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CDU-Oberbürgermeister von Hagen: So hat er gegen die AfD gewonnen


Frisch gewählter Oberbürgermeister
"Das regt die Leute auf"

  • Johannes Bebermeier
InterviewEin Interview von Johannes Bebermeier

29.09.2025Lesedauer: 5 Min.
Dennis Rehbein (CDU): Er hat sich gegen seinen AfD-Konkurrenten durchgesetzt.Vergrößern des Bildes
Dennis Rehbein (CDU): Er hat sich gegen seinen AfD-Konkurrenten durchgesetzt. (Quelle: FUNKE Foto Services/Andreas Buck/imago)
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Wie gewinnt man gegen die AfD? Besonders, wenn die Bedingungen schwierig sind? Der frisch gewählte CDU-Oberbürgermeister von Hagen muss es wissen. Ein Gespräch.

Was kann Friedrich Merz von den Bürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen lernen? Auch darum wird es an diesem Montag in Düsseldorf gehen, neben den obligatorischen Glückwünschen für die Sieger. Der Bundeskanzler nimmt nach den Stichwahlen an einer Sitzung des CDU-Landesvorstands teil.

Dort wird er auch auf Dennis Rehbein treffen. Rehbein, 36 Jahre alt, hat sich am Sonntag in Hagen gegen seinen Konkurrenten von der AfD durchgesetzt und ist jetzt neuer Oberbürgermeister der Stadt am Rande des Ruhrgebiets. Wie hat er das gemacht? Und was kann die Bundes- und Landespolitik davon lernen? Das erklärt Dennis Rehbein im Gespräch.

t-online: Herr Rehbein, wie gewinnt man in Hagen eine Bürgermeisterwahl gegen die AfD?

Dennis Rehbein: Indem man akribisch im Team arbeitet. Wir haben unsere Themen gesetzt und dann ganz viele Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern geführt: an Wahlkampfständen, auf Märkten, auf Social Media und indem wir unzählige Meter von Tür zu Tür gegangen sind.

Welche Themen waren das?

In Hagen haben wir viele tolle Dinge, über die wir auch immer wieder sprechen müssen: der Spitzen- und Leistungssport zum Beispiel. Aber natürlich gibt es auch viele Probleme, die wir angesprochen haben.

Welche?

Die Infrastruktur ist vielerorts marode, das regt die Menschen auf. Das beginnt bei den Brücken, die Ebene II hier ist gesperrt. Aber auch das Cuno-Berufskolleg, eine große Berufsschule, die wegen Brandschutzmängeln gerade nicht genutzt werden kann. Da haben 3.500 Schüler jetzt keinen Platz, was auch den Unternehmen schadet. Das treibt die Menschen hier sehr um. Es sind die Themen, die Menschen im Alltag betreffen. Da haben wir im Wahlkampf den Finger in die Wunde gelegt. Und jetzt müssen wir die Antworten liefern.

Sind das auch die Themen, von denen die AfD in Hagen profitiert hat?

Zum Teil schon. Die Unzufriedenheit der Menschen ist hier hoch. Hinzu kommt ein Thema, das jetzt ja auch überregional bekannt geworden ist: der Sozialmissbrauch. Das regt die Leute auf. Sie sagen mir: Wir haben 40 Jahre gearbeitet und kriegen nur eine kleine Rente, und die kriegen das Geld hinterhergeworfen. Ich habe die Sorge, dass dadurch der Zusammenhalt in unserer Stadt stark bröckelt.

Beim Sozialmissbrauch geht es um Fälle von EU-Ausländern, etwa aus Rumänien und Bulgarien, die zum Teil bandenmäßig organisiert Minijobs anmelden, um dann Sozialleistung zum Aufstocken abzugreifen. Woran scheitert es in der Praxis, das zu unterbinden?

Da gibt es Probleme auf mehreren Ebenen. Zum einen müssen die Kommunen schauen, dass sie selbst die Hausaufgaben machen. Da bin ich ein großer Freund von. Heißt: Wir müssen stärker und häufiger kontrollieren, auch ämterübergreifend. Aber damit ist es eben nicht getan.

Was braucht es sonst noch?

Die Menschen kommen ja unter dem Deckmantel der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit zu uns. Die ist ein hohes Gut, das ich niemals infrage stellen möchte. Aber die Frage ist, wie wir einen Arbeitnehmer definieren. Wenige Hundert Euro aus einem Minijob dürfen nicht mehr ausreichen, um als Arbeitnehmer zu gelten und dann bei uns Sozialleistung aufstocken zu können. Da muss sich dringend was ändern. Die Bundesregierung muss sich für eine neue Definition in der EU einsetzen. Aber es gibt noch einen anderen Ansatzpunkt.

Welchen?

Hier in Hagen, aber auch in anderen Ruhrgebietsstädten, gibt es ein paar Schrottimmobilien. Da will eigentlich wirklich niemand drin wohnen. Diese Häuser werden billig vermietet, unter anderem an diese Menschen, die zum Teil selbst von Banden für diesen Betrug ausgenutzt werden. Wir müssen diese Immobilien abreißen. Das ist ein wichtiger Schlüssel.

Das ist aber wahrscheinlich nicht einfach, weil sie nicht den Kommunen gehören?

Genau. Die gehören privaten Eigentümern. Heißt: Wir müssen den rechtlichen Rahmen ausschöpfen, den es gibt. Also mehr Kontrollen auf Mängel an den Gebäuden, Brandschutz und Hygiene. So können wir den Druck auf die Eigentümer erhöhen, die Mängel zu beseitigen. Und wenn sie das nicht können oder wollen, könnten die Städte die Immobilien kaufen. Neben der Bereitschaft der Eigentümer braucht es dafür aber natürlich Geld. Und das ist das zweite Problem: Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist sehr schlecht. Wir haben in Hagen einen Schuldenberg von fast einer Milliarde Euro. Da brauchen wir Unterstützung der Landesregierung. Wir brauchen ein Sonderprogramm, sonst wird uns das nicht gelingen.

Sie meinen eine Initiative, um die Altschulden der Kommunen zu übernehmen?

Da übernimmt die Landesregierung jetzt schon insgesamt 452 Millionen Euro Schulden.

Aber reicht das?

Das ist ein wichtiger Schritt, der uns Luft zum Atmen gibt. Aber unser strukturelles Defizit im Haushalt ist größer. Damit können wir die Probleme nicht angehen. Wir brauchen einerseits Unterstützung vom Bund: Der Bund muss auch einen Teil der Altschulden übernehmen. Und wir brauchen generell eine andere kommunale Finanzierung durch Bund und Land. Das Motto muss lauten: Wer bestellt, der muss auch bezahlen.

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28 Prozent der Hagener haben in der Stichwahl nicht für Sie, sondern für den AfD-Kandidaten gestimmt. Bekommen Sie die in den nächsten Jahren überzeugt, wenn Sie das Problem mit dem Sozialmissbrauch lösen?

So einfach ist es leider nicht. Die AfD hat hier in fast allen Stadtteilen Zuspruch gehabt. Und nicht überall gibt es die gleichen Probleme. Es gibt Stadtteile, wo früher die SPD stark war, da wird nun auf einmal stark AfD gewählt. Es gibt aber auch Stadtteile, wo wir traditionell stark sind, und dort ist jetzt auch ein großer Anteil an die AfD gegangen. Es ist die Unzufriedenheit der Menschen, die sie zur AfD führt. Sie haben das Gefühl, dass es in Hagen bergab geht, und fühlen sich nicht gehört. Da hat dann jeder sein Thema, mit dem er diesen Eindruck begründet: Sozialmissbrauch, Infrastruktur, aber auch die Sicherheit natürlich.

Welche Hilfe wünschen Sie sich da von der Landes- und Bundespolitik – abgesehen von mehr Geld?

Wir müssen die alltäglichen Sorgen der Menschen ernst nehmen und Lösungen anbieten. Die Menschen müssen das spüren. Bundespolitik spüren die Leute zum Beispiel, wenn sie mehr Geld im Portemonnaie haben. Und die guten Dinge müssen wir dann auch gut kommunizieren. Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten viele wichtige Initiativen auf den Weg gebracht. Trotzdem kommt die Koalition bei den Bürgern nicht an, das zeigen die Umfragewerte ja deutlich.

Liegt das nur an der Kommunikation? Oder mit welchen bundespolitischen Themen sind Sie am Wahlkampfstand konfrontiert worden?

Das sind mehrere. Der Sozialmissbrauch ist natürlich eines davon gewesen. Migration war auch immer wieder Thema. Aber wir wurden auch genauso auf das Thema Entlastung bei der Stromsteuer angesprochen. Da haben die Leute gesagt: Mensch, das ist aber ärgerlich, dass das jetzt doch nicht kommt für Privatpersonen. Hier in Hagen haben wir außerdem eine relativ hohe Arbeitslosigkeit. Wir sind ein Standort mit viel produzierendem Gewerbe, die Unternehmen sind häufig sehr abhängig von den Energiepreisen. Und die sind immer noch vergleichsweise hoch. Für all diese Dinge braucht es Lösungen, damit die Leute wieder Vertrauen in die Politik gewinnen.

Herr Rehbein, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Dennis Rehbein (CDU) am Montag, 29. September 2025
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