"Bauturbo" Dieses Gesetz soll die Wohnungsnot lindern

Der Bundestag hat heute für den Gesetzesentwurf zum "Bauturbo" gestimmt. Doch wie viel Turbo steckt wirklich in dem Vorhaben?
Mit schnelleren Genehmigungen leichter neuen Wohnraum schaffen: Das ist das Ziel des sogenannten Bauturbo, den der Bundestag heute beschlossen hat. Die Regierung verspricht, dass die Bürokratie reduziert, Planungszeiten verkürzt und so die Wohnungsnot entschärft werden soll. Doch es gibt erhebliche Zweifel, ob das klappen kann. Die Kritik kommt nicht nur aus der Opposition.
Der "Bauturbo" erlaubt in bestimmten Fällen ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften, damit zusätzliche Wohnungen bereits nach einer zweimonatigen Prüfung durch die Gemeinde zugelassen werden können. Künftig soll es so möglich sein, in Gebieten mit einem bestehenden Bebauungsplan rasch zusätzlichen Wohnraum zu schaffen – über die bisherigen Vorgaben hinaus. Auf diese Weise könnten etwa ganze Straßenzüge durch Aufstockungen, Anbauten oder Neubauten in zweiter Reihe verdichtet werden, heißt es.
Die Kommunen sollen selbst entscheiden können, inwieweit sie die vorerst bis Ende 2030 geltenden Abweichungen vom Bauplanungsrecht nutzen. Das Zepter liegt also in ihrer Hand, sie sind in der Verantwortung. Zum Schutz von Mieterinnen und Mietern vor allem in Ballungsräumen soll außerdem eine Regelung gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen länger gelten – nämlich statt bis Ende 2025 nun bis Ende 2030. Mit dem Gesetz sollen zudem Regelungen verlängert werden, um mehr Bauland in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten auszuweisen.
"Das ist kein Gamechanger"
Der "Bauturbo" sei für sie daher ein zentrales Anliegen, betont Bauministerin Verena Hubertz (SPD). Die Erstellung eines Bebauungsplans dürfe nicht länger dauern als der Bau selbst. "Mit ihm schaffen wir die Grundlage für schnellere Verfahren, mehr Flexibilität und bessere Nutzung bestehender Fläche", wirbt sie für ihren Plan. Sie hat das Projekt gleich nach Amtsübernahme in Angriff genommen und das Gesetz zur Priorität gemacht. Am Erfolg des "Bauturbo" wird auch sie sich messen lassen müssen.
Doch in der Branche herrscht Skepsis, ob der "Bauturbo" so zündet, wie es die Ministerin versprochen hat. Für eine Luftnummer hält Olaf Demuth, Vorstand der Immobiliengesellschaft Zech, das Projekt. "Der Begriff Turbo ist total übertrieben als Überschrift über dem Projekt. Ein Turbo ist etwas, das enorme Kraft rapide entfaltet", sagte er dem "Handelsblatt". Es sei ein Schritt in die richtige Richtung – "aber definitiv kein Gamechanger". Mit der Befristung bis 2030 sei das Gesetz Vergangenheit, bevor es überhaupt spürbar Wirkung entfalten könne.
Großer Bedarf an neuen Wohnungen
Dabei ist die Bekämpfung von Wohnungsnot ein drängendes Problem in Deutschland. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung kam im März in seiner Wohnungsbedarfsprognose zu dem Schluss, dass der Bedarf an Wohnraum in Deutschland bei jährlich rund 320.000 neuen Wohnungen liege.
Den höchsten absoluten Bedarf an neuen Wohnungen gibt es der Prognose zufolge in Großstädten und den angrenzenden Landkreisen im Umland. Allein in den sieben größten deutschen Städten – also Berlin, München, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Köln und Düsseldorf – liege der Bedarf bei jährlich 60.000 neuen Wohnungen. Das entspreche einem Fünftel des Gesamtbedarfs.
Das in Hannover ansässige Pestel-Institut, das zum Wohnungsmarkt forscht und berät, schätzt sogar, dass allein in Westdeutschland mittlerweile 1,2 Millionen Wohnungen fehlen. Der Wohnungsmangel hemme auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. "Das Ziel der vorherigen Regierung, 400.000 Wohnungen je Jahr zu bauen, war nicht verkehrt, erscheint aber gegen Ende 2025 unerreichbar", heißt es.
Die Ampel-Regierung wollte neue Wohnungen in Rekordzahlen schaffen und rief dafür 2021 eigens das Bauministerium ins Leben. Die Behörde unter SPD-Ministerin Klara Geywitz aber schaffte die gesetzten Ziele in keinem einzigen Jahr. Hubertz steht deswegen unter besonderer Beobachtung und erheblichem Druck.
In der Pestel-Studie heißt es, der Staat könne einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der Wohnungskrise leisten, wenn er seine eigenen refinanzierten Vorteile an Bauprojekte weiterreicht.
Das kann etwa in Form von zinsgünstigen Krediten, Zinszuschüssen oder staatlicher Absicherung von Risiken geschehen. Diese Maßnahmen könnten beim Mietwohnungsbau oder dem Bau von Eigentumswohnungen helfen, weil sie die Finanzierungskosten senken. Der "Bauturbo" regelt vor allem das Genehmigungs- und Planungsrecht, nicht primär Förder- und Refinanzierungsmechanismen.
Opposition kritisiert "leeres Versprechen"
In der Opposition geht man nicht davon aus, dass der "Bauturbo" die geeignete Antwort auf den fehlenden Wohnraum ist. Er sei ein "leeres Versprechen an Menschen, die auf echte Veränderungen im Wohnungsmarkt hoffen", sagte der Grünen-Politiker Kassem Taher Saleh.
"Statt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, befeuert er Bodenspekulation, gefährdet Natur- und Agrarflächen und setzt die Kommunen zusätzlich unter Druck", so der bau- und wohnpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Er fordert Quoten für sozialen und gemeinwohlorientierten Wohnraum sowie eine Bauverpflichtung, damit genehmigte Projekte auch wirklich umgesetzt werden.
Ähnliche Töne schlagen die Linken an. "Die Wohnungs- und Mietenkrise löst man nicht dadurch, dass man die Grundsätze demokratischer Stadtplanung aushebelt, sondern vor allem mit einem bundesweiten Mietendeckel und einem öffentlichen Wohnungsbauprogramm jenseits der profitgetriebenen Bauindustrie", bemängelt Katalin Gennburg, Sprecherin für Bauen und Stadtentwicklung ihrer Fraktion.
Die Linken haben entsprechend einen Antrag eingereicht, über den ebenfalls heute im Bundestag abgestimmt werden soll. Sie fordern, nicht noch mehr Neubauten auf der grünen Wiese zuzulassen, sondern bestehende Flächen besser zu nutzen.
Kritik an den Regierungsplänen kommt auch vom Deutschen Mieterbund. Dieser moniert, der sogenannte Bauturbo garantiere nicht, dass bezahlbarer Wohnraum entstehe. Auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland warnt, der "Bauturbo" habe fatale Folgen für die Umwelt, weil planungsrechtliche Standards umgangen würden. "Grünflächen und Stadtbäume müssen erhalten, geschützt und mehr werden", heißt es. Hubertz hielt in der Vergangenheit dagegen, dass schnelleres Planen nicht automatisch heiße, dass das Umweltrecht an die Seite gestellt würde.
- Gesetzesentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung
- Studie des Pestel-Instituts: EXPO REAL Wohnstudie 2025
- Interview mit Demuth im "Handelsblatt": "Eine bedrohte Fledermaus – und schon haben Sie Debatte statt Bau-Turbo"
- Mit Material der Nachrichtenagetur dpa






