeine Logik?

Den Stegners und den Kretschmers ist die Ukraine komplett egal. Ihnen geht es nur um Russland. Ein Interessengebiet Moskaus, da hat der Westen nichts zu suchen. Stegner trifft in Baku Genossen aus alten Zeiten, ganz privat, man hält Gesprächskanäle offen, im Dienste der Verständigung. Kretschmer lehnt die Sanktionen gegen Russland rundweg ab. Billiges Öl und Gas sind wichtiger als das Schicksal der Ukraine. Wichtiger als das Völkerrecht.

Für Weidel gilt: keine Waffen, keine Garantien

Alice Weidel sieht das genauso. Die AfD-Chefin fordert, Deutschland müsse den Ausgleich mit Russland suchen. "Die Profilierungssucht des Außenkanzlers macht uns zur potenziellen Zielscheibe, während sich die USA zurückziehen", schreibt sie. Nur zur Erinnerung: Im Bundestagswahlkampf hatte sie gesagt, die Waffenlieferungen an Kiew machten uns zur Zielscheibe Putins. Jetzt sind es die Verhandlungen. Den US-Präsidenten hat sie damals überschwänglich gelobt. Um Frieden in der Ukraine zu schaffen, sei Donald Trump genau der Richtige. Heute gilt: keine Waffen, keine Garantien, gar nichts. Weidel und die AfD wollen die Kapitulation der Ukraine.

Auch Jan van Aken, Vorsitzender der Linken, fürchtet, dass es zum "großen Krieg" kommt, wenn sich der Westen nach einem Waffenstillstand in der Ukraine engagiert. Ja, er hält Sicherheitsgarantien für möglich, aber da müsse man über andere Optionen nachdenken. Chinesische Blauhelmsoldaten vielleicht, denn: Auf die Chinesen schießen die Russen nicht. Ein intellektuell schlichter Gedanke, fernab jeglicher Realität.

Seit dem Februar 2022 fordern die selbst ernannten Friedenspolitiker aller Parteien, China müsse Druck auf Putin ausüben, den Krieg zu beenden. China übt aber keinen Druck aus. Andere Länder sollten vermitteln: Indien, Brasilien, Südafrika. Und Erdoğan, der Papst. Dreieinhalb Jahre später kennen wir das Ergebnis: Fehlanzeige.

Sie reden Europas Regierungschefs schlecht

Spott und Häme galt den europäischen Regierungschefs: Die säßen nur am Katzentisch, Trump und Putin machten den Deal sowieso über ihre Köpfe hinweg. Als in Berlin der Zauderkünstler Olaf Scholz regierte, stimmte das. Jetzt ist es Merz, Macron und Starmer gelungen, Europa wieder Gehör zu verschaffen. Kretschmer behauptet unverdrossen, die Europäer seien nun mal schwach, das sei nicht zu ändern. Alice Weidel stimmt zu.

Sahra Wagenknecht habe ich noch gar nicht zitiert. Aber bitte, nehmen Sie irgendeinen Satz von Kretschmer, Stegner, Weidel, van Aken, einmal copy & paste, das passt schon.

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Aus dem spanischen Bürgerkrieg der Dreißigerjahre stammt das Bild der Fünften Kolonne: Die Putschisten verkündeten damals, vier militärische Kolonnen würden gegen die Republik in Madrid vorrücken. Eingeleitet werde die Offensive jedoch von der Fünften Kolonne, ihren Anhängern in der Hauptstadt, die mit dem nationalistischen Aufstand sympathisierten.

Auf die Rechtsextremen und die Linksextremen und ihre Verbündeten in der Mitte passt das Bild der Fünften Kolonne Moskaus. Sie sympathisieren mit dem Aggressor. Gelegentlich verurteilen sie Putins Imperialismus, dann gehen sie gleich wieder zur Tagesordnung über. Sie setzen auf Kollaboration mit Russland, einige von ihnen träumen eurasische Träume.

Jeder und jede einzelne von ihnen hat immer wieder Verhandlungen mit Putin gefordert, nur die Diplomatie könne den Krieg beenden. Was immer man von Donald Trump hält, von seiner Sprunghaftigkeit, seinem Narzissmus, seinem Sprechdurchfall: Er meint es ernst mit dem Frieden. Der Mummenschanz, den er in Alaska auffahren ließ, sollte Putin Respekt erweisen. Trump wirbt um Putin. Aber Putin lässt ihn auflaufen.

Sie versprechen Frieden, sie fordern Unterwerfung.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow trat in Alaska mit einem UdSSR-T-Shirt auf. Man tat das als ironische Geste ab. Aber Lawrow signalisierte sehr bewusst, was Moskau will: die Wiederherstellung der alten Sowjetunion, deren Zerfall Putin als nationale Schande begreift. Im Dezember 1991 hat Russland, damals unter Boris Jelzin, die Ukraine als Staat anerkannt, Krim und Donbass inklusive. 1994 hat Kiew sich verpflichtet, seine Atomwaffen an Russland abzugeben. Im Gegenzug bekam die Ukraine Sicherheitsgarantien, Achtung, von den USA – und von Russland. So viel zur Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit Putins.

Video | Lawrow provoziert mit T-Shirt vor Gipfel
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Quelle: t-online

Noch ein Argument, das Kretschmer, Stegner und die Populisten regelmäßig formulieren: Die Waffenlieferungen an die Ukraine hätten das Sterben schon bisher nur verlängert, dieser Krieg könne auf dem Schlachtfeld nicht beendet, geschweige denn gewonnen werden. Richtig daran ist: Auf der Krim und in der Ostukraine sind mehr als 600.000 russische Soldaten stationiert; die Ukraine hat keine Aussicht, dieses Territorium zurückzuerobern.

Richtig ist aber auch: Seit Februar 2022 sind russische Truppen gerade einmal hundert Kilometer in die Ukraine vorgerückt, unter extrem hohen Verlusten, mittels einer Kriegsführung, die aus militärischer Sicht dilettantisch ist. 80 Prozent ihres eigenen Territoriums hat die Ukraine erfolgreich verteidigt. Kiew ist nicht unter russischer Kontrolle, Odessa nicht, Charkiw nicht.

Die Fünfte Kolonne der Putin-Erklärer will von all dem nichts wissen. Ihre geopolitische Naivität, ihre Geschichtsklitterung, ihr heimeliger Rückzug ins Nationale: Sie versprechen Frieden, sie fordern Unterwerfung. Die Freiheit kommt bei ihnen gar nicht vor. Weder die der Ukraine noch die Europas. Sie wollen ihre Ruhe. Und sei es eine Friedhofsruhe.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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