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CDU-Landeschef Daniel Günther über Ampel-Gesetz: "Angst und Schrecken"


Landeschef Daniel Günther
"Das kann man niemandem erklären"

  • Johannes Bebermeier
InterviewEin Interview von Johannes Bebermeier, Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 12.10.2025Lesedauer: 8 Min.
Daniel Günther (CDU): "Nicht so viel schnacken, sondern machen."Vergrößern des Bildes
Daniel Günther (CDU): "Nicht so viel schnacken, sondern machen." (Quelle: Fabian Winkler/t-online )
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Es läuft gerade nicht für Friedrich Merz in den Umfragen. Woran liegt das und wie kann es besser werden? Interview mit einem, der es wissen könnte: Daniel Günther.

An der Wand hinter dem Schreibtisch hängt ein Gemälde mit bunten Segelbooten. Auf einem Schrank steht ein Windrad in Miniatur. Daniel Günthers Büro sieht so aus, wie man das erwarten würde bei einem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins.

Was man eher nicht erwarten würde: Wer dieser Tage mit Daniel Günther spricht, der hört von ihm auffallend oft Lob für Bundeskanzler Friedrich Merz. Das war nicht immer so, immerhin ist Merz der Mann des betont konservativen Flügels der CDU, der ewige Merkel-Gegner. Daniel Günther steht in der CDU für das Gegenteil, für den links-liberalen Teil, der Merkel in guter Erinnerung hält. Seine CDU steht in Schleswig-Holstein in Umfragen bei 39 Prozent, Merz' Union nur noch bei rund 25.

Wie blickt dieser Daniel Günther auf das Tief im Bund und das Verhältnis zur AfD? Und wie arrangiert sich der Mann aus dem Windkraftland mit der aktuellen Klimapolitik der Bundesregierung? Ein Gespräch.

t-online: Herr Ministerpräsident, Ihr Parteichef Friedrich Merz wollte die AfD halbieren. Inzwischen liegt sie in einigen Umfragen bundesweit vor der Union. Was ist da schiefgelaufen?

Daniel Günther: Die AfD hatte ihre größten Zuwächse in der Zeit der Ampel-Regierung. Da ist viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Ob Friedrich Merz es als Kanzler schafft, die AfD zu halbieren, das wird nicht in den ersten Monaten seiner Regierungszeit entschieden. Dafür müssen die Menschen konkrete Verbesserungen durch die schwarz-rote Regierung spüren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird.

Die Vorgänger waren's? Machen Sie es sich damit nicht etwas einfach?

Die Entwicklung der AfD in den Umfragen war in der Ampel-Zeit nun mal so. Was aber auch stimmt: Uns als Union ist es in dieser Zeit nicht gelungen, den Unmut über die Politik der Ampel in Stimmen für uns zu verwandeln. Das müssen wir uns ankreiden lassen.

(Quelle: Fabian Winkler/t-online)

Der Gesprächspartner

Daniel Günther, 52 Jahre alt, ist seit 2017 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Dort regierte er zunächst mit Grünen und FDP zusammen, ab 2022 nur noch mit den Grünen. Günther ist gläubiger Katholik, verheiratet und hat zwei Töchter.

Friedrich Merz hat das kurz vor der Bundestagswahl versucht, indem die Union im Bundestag einen Migrationsantrag mit Stimmen der AfD verabschiedet hat. War das klug?

In der Union ist da der Blick zurück ziemlich einheitlich: Das hat nicht geholfen. Es hat am Ende die Ränder rechts und links gestärkt. Daraus folgt für mich: Wir müssen uns klar von der AfD abgrenzen und in keiner Form mit ihr zusammenarbeiten, damit wir das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.

Was haben Sie gedacht, als Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gesagt hat, die AfD werde 2029 nur noch bei 9 Prozent stehen?

Das muss ja unser Ziel sein. Und ich glaube auch, dass wir die Chance haben, wenn sich alle am Riemen reißen.

Bedeutet?

Nicht so viel schnacken, sondern machen. Und bloß nicht streiten. Ankündigungen reichen nicht. Die Menschen bewerten eine Regierung danach, was sie tut. Wenn wir es hinbekommen, die entscheidenden Dinge in Deutschland wieder vernünftig zu sortieren, dann kehrt das Vertrauen zurück. Da tragen Union und SPD jetzt eine Riesenverantwortung.

Braucht es dafür mehr von der Methode Günther und nicht so viel von der Methode Merz?

Friedrich Merz weiß, dass er als Bundeskanzler eine ausgleichende Funktion haben muss, dass er die Leute zusammenbringen muss. Das unterscheidet sich ja nicht von der Methode Günther, wie Sie es bezeichnen, das nehme ich für mich in Schleswig-Holstein auch in Anspruch. Es muss sich auch die SPD in einer von Bundeskanzler Merz geführten Regierung wiederfinden, wenn wir erfolgreich sein wollen.

Also hat sich Friedrich Merz gewandelt?

Ja. Er hat das gemacht, was ein guter Bundeskanzler tun muss: Er ist extrem schnell von der Rolle des Oppositionsführers in der des Bundeskanzlers angekommen …

… und stolpert ab und zu wieder in die des Oppositionsführers zurück, etwa, wenn er sagt, er mache es der SPD "bewusst nicht leicht".

Erfolgreich ist, wer diesen Wandel hinbekommt. Und das gelingt ihm. Daran ist auch nichts Ehrenrühriges, in einer Demokratie gibt es unterschiedliche Rollen.

Trotzdem: Ist Friedrich Merz manchmal übereifrig bei dem, was er ankündigt und verspricht?

In Wahlkämpfen ist es legitim, dass Parteien nicht schon das Regierungsprogramm einer Koalition vertreten. Dafür haben viele Menschen Verständnis. Übrigens auch dafür, wenn man ihnen etwas zumutet, ist meine Überzeugung. Da hätten wir es uns an der ein oder anderen Stelle leichter machen können.

Zum Beispiel?

Bei den Regelungen zur Schuldenbremse hätte es gutgetan, wenn wir uns schon vor der Wahl offener gezeigt hätten. Friedrich Merz war da gedanklich weiter als andere in der Union. Wir hätten das innerparteilich offener diskutieren und dann auch im Wahlkampf vertreten sollen. Da haben wir es uns unnötig schwer gemacht. Dabei gibt es in der Gesellschaft großes Verständnis dafür, dass wir Investitionen mit Krediten finanzieren, um wieder wirtschaftlich stark zu werden.

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Die Umfragewerte für die Bundesregierung sind gerade wirklich nicht gut. Um welche Themen müssen sich Demokraten in diesen Zeiten kümmern, damit das Vertrauen zurückkehrt?

Ich glaube, es ist einfacher, als wir manchmal denken.

Und zwar?

Es ist viel Verdruss da, weil die Leute das Gefühl haben, dass manche Selbstverständlichkeiten nicht mehr funktionieren. Das ist gerade besonders verhängnisvoll, weil es sich mit einem Gefühl der Bedrohung von außen paart.

Was meinen Sie damit?

Vor einigen Jahren haben sich viele Menschen in schwierigen Zeiten in der Regel hinter den Regierenden versammelt. Herausforderungen und Veränderungen gab es auch damals, aber Deutschland kam vergleichsweise gut durch die Krisen. Heute vermischt sich die Bedrohung von außen mit einem Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit des Staates. Wenn selbst Alltägliches und Selbstverständliches nicht mehr vernünftig funktioniert, wenn wir täglich erleben, dass Busse und Züge nicht verlässlich fahren, Bauvorhaben nicht vorankommen, darf uns das nicht wundern. Vieles passt nicht mehr zu dem Bild, das die Menschen bisher von Deutschland hatten.

Bedeutet in der Konsequenz?

Wenn wir diese Probleme wieder in den Griff bekommen, wird es auch weniger Menschen geben, die sich nur noch damit beschäftigen, wie gut es den anderen angeblich geht und wie schlecht einem selbst. Dann kommt das Gefühl zurück: Wir können etwas schaffen in unserem Land.

Am Mittwoch hat der Koalitionsausschuss in Berlin möglicherweise etwas dafür getan: Es wurden drei Milliarden Euro für den Straßenbau mobilisiert, um alles bauen zu können, was baureif ist. Ursprünglich hieß es mal, dazu seien 15 Milliarden Euro nötig. Reicht das Geld?

Ich habe mich über diesen Beschluss sehr gefreut. Es war eine kommunikative Panne, dass vorher der Eindruck entstanden ist: Wir haben zwar ein 500-Milliarden-Sondervermögen, aber jetzt werden alle Infrastrukturvorhaben um Jahre, teils Jahrzehnte verschoben. Das kann man niemandem erklären.

Und jetzt ist mit den drei Milliarden Euro alles gut?

Nein, diese Summe reicht für die Projekte nicht. Aber die entscheidende Aussage im Beschlusspapier ist für mich: Wenn die Baureife und die Planfeststellungsbeschlüsse da sind, dann ist die Finanzierung gesichert. Darauf vertraue ich jetzt.

Bedeutet: Es werden insgesamt mehr als drei Milliarden Euro?

Ja, davon gehe ich aus.

Beim Verbrenner-Aus herrscht auch nach dem Koalitionsausschuss und dem Autogipfel keine Klarheit. Sollte es fallen?

Die Fehler sind aus meiner Sicht schon im Vorfeld passiert, als diese Debatte im Europawahlkampf plötzlich wieder aufgemacht wurde. Wir haben es in Deutschland leider versäumt, bei der Elektromobilität voranzugehen. Es wäre eine Stärke gewesen, wenn wir als Land der Automobilindustrie bei diesen modernen Antriebsformen ganz vorne gewesen wären. Das hätte unseren Autobauern international geholfen. Denn in vielen Ländern ist E-Mobilität längst das Maß aller Dinge.

Würden Sie noch mal eine große Batteriefabrik in Schleswig-Holstein ansiedeln helfen, obwohl Northvolt jetzt pleitegegangen ist?

Ja. Und wir arbeiten nach wie vor hart daran, dass es trotzdem weitergeht. Wir haben mit Lyten ein US-Unternehmen, das bereit ist, zu investieren. Wir sind im Austausch, wie es jetzt weitergehen kann, auch mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Heide ist prädestiniert dafür. Die Fläche ist komplett erschlossen und es gibt erneuerbaren Strom im Überfluss. Deshalb wundere ich mich auch etwas …

… worüber wundern Sie sich?

Wir haben so große Autofirmen, die um Marktanteile kämpfen und den Elektromarkt zu wenig in den Blick genommen haben. Dass wir jetzt ein Unternehmen aus den USA brauchen, um an so einem Top-Standort eine Batterieproduktion aufzubauen, wirft kein gutes Bild auf uns. Denn eigentlich wollen wir in Deutschland doch resilienter werden, uns unabhängiger von anderen Ländern machen.

Wird Lyten Fördergeld bekommen?

Die Frage hat sich bisher nicht gestellt.

Sie haben viel Windkraft hier im Norden. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will nun weniger Tempo bei den Erneuerbaren machen, um Kosten zu sparen. Ist das der richtige Weg oder braucht es mehr Ambition?

Ich glaube, dass beides zusammen geht. Ich wehre mich überhaupt nicht dagegen, dass wir effizienter sein und die Energiekosten senken müssen. Ich widerspreche nur, dass das ein Gegensatz ist. Wir bekommen kostengünstige Energie, indem wir in erneuerbare Energien investieren. Diesen Weg gehen wir in Schleswig-Holstein konsequent seit Jahrzehnten. Und jeder weiß, Planungssicherheit ist das A und O in der Wirtschaft.

Katherina Reiche hat ja, grob gesagt, die Prioritäten umgekehrt: Das Ausbautempo der Erneuerbaren soll sich am Ausbautempo des Netzes orientieren. Das widerspricht Ihrem Ansatz doch?

Mich nervt es auch, dass die Netze in Deutschland bisher nicht gut genug ausgebaut sind. Nur die Antwort darauf muss doch sein, die Netze jetzt schneller auszubauen. Das haben wir in Schleswig-Holstein auch hinbekommen. Wir müssen schon aufpassen, dass die Prioritäten weiterhin richtig gesetzt werden. Dann kann das alles gut funktionieren.

Werden Sie in Schleswig-Holstein eigentlich noch auf das Heizungsgesetz angesprochen?

Das hatte eine nachhaltige Wirkung auf das Vertrauen in die Politik, definitiv bis zum heutigen Tag. Das Heizungsgesetz war der Punkt, der das Fass bei vielen zum Überlaufen gebracht hat. Als der erste Entwurf vorgelegt worden ist, hatten wir vier Wochen später Kommunalwahlen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein einziges Gesetz so viele Menschen in Angst und Schrecken versetzt hat.

Die Union hat angekündigt, das Heizungsgesetz abzuschaffen. Gerade ist das in der Bundesregierung auf der Prioritätenliste aber offenbar wieder nach unten gerutscht. Braucht es da schneller Klarheit?

Ich habe das Gefühl, dass sie jetzt noch mal mit etwas Realismus draufschauen. Und das ist auch gut so. Allerdings ist das Heizungsgesetz vor allem medial, aber auch politisch, dramatischer gemacht worden, als es zumindest in späteren Fassungen war.

Auch von der CDU im Bund.

Ja, auch von der CDU. Allen ist klar: Wenn wir bis 2045 klimaneutral sein wollen, können wir ab dann nicht mehr mit Gas und Öl heizen. Den Leuten ein Ziel mit auf den Weg zu geben, ist deshalb richtig. Hier im Land hatten wir schon früher Anforderungen an den Heizungstausch. Aber wir haben einen Pfad beschrieben. Zu bestimmten Zeitpunkten mussten bestimmte Anteile erneuerbarer Energien verwendet werden. Bei Robert Habecks Entwurf ist der fälschliche Eindruck entstanden, dass man ab sofort eigentlich nur noch Wärmepumpen einbauen darf.

Apropos Klimaziel 2045: In der CDU gibt es jetzt erste Politiker, die das nicht mehr für realistisch halten und sich davon verabschieden wollen. Zu Recht?

Nein. Das Klimaziel steht im Koalitionsvertrag und in unserem Wahlprogramm. Wenn wir das in Deutschland nicht schaffen, wie wollen wir andere Länder in der Welt davon überzeugen, dass es der richtige Weg ist? Ich verstehe diese Diskussion wirklich nicht. Deutschland war immer stark, weil wir in den Technologien führend und deshalb im Export erfolgreich waren. Das muss wieder so werden. Und dafür dürfen wir unseren Ehrgeiz jetzt nicht zügeln.

Herr Günther, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Daniel Günther (CDU) am 9. Oktober 2025 in Kiel
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