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AfD-Chef Tino Chrupalla: "Putin ist keine Gefahr für Deutschland"


AfD-Chef Tino Chrupalla
"Putin ist keine Gefahr für Deutschland"

  • Annika Leister
InterviewEin Interview von Christoph Schwennicke, Annika Leister

11.10.2025Lesedauer: 8 Min.
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Tino Chrupalla: Der Fraktions- und Parteichef der AfD will eine Brücke zur CDU schlagen. (Quelle: t-online.de)
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Wie würde die AfD Deutschland verteidigen und wie würde sie das Land regieren? AfD-Chef Tino Chrupalla steht Rede und Antwort.

Tino Chrupalla empfängt in seinem Büro im Jakob-Kaiser-Haus, mit Blick direkt auf den Reichstag. Der Fraktions- und Parteichef der AfD hat gute Laune. Dazu hat er auch einigen Grund: Seine Partei befindet sich nach wie vor in einem Umfragehoch, zuletzt war sie stärkste Kraft noch vor der Union. Intern aber sieht es nicht einträchtig aus in der AfD. Gerade streitet Chrupallas Fraktion heftig über die Wehrpflicht. Dabei ist die Forderung danach eine der ureigensten der in Teilen rechtsextremen Partei.

Was will die AfD? Wem hält sie außenpolitisch die Treue: dem alten Verbündeten Russland oder den neuen USA unter Donald Trump? Und wie sähe eine Bundesregierung unter ihrer Führung aus?

t-online: Herr Chrupalla, Sie waren lange und vehement gegen eine Wehrpflicht. In letzter Zeit haben Sie sich dafür ausgesprochen. Was ist passiert?

Tino Chrupalla: Wir haben ein Grundsatzprogramm, das den Wehrdienst fordert, und haben auf einer Fraktionsklausur im Sommer darüber beraten. Ich war außerdem nie grundsätzlich dagegen.

Sie haben in Reden gesagt: "Meine Kinder kriegt ihr nicht!" und sich im "Welt"-Interview im Dezember noch explizit gegen eine Wehrpflicht ausgesprochen – entgegen der Linie Ihrer Partei.

Ich habe immer gesagt: Ich halte die Wiedereinführung der Wehrpflicht zum derzeitigen Zeitpunkt für falsch. Weil die Bundesregierung eine Bedrohungslage aufbaut, die ich nicht sehe. Ich habe die große Befürchtung, dass Wehrdienstleistende in Kriegsgebieten eingesetzt werden.

Wehrdienstleistende werden nicht "out of area" eingesetzt. Sie können an humanitären Einsätzen teilnehmen – dazu aber müssen sie sich explizit schriftlich bereit erklären.

Ich vertraue dieser Bundesregierung nicht. Wir haben bei Corona erlebt, wie die Regierung mit Grundrechten und Gesetzen umgeht, die wir für unumstößlich halten. Wir hätten auch nie geglaubt, dass es Lockdowns gibt. Hinzu kommt: Es fehlt die Infrastruktur für eine Wehrpflicht, das Geld dafür ist auch nicht da.

Ihre eigene Partei fordert aber derzeit als einzige die Wehrpflicht. Sie geht damit weiter als die Regierungskoalition, deren Modell auf Freiwilligkeit beruht. Eigentlich wollte Ihre Fraktion in dieser Woche über einen entsprechenden Antrag abstimmen, um die Regierung vor sich herzutreiben. Dann sind Sie gegen diesen Antrag?

Die Spitzen von CDU und CSU haben bereits eine Wehrpflicht ohne Freiwilligkeit gefordert. In der Fraktion diskutieren wir derzeit über die Ausgestaltung des Wehrdienstes. Meine Haltung ist: Wehrdienst ja – aber nicht jetzt.

Wann dann?

In Friedenszeiten, optimalerweise unter einer AfD-Regierung.

Das ergibt aber keinen Sinn. In Friedenszeiten muss man nicht so verteidigungsfähig sein wie in Zeiten von Spannungen. Das ist doch windschief, diese Argumentation.

Jetzt bringen Sie die Wehrpflicht ja selbst mit dem Einsatz im Krieg in Verbindung. Genau das will ich verhindern.

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Es geht um Landes- und Bündnisverteidigung. Das ist die erste Aufgabe der Bundeswehr und der Sinn einer Wehrpflicht.

Ich wiederhole es gern: Wir brauchen eine Bundeswehr, die ihren Auftrag gemäß Grundgesetz erfüllt. Den Wehrdienst zum jetzigen Zeitpunkt wiedereinzusetzen, kann ich nicht unterstützen. Denn in Europa ist Krieg, und das macht es für mich zu einer Gewissensfrage. Ich habe zwei Söhne und eine Tochter und höre, was sie mir dazu sagen: Die junge Generation, die es betrifft, hat Angst. Sie soll schon eine Rekordverschuldung abtragen für uns, bis 70 Jahre arbeiten, jetzt soll sie in Zeiten, in denen in Europa Krieg herrscht, noch zu den Waffen greifen. Was muten wir dieser Generation eigentlich alles zu?

Letztere Zumutung ergibt sich aus der neuen Bedrohungslage von außen. Sie ist von keiner Partei gewollt.

Da widerspreche ich. Die anderen Parteien haben diese Lage mit Kriegsrhetorik herbeibeschworen, statt sie mit Diplomatie abzuwenden.

Putin greift die Ukraine an, er ist der Aggressor. Auch Frau Weidel hat neulich überraschend deutlich gesagt: Putin muss deeskalieren.

Ich sage das auch. Aber ich kann es auch gerne noch einmal wiederholen: Natürlich muss auch Putin deeskalieren. Aber wie erreicht man Deeskalation? Indem man Gesprächsfäden wieder aufnimmt. Wie es Trump, Orbán oder auch Fico vormachen. Jedoch sind offensichtlich weder unsere Bundesregierung unter Friedrich Merz noch die EU-Administration unter Ursula von der Leyen dazu willens oder in der Lage. Und das liegt nicht an Wladimir Putin.

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Natürlich liegt das an Putin. Selenskyj hat sich in den letzten Monaten immer gesprächsbereit gezeigt. Putin nicht. Die wichtigere Frage aber ist vielleicht: Ist Putin eine Gefahr für Deutschland?

Nein, Putin ist keine Gefahr für Deutschland. So sehe ich es. Man muss endlich anfangen, mit ihm zu reden, und aufhören, weiter an der Eskalationsspirale zu drehen. Genau das aber tut der Bundeskanzler. Zum Beispiel, wenn er von angeblich russischen Drohnen spricht, die in unseren Luftraum eindringen. Dafür gibt es bislang keine Beweise. Das halte ich für gefährlich.

Belege, dass Russland mit Militärflugzeugen in den Luftraum von EU-Staaten eindringt, gibt es durchaus. Aber wir kommen an dieser Stelle nicht weiter. Sprechen wir über die zweite Supermacht: die USA unter Donald Trump. Dort setzt die Regierung gerade das Militär im Inneren ein, Kritiker werden unter Druck gesetzt, auf Migranten wird Jagd gemacht. Wie blicken Sie auf diese Vorgänge?

Das sind inneramerikanische Angelegenheiten. Ich kann und will das nicht bewerten.

Ist Trump für Sie ein Vorbild?

So würde ich das nicht bezeichnen. Es gibt Dinge, die wir klar kritisieren – zum Beispiel Trumps Zollpolitik. Dadurch erleidet die deutsche Wirtschaft Nachteile. Da hat sich aber auch die EU über den Tisch ziehen lassen. Trump will anderen Ländern verbieten, Öl und Gas aus Russland zu importieren. Meiner Ansicht nach muss ein souveräner Staat selbst bestimmen, mit wem er Handel treibt.

Ist Trump denn in der Migrationspolitik ein Vorbild für Sie?

Durchaus. Er hat im Wahlkampf in der Migrationspolitik viele Punkte versprochen, die deckungsgleich mit der AfD sind. Und er setzt diese Wahlversprechen eins zu eins um. Das läuft wesentlich besser als in seiner ersten Amtszeit, die noch etwas chaotisch war. Auch dank gutem Personal.

Seine ICE-Polizisten stürmen vermummt Wohnblocks mit Familien, halten auch legal in den USA lebende Bürger über Stunden fest und nehmen Illegale brutal fest. Bei Protesten gegen dieses Vorgehen entsendet Trump das US-Militär.

Ich unterstütze keine Gewaltaktionen gegen Migranten. Es muss immer eine Verhältnismäßigkeit geben. Wenn es um illegal Eingereiste geht: Es ist sehr wohl das gute Recht eines jeden souveränen Staates zu entscheiden, wer im Land sein darf und wer nicht. Der Einsatz der Mittel muss, wie gesagt, verhältnismäßig sein.


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Trump hat im Wahlkampf in der Migrationspolitik viele Punkte versprochen, die deckungsgleich mit der AfD sind. Und er setzt diese Wahlversprechen eins zu eins um.


Tino Chrupalla zur Frage, ob der US-Präsident ein vorbild ist


Die Umfragewerte für die AfD waren nie besser, im Bund wie in den Ländern. Ihre Partei mag für eine Alleinregierung trommeln, sehr viel wahrscheinlicher aber brauchen Sie die Union als Koalitionspartner. In den letzten Generaldebatten hat Frau Weidel nicht gerade dafür geworben, klang aggressiv-destruktiv. Sie blieben konziliant im Ton, offen hin zur Union. Ist das die Arbeitsteilung?

Das macht uns als Partei und als Doppelspitze auch aus: Dass wir die Klaviatur in der Breite bespielen.

Aber welche der beiden Linien gilt denn?

Beide. Wir bedienen damit alle Gefühle in der Bevölkerung. Ich finde das erfrischend und befruchtend.

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Sie übernehmen ganz offensichtlich den Part, der eine Brücke bauen soll zur Union. Pflegen Sie Kontakte zu Leuten von der CDU hier im Bundestag?

Ich habe zu vielen Parteien Kontakte, auch zur CDU. Ich war ja auch mal Mitglied in der Jungen Union. Die Kontakte habe ich nie abgebrochen.

Wann haben Sie zuletzt die CDU gewählt?

Ich glaube, das war 2005, als Merkel gegen Schröder angetreten ist und knapp gewonnen hat. Getroffen habe ich Frau Merkel damals auch schon.

Ach? Zu welchem Anlass?

Sie war mal zu einer Wahlkampfveranstaltung in Krauschwitz, wo ich wohne. Da hat sie mir sogar ein Autogramm gegeben. Da war ich aber noch jung. Ansonsten verbindet uns nur die Mitgliedschaft in der FDJ.

Worum geht es, wenn Sie dieser Tage mit CDU-Leuten reden?

Um die Aussichten bei den Landtagswahlen nächstes Jahr. Das ist präsenter als die nächste Bundestagswahl. Persönlich halte ich aber 2029 für das spannendere Jahr: Bundestags-, Europa- und Landtagswahlen. Das wird die Republik verändern.

Bleiben wir trotzdem noch mal bei den Landtagswahlen 2026. Gerade gucken alle nach Sachsen-Anhalt, wo Ulrich Siegmund für Sie schon voll in den Wahlkampf gestartet ist. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen, wo die AfD in Umfragen ähnlich stark abschneidet, hat sich bis vor zwei Wochen noch so gut wie gar nichts getan. Woran lag das?

Es gab noch Diskussionen um die Spitzenkandidatur zwischen zwei Bewerbern. Jetzt ist geklärt, dass Leif-Erik Holm für uns antreten soll. Ich finde es aber gut, dass Mecklenburg-Vorpommern in der Öffentlichkeit gerade so links liegen gelassen wird.

Warum?

Ich halte Mecklenburg-Vorpommern sogar für einen Tick interessanter für uns. Dort ist die CDU weit abgeschlagen, die SPD leidet außerdem unter ihrer Schwäche im Bund. Soll sich die politische Konkurrenz an Sachsen-Anhalt abarbeiten. Wir werden sie in beiden Bundesländern überraschen. Von hinten durch die Brust ins Auge.

Ihre Partei liefert immer wieder Gründe und Skandale, die für eine Brandmauer sprechen. Gerade hat Ihr stellvertretender Bundesvorsitzender bei t-online dafür plädiert, in Deutschland wieder die erste Strophe des Deutschlandliedes zu singen. Diese Strophe wurde von den Nationalsozialisten als Hymne genutzt und wird offiziell nicht verwendet. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Ich habe mit ihm darüber geredet und ihm gesagt: Wir singen ab sofort nur noch die dritte Strophe. Damit ist das geklärt.

Aus Ihrer Partei gab es die Forderung schon in der Vergangenheit immer wieder.

Das sind aus meiner Perspektive überflüssige Debatten. Es gibt größere Probleme, auf die wir uns konzentrieren sollten.

Koalitionen brauchen Kompromisse. Die AfD ist eine sehr kompromisslose Partei. Wären Sie bereit, welche zu machen?

Natürlich. Politik ist immer ein Kompromiss, muss aber glaubwürdig sein. Aber man wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, würde man sie im Voraus anbieten. Das macht niemand. Wahlkampf ist Wahlkampf. Wenngleich man natürlich wichtige Grundprinzipien und Versprechen einhalten und umsetzen muss. Nicht, wie Friedrich Merz das gemacht hat. Der hat alles kassiert, was er versprochen hat.

Sie haben Trumps Personal gelobt. Wie sähe denn Ihr Schattenkabinett in einer AfD-Regierung aus? Ganz konkret: Ist Björn Höcke für Sie ein möglicher Minister?

Natürlich. Er ist einer unserer erfolgreichsten Politiker in Thüringen.

Der bekannteste deutsche Rechtsextremist als Minister.

Für mich ist er keiner. Für Sie vielleicht, aber Sie halten wahrscheinlich auch mich für einen Rechtsextremisten.

Sie sind Chef einer Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Dagegen wehren Sie sich gerade vor Gericht. Ihre Jugendorganisation hatte einigen Anteil an dieser Einstufung. Die alte haben sie aufgelöst, Ende November wollen Sie eine neue gründen. Soll die sich dann mäßigen?

Wir gründen die Jugendorganisation auch deswegen neu, um sie näher an die Partei zu binden und verantwortungsvolle Politiker der Zukunft heranzuziehen. Wir müssen uns als Bundespartei mehr um den Nachwuchs kümmern. Da haben wir als Bundesvorstand in der Vergangenheit durchaus Fehler gemacht.

Als Vorsitzender der neuen Jugendorganisation bringt sich Jean-Pascal Hohm gerade in Stellung. Er taucht zuhauf in den Berichten des Verfassungsschutzes auf, wird von der Behörde sogar explizit als Rechtsextremist benannt. Verschaffen Sie sich so nicht wieder genau dasselbe Problem?

Er ist bisher der einzige mir bekannte Kandidat, der sich zur Verfügung stellt. Er ist in Brandenburg gut vernetzt und leistet als Landtagsabgeordneter in Brandenburg und in seinem Wahlkreis rund um Cottbus gute Arbeit. Natürlich muss die Gründungsversammlung ihn noch wählen. Aber solche jungen Leute sollten wir einbeziehen und ihnen die Gelegenheit geben, es besser zu machen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Tino Chrupalla in Berlin am 8. Oktober 2025
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