Drohnenabwehr in Deutschland "Sieht nach dem Plan einer professionellen Gruppe aus"

Vergangene Woche störten Drohnen mehrfach den Flugverkehr in Dänemark. Wie würde Deutschland in einem vergleichbaren Fall reagieren?
Die Verunsicherung in Dänemark und den verbündeten Staaten der Nato ist in dieser Woche noch größer geworden. Dänische Behörden hatten zuletzt in mehreren Nächten Drohnen in der Nähe von Flughäfen und Militärstützpunkten gesichtet: Am vergangenen Montagabend musste der Flughafen von Kopenhagen für mehrere Stunden schließen. Zwei Tage später sah sich das Land mit einer multiplen Drohnenlage konfrontiert. Nahe den Flughäfen Aalborg, Esbjerg und Sønderborg tauchten erneut Drohnen auf, ebenso über dem Militärflugplatz Skrydstrup.
Die dänische Regierung spricht von einem "hybriden Angriff". Am Freitag verhandeln neun EU-Staaten über die Errichtung eines sogenannten "Drohnenwalls", der Europa gegen Verletzungen des Luftraums durch die unbemannten Flugobjekte schützen soll.
Illegale Drohnenflüge häufen sich in Deutschland
Deutschland ist in der Runde nicht dabei – obwohl es auch hierzulande viele Fälle von illegalen Drohnenflügen in der Nähe von Flughäfen gibt, die Teil der kritischen Infrastruktur sind. Nicht alle dieser Drohnenflüge müssen automatisch bedeuten, dass es einen Sabotageversuch gab. Trotzdem steht die wichtige Frage im Raum, wie Deutschland auf eine gezielte Störung von Drohnen reagieren könnte und würde.
- Verdacht auf Spionage: Drohnen fliegen über Norddeutschland
- Schutz für Europa: "Drohnenwall" soll Russland auf Abstand halten
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) erklärte am Freitag, bislang habe sie im Jahr 2025 144 illegale Drohnenflüge in der Nähe von Flughäfen registriert. Im Vorjahreszeitraum waren es 113 Fälle, 2023 nur 99 illegale Drohnenflüge. Mit 35 Fällen ist der Frankfurter Airport demnach am häufigsten betroffen.
Sollte es in Deutschland zu ähnlichen Fällen wie in Dänemark kommen, haben die Behörden grundsätzlich einige Möglichkeiten, um sich gegen Drohnen zu wehren. Allerdings wird es dazu wohl trotzdem nicht kommen, da für solche Situationen aktuell der geeignete Rechtsrahmen fehlt.
Rechtliche Hindernisse bei der Drohnenabwehr
Auch die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag eigene Ziele in der Drohnenabwehr gesetzt: "Der Bund schafft die rechtlichen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für eine wirksame Drohnendetektion und -abwehr auch durch die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern", heißt es dort.
Doch das ist nicht so einfach, sagt Gerd Scholl von der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Er forscht seit Jahren zu Möglichkeiten der Drohnenabwehr in Deutschland. "Da gilt es einige juristische Hürden zu überwinden, sagt Scholl t-online.
So dürfe die Bundespolizei zum Beispiel Abfangdrohnen nutzen, um Bedrohungen über Flughäfen mithilfe von Netzen abzuschießen und so zu neutralisieren. Das gelte laut aktueller Rechtslage allerdings nur für nicht autorisierte Drohnen innerhalb des Flughafenzauns. Verlassen diese allerdings den Luftraum über dem Airport, ist nicht klar geregelt, ob die Drohne der Bundespolizei ihr folgen darf, weil einerseits die Zuständigkeit dann auf die Landespolizeibehörde übergeht und sich andererseits das Gefährdungspotenzial außerhalb des Flughafengeländes ändert.
Neuwahl verzögert Anpassung der Gesetze
Ursprünglich wollte schon die Ampelkoalition neue Möglichkeiten in der Drohnenabwehr schaffen. Wegen ihres vorzeitigen Endes schaffte es die Ampelregierung in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr, das Bundespolizeigesetz so anzupassen, dass die Behörde Drohnen in der Nähe von kritischer Infrastruktur mit technischen Mitteln stoppen kann.
Auch die Mitte Januar auf den Weg gebrachte Änderung des Luftsicherheitsgesetzes, um den Streitkräften im Zuge der Amtshilfe für die Polizeibehörden der Länder auch "Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge" zu erlauben, konnte nicht mehr umgesetzt werden.
Polizeigewerkschafter: Kompetenzgerangel ist vorprogrammiert
So sind die Kompetenzen zur Drohnenabwehr derzeit nicht genau abgeklärt. Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, bemängelt im Gespräch mit dem "Handelsblatt", dass es "nach wie vor an einer klaren behördlichen Zuständigkeit für den Einsatz und die Abwehr von Drohnen" fehle.
Die Reform des Bundespolizeigesetzes, durch die die Behörde entsprechende Rechte bekommen soll, liegt derzeit im Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt. "Da sich auch hier einige Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Betreibern überschneiden, ist ein Kompetenzgerangel vorprogrammiert", sagte Teggatz dem "Handelsblatt".
Eine weitere Gefahr bei der Drohnenabwehr besteht in der Lage vieler Flughäfen, erklärt Gerd Scholl. "Am Flughafen bewegen wir uns im urbanen Umfeld", so der Experte. "Die naheliegendste Lösung, also eine Drohne durch Beschuss zu neutralisieren, ist dort keine gute Idee: Es ist schwer, die Drohne überhaupt zu treffen." Außerdem komme alles, was aus dem Himmel geschossen wird, auch auf den Boden – so steigt das Risiko möglicher Kollateralschäden.
Abschuss von Drohnen ist grundsätzlich möglich
Grundsätzlich sei ein Abschuss von Drohnen allerdings rechtlich möglich, wie die Expertin Verena Jackson von der Universität der Bundeswehr in München im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur betont. Jedoch müsse dies verhältnismäßig sein und berge zudem erhebliche Gefahren – etwa durch herabfallende Trümmerteile oder explosive Ladung und werde deshalb bisher kaum in Betracht gezogen.
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Franke, die sich unter anderem mit der deutschen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik befasst, kritisierte im "Spiegel"-Interview, dass es zwar vereinzelt auch bei der Polizei Systeme zur Abwehr gebe, aber nicht ausreichend. "Selbst an kritischer Infrastruktur wie großen Flughäfen gibt es keine oder zu wenige Abwehrmaßnahmen", sagte Franke.
Genau diese Fragen sind es, die Scholl zu dem Schluss bringen, dass Deutschland in einem mit Dänemark vergleichbaren Szenario vermutlich ähnlich reagieren würde wie das Nachbarland. "Nach außen sichtbar ist natürlich nicht viel passiert, im Hintergrund – vermute ich – schon sehr viel. Aber das liegt auch daran, dass man es mit einer neuen Qualität an Bedrohungen zu tun hat", erklärt Scholl. Die bisher bekannten Bilder der Drohnenüberflüge sehen "schon eher nach einem durchdachten Plan einer professionell organisierten Gruppe bzw. Organisation aus", fügt der Experte hinzu.
- Videogespräch mit Dr. Gerd Scholl
- de.euronews.com: "Sicherheits-Alarm: Schon 144 Drohnen über Deutschlands Flughäfen"
- mdr.de: "Luftfahrtindustrie kritisiert unklare Zuständigkeiten bei Drohnenabwehr"
- handelsblatt.de: "Innenministerium sieht verschärfte Bedrohungslage durch Drohnen"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa



