Koalitionsausschuss Sie müssen endlich die Wahrheit sagen
Das Bürgergeld wird strenger, bei Aktivrente und Straßenbau ist man auch weiter: Schwarz-Rot hat sich geeinigt. Das ist gut, aber es reicht nicht.
Sie sind sich einig, zumindest bei einigen Punkten. In einer "Marathonsitzung" in "ernster" Stimmung, wie Markus Söder es formuliert, haben sich die Spitzen im Koalitionsausschuss beim Bürgergeld, beim Straßenbau und der Aktivrente verständigt. Und zwar auf gemeinsame Positionen, das sollte man vielleicht dazu sagen. Bisher hatten SPD und Union verschiedene, es war ein munteres Hin und Her.
Das sind gute Nachrichten, selbst wenn die Koalition beim Verbrenner-Aus immer noch verhakt ist. Über den besten Weg zu reden, auch zu streiten – das wird gerne als Kern von Demokratie beschrieben, und falsch ist das nicht. Nur nützt der beste Streit wenig, wenn er am Ende nicht zu einem Ergebnis führt. Schön wäre: zu guter Politik. Womit wir wieder beim Koalitionsausschuss sind.
Ja, es ist ein Wert an sich, dass sich Schwarz und Rot in wichtigen Fragen zusammengerauft haben. Nur sagt das eben noch nichts aus über die Qualität der Entscheidungen. Damit jeder sie bewerten kann, muss die Regierung jetzt endlich ehrlich mit den Konsequenzen ihrer Politik umgehen. Denn die gibt es, und die Menschen müssen sie kennen. Das ist nun wirklich das Mindeste.
Ein unfaires, aber wirkmächtiges Gefühl
Es sind ein paar wichtige Einigungen der Koalition in einer Zeit, in der einige offenbar schon wieder das Gefühl haben, dass Union und SPD eh nichts hinbekommen. Dieses Gefühl ist nicht fair, weil sie trotz einiger ewiger Debatten wie der über das Bürgergeld einiges hinkriegen. Aber das Gefühl an sich ist eben wirkmächtig, das zeigen die miesen Umfragewerte für die Bundesregierung.
Und damit ist das Gefühl ein Problem. Nicht nur für Schwarz-Rot, sondern für die Demokraten. Das Gerede von der "letzten Patrone für die Demokratie", das Koalitionäre wie Markus Söder selbst gerne über Schwarz-Rot anstimmen, ist zwar Unfug. Eine solche Hybris halluziniert einen High-Noon-Moment herbei, wo es in Wahrheit keine Zwangsläufigkeiten gibt. Man macht die AfD so mächtiger, als sie ist.
Nur wichtig wäre eben schon, dass sich nach der Ampel nicht auch noch Schwarz-Rot in eine Dauerkrise hineinzankt.
Bei den Verbrennern lässt sich nichts schönreden
Ob ihr das wirklich gelingt, ist auch nach dem Koalitionsausschuss noch offen. Dass sich die Regierung noch immer nicht einigen kann, wie es mit dem Verbrenner-Aus weitergehen soll, ist nach Monaten der Debatte wirklich mies. Die Branche und die Menschen brauchen endlich Sicherheit, was denn nun gelten soll.
Dafür ist eine politische Entscheidung nötig. Die wird die Regierung der Branche nun nicht präsentieren können, wenn alle am Nachmittag zum Autogipfel zusammentreffen. Das lässt sich nicht schönreden. Auch nicht mit dem nun vorgetragenen Argument, man wolle ja erst mal mit der Branche reden. Alle Argumente sind zur Genüge ausgetauscht.
Ohnehin wäre es gut, wenn die Bundesregierung mal mit dem Schönreden aufhörte. Und nicht immer Dinge verspräche, die sie nicht halten kann. Da sind das Bürgergeld und das Verbrenner-Aus gute Beispiele.
Mit den Verschärfungen beim Bürgergeld werden nicht "sehr viele Milliarden" eingespart, wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erst kürzlich wieder im ZDF behauptete. Auch wenn er sich da "ganz sicher" ist. Selbst sein Kanzler Friedrich Merz rechnet längst nicht mehr mit einem "zweistelligen Milliardenbetrag" wie im Wahlkampf, sondern mit fünf Milliarden pro Jahr. Experten rechnen eher mit zwei oder drei, wenn es gut läuft.
Es ist grotesk, immer noch etwas anderes zu behaupten. Es produziert Enttäuschung und es frisst Vertrauen, das diese Regierung noch brauchen wird, wenn es um die wirklich großen Summen geht: bei der Reform des Sozialstaats, also bei Rente, Pflege, Gesundheit.
Weniger strampeln, genauso schnell ankommen?
Mit einem laxeren Verbrenner-Aus, das sich nach wie vor abzeichnet, auch wenn die Details noch nicht geklärt sind, entfernt sich die Bundesregierung derweil noch weiter von den Klimazielen. Schon als CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche kürzlich entschied, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen, konnte niemand erklären, wie Deutschland trotzdem bis 2045 klimaneutral werden soll. Zumal Schwarz-Rot dafür ja nicht an anderer Stelle auf einmal mehr macht.
Wenn nun in der EU auch das Verbrenner-Aus geschleift wird, wie es die Bundesregierung jetzt anstrebt, dann kann sie so viel behaupten, wie sie will: Es wird nicht funktionieren. Immer weniger strampeln, aber genauso schnell ans Ziel kommen? Da geht die Physik nicht auf.
In der CDU sprechen das die Ersten inzwischen offen aus, so wie Tilman Kuban zum Beispiel: Wird nichts mit den Klimazielen, langsamer reicht doch auch. Es ist wenigstens ehrlich. Und die Leute können dann entscheiden, ob ihnen das ausreicht oder nicht.
- Eigene Meinung



