Dobrindts Pläne Jetzt soll es schnell gehen

Die Bundespolizei bekommt nach über 30 Jahren eine neue Gesetzesgrundlage. Vor allem im Bereich der Drohnenabwehr gibt es neue Regelungen – aber auch Unklarheiten.
Über 30 Jahre alt ist die aktuelle Fassung des Bundespolizeigesetzes. Als dieses 1994 verabschiedet wurde, hieß die Behörde noch Bundesgrenzschutz, nur ein Bruchteil der Menschen hatte Internetzugang, und auch Handys gab es kaum – die SMS wurde erst in dem Jahr eingeführt. Drohnen waren damals den wenigsten Menschen ein Begriff.
Dennoch bildet das Gesetz von damals bis heute die Grundlage für die Arbeit der Bundespolizei. Über Jahre arbeitete die Behörde ohne spezifische Befugnisse für das Internet oder Mobiltelefone. Das soll sich nun ändern: Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die Bundespolizei in die Gegenwart bringen soll.
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Nach den diversen Drohnenüberflügen der vergangenen Wochen liegt ein besonderer Fokus auf deren Abwehr. Diese kamen in der alten Fassung noch gar nicht vor. Nun wird eine Grundlage geschaffen, gleichzeitig werden auch die Länder aktiv. Doch ob sich die Kompetenzen so einfach auf mehrere Behörden bei der Drohnenabwehr verteilen lassen, ist unklar.
Erstmals geht es um Drohnen
Der Polizeirechtler Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster sieht in dem Gesetz einen großen Fortschritt. "Der neue Entwurf ist deutlich moderner, es handelt sich um ein zeitgemäßes Bundespolizeigesetz", betont er im Gespräch mit t-online. Seit den 1990er-Jahren habe sich nicht nur technisch viel getan, es mussten auch zahlreiche verfassungs- und europarechtliche Vorgaben in das Gesetz eingearbeitet werden, die in der Zwischenzeit hinzugekommen sind.

Zur Person
Prof. Dr. Dr. Markus Thiel ist Universitätsprofessor und Fachgebietsleiter für öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Polizeirecht an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Dabei veröffentlichte er mehrere Werke zu den rechtlichen Grundlagen der Polizei.
Der Paragraf, in dem es um die Abwehr von Drohnen geht, ist derweil gänzlich neu. Mit der Neufassung des Gesetzes reagiere die Regierung "auf die neue Art der Bedrohung durch Drohnen, wie wir sie jetzt vermehrt sehen können", erklärte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) nach der Kabinettssitzung, in der die Pläne beschlossen wurden. Damit solle "insbesondere die Abwehr von Drohnen mit geeigneten technischen Mitteln" rechtlich klarer definiert werden.
Laut dem Entwurf "kann die Bundespolizei geeignete technische Mittel" gegen Drohnen einsetzen, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen. Konkret heißt das: "Das Abfangen der Drohnen und der Abschuss der Drohnen ist zukünftig durch die Bundespolizei geregelt und möglich", wie Dobrindt klarstellte.
Bayern als Vorbild?
Bereits im Vorfeld hatte der Innenminister angekündigt, dass die Bundespolizei eine eigene Einheit für die Drohnenabwehr gründet. Dazu sollen neue Drohnen für jährlich 90 Millionen Euro angeschafft werden, 341 neue Mitarbeiter sollen sich um Bedienung und Beschaffung kümmern. Ein Drohnenabwehrzentrum soll laut Bundesinnenministerium zudem die Kompetenzen von Bund, Ländern und der Bundeswehr bündeln, und es soll noch in diesem Jahr entstehen.
Dabei bahnt sich allerdings ein Problem bei den Zuständigkeiten an. Die Abgrenzung zwischen Bundes- und Landespolizei sei "knifflig", erklärt Rechtsexperte Thiel. Schließlich ist die Bundespolizei lediglich für Flughäfen, Bahnhöfe und die Grenzen zuständig. Alle anderen Bereiche unterstehen der Landespolizei. Eine sich bewegende Drohne kann also nicht immer klar zugeordnet werden.
Dennoch gebe es in den meisten Fällen "ausreichend klare Regelungen", sodass eine unterstützende Zusammenarbeit unter Führung der primär zuständigen Behörde machbar sei. Ähnlich sieht es auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei, betont bei t-online, dass er zufrieden mit den Regelungen zwischen Bundes- und Landesbehörden sei.
Dort, wo die Bundespolizei sich gesetzlich nicht um die Drohnenabwehr kümmern kann, sind Polizisten der jeweiligen Länder gefordert. Erste Länder arbeiten bereits an entsprechenden Gesetzen. Das vom bayerischen Landeskabinett am Dienstag auf den Weg gebrachte Gesetz zum Schutz vor Drohnenüberflügen nannte Roßkopf ausdrücklich als Vorbild. Nun sollen andere Länder nachziehen. In Nordrhein-Westfalen wurde am Mittwoch im Landtag über den Drohnenschutz diskutiert, Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigte an, nachrüsten zu wollen.
Bundespolizei und Bundeswehr: Wer ist zuständig?
Schwieriger wird die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundespolizei und Bundeswehr. Rechtsexperte Thiel stellt klar: "Drohnenabwehr ist in den meisten Fällen eine Aufgabe der Polizei." Zudem gebe es eine klare Regelung, wann die Bundeswehr im Inland eingesetzt werden könne. "Will man das ausweiten, müsste man die Verfassung ändern."
Das schätzt Innenminister Dobrindt offenbar anders ein. Er glaubt nicht, dass er eine Zweidrittelmehrheit braucht. Er will das Luftsicherheitsgesetz ändern, um der Bundeswehr die Zuständigkeit für einen möglichen Abschuss größerer militärischer Drohnen zu übertragen. Ein entsprechender Entwurf soll noch in diesem Jahr das Kabinett passieren.
Polizeigewerkschaftler Roßkopf zeigt sich "zwiegespalten". Die Bundeswehr könne zwar bei Notlagen und größeren Gefahren unterstützen, allerdings sei das Militär darauf ausgerichtet, Drohnen abzuschießen. Diese Maßnahme ist für die Bundespolizei jedoch laut Roßkopf nur "das letzte Mittel". Vielmehr gehe es darum, fremde Drohnen kontrolliert zu Boden zu bringen. Ansonsten sei der mögliche Kollateralschaden durch herunterfallende Trümmerteile zu groß.
Zahlreiche neue Befugnisse für die Bundespolizei
Insgesamt zeigt sich die Gewerkschaft aber hochzufrieden mit dem neuen Gesetz. Denn die Bundespolizei erhält zahlreiche weitere neue Befugnisse. Sie darf künftig Telefone abhören sowie Standort- und andere Nutzerdaten erheben und die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung anwenden. Dabei kann Kommunikation abgefangen werden, bevor oder nachdem sie verschlüsselt wurde. Zudem sollen Fluglinien die Daten ihrer Passagiere von Flügen außerhalb des Schengen-Raums nach Deutschland automatisch an die Bundespolizei übermitteln. Diese kann außerdem nun bis zu dreimonatige "Aufenthaltsverbote" für bestimmte Orte aussprechen.
Kritik an den Gesetzesplänen kam von der Linken: "Überwachung von Telekommunikation, Zugriff auf Fluggastdaten, Aufenthaltsverbote – der Gesetzentwurf liest sich wie eine Anleitung zum Überwachungsstaat. Damit wird keine Sicherheit geschaffen, sondern es kommt zu einer Aushöhlung von Grund- und Freiheitsrechten", sagte Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, der Deutschen Presse-Agentur.
Kritik an Bundespolizeigesetz: Rechtliche Angriffsfläche
Auch Organisationen wie Amnesty International äußerten Kritik wegen der "schleichenden Normalisierung schwerwiegender Grundrechtseingriffe". Rechtsexperte Thiel hält den Entwurf zwar für stimmig, kann die Kritik aber nachvollziehen. So solle die Bundespolizei keine allgemein zuständige Polizei wie diejenigen der Länder sein. "Man kann diskutieren, ob diese Befugnisse in die falsche Richtung gehen." Er selbst sieht diese Gefahr allerdings nicht, da der Einsatzbereich der Bundespolizei sehr klein sei. Ein Großteil der Bürger ist so kaum betroffen.
Er sieht manche der Befugnisse zudem als präventive Maßnahmen, die erst später greifen: "Angesichts der globalen Sicherheitslage könnte die Bundespolizei im Verteidigungs-, Spannungs- oder Katastrophenfall unterstützend eingesetzt werden. Da ist es sinnvoll, einen vollen Werkzeugkoffer zu haben."
Thiel hält es aber für möglich, dass an manchen Stellen verfassungsrechtlich nachgebessert werden muss. Insbesondere bei der Ermittlung und dem Abruf der Fluggastdaten sieht er Spielraum für rechtliche Kritik, sie könnte zu weitreichend sein.
Final verabschiedet ist das Gesetz ohnehin noch nicht. Der Gesetzesentwurf muss noch durch den Bundestag und den Bundesrat. Bis dahin können auch noch Änderungen vorgenommen werden.
- Gespräch mit Markus Thiel
- Gespräch mit Andreas Roßkopf
- bmi.bund.de: "Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP








