Dobrindts Abschiebepläne "Das ist total abwegig"

Innenminister Dobrindt hat mehrere Vorschläge gemacht, wie Deutschland künftig mehr Menschen abschieben kann. Doch bei vielen Ideen gibt es rechtliche Bedenken.
Alexander Dobrindt will vorangehen. Der Innenminister hat angekündigt, Deutschland zum "Treiber der Migrationswende in Europa" zu machen. Bisher hatte der CSU-Politiker versucht, diesem Anspruch insbesondere durch die verschärften Grenzkontrollen zu den Nachbarstaaten gerecht zu werden – ein Effekt ist bisher allerdings kaum nachweisbar.
Nun will Dobrindt die Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber, die in Deutschland sind, forcieren. Dazu berief er in der vergangenen Woche in München einen Migrationsgipfel mit der Beteiligung mehrerer europäischer Staaten ein. Im Rahmen des Treffens kündigte er eine Reihe von Maßnahmen an, die er bald angehen will.
So will er Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan forcieren, Rückkehrzentren außerhalb der EU errichten und Menschen ohne zeitliche Begrenzung in Abschiebehaft nehmen. Allerdings gibt es große Zweifel, ob das Ganze rechtlich überhaupt haltbar ist. Besonders der letztgenannte Vorschlag steht dabei stark in der Kritik, hauptsächlich in den Bundesländern, die vom Koalitionspartner SPD regiert werden.
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Und auch die anderen Vorschläge Dobrindts stehen zumindest teilweise rechtlich auf einem wackligen Fundament. Es ist also unklar, ob der Innenminister seinen Amtskollegen in Europa mit diesen Maßnahmen als Vorbild dienen kann.
Dobrindts Forderungen: Kritik aus der SPD
Hamburgs Innensenator Andy Grote, der zudem Sprecher der SPD-geführten Innenministerien ist, erklärte jüngst der "Welt am Sonntag": "Eine unbefristete Freiheitsentziehung ohne Aussicht auf tatsächliche Abschiebung wäre zweifellos verfassungswidrig." Auch ein Sprecher der niedersächsischen Innenministerin Daniela Behrens (SPD) erklärte: "Die rechtlichen Hürden dürften ausgesprochen hoch sein."
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Migrationsrechtsexperte Maximilian Pichl im Gespräch mit t-online. "Es ist rechtsstaatlich sehr klar, dass man Menschen nicht unbefristet ohne Perspektive inhaftieren darf." Er sieht nicht nur verfassungsrechtliche Probleme. Auch das Europarecht verbiete es, Menschen unbefristet zu inhaftieren, bei denen gar nicht klar ist, ob sie tatsächlich abgeschoben werden. Er hält den Vorstoß daher für "grundsätzlich für total abwegig".

Zur Person
Maximilian Pichl hat die Professur für Recht der Sozialen Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt das Asyl- und Migrationsrecht, er ist Mitglied im Netzwerk Migrationsrecht. Zudem arbeitete er bereits als rechtspolitischer Referent der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.
Zuvor hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Rückkehrverordnung vorgelegt, um Abschiebungen zu beschleunigen. Dieser sieht, über eine künftige Höchstgrenze von 24 Monaten Haft hinaus, in schweren Fällen sogar die Entfristung vor. Dies nimmt Dobrindt nun als Grundlage für seine Idee.
Fast alle Haftplätze sind belegt
Die Pläne ignorieren aber die Rechtsschutzlücke der Betroffenen, diese haben also nicht die Möglichkeit, sich angemessen rechtlich zu wehren. Das zeigen etwa Zahlen des Rechtsanwalts Peter Fahlbusch, der seit 2001 2.764 Menschen in Abschiebehaft vertreten hat. Bei mehr als der Hälfte seiner Mandanten stellte sich letztlich heraus, dass ihre Haft rechtswidrig war.
Wegen fehlender Möglichkeiten können viele andere Menschen in dieser Situation allerdings erst gar nicht gegen die Entscheidung klagen. "Man schafft eine Situation, in der sich Menschen in einem rechtswidrigen Zustand sehr schwer rechtlich wehren können", gibt Pichl daher zu bedenken.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt zudem, dass die Plätze in der Abschiebehaft für Dobrindts Pläne ohnehin nicht ansatzweise ausreichen. So ist ein Großteil der bundesweit 790 Haftplätze laut "Welt am Sonntag" aktuell bereits belegt. Ende Juni 2025 lebten in Deutschland laut der Zeitung rund 226.000 Ausreisepflichtige – darunter mehr als 7.000 abgelehnte Asylbewerber, die straffällig geworden sind. Abgeschoben wurden im ersten Halbjahr laut Bundesregierung knapp 12.000 Menschen.
Abschiebezentren außerhalb der EU: Dobrindt sieht "juristische Hürden"
Weiterhin ging es beim Migrationsgipfel erneut um die Errichtung von Abschiebezentren außerhalb der EU. Ein solches Vorgehen hatte bereits Italien in Albanien ausprobiert. Das Unterfangen wurde allerdings gerichtlich gestoppt. Ein ähnlicher Versuch Großbritanniens, Geflüchtete nach Ruanda abzuschieben, war ebenfalls gescheitert – obwohl die Briten nicht mehr dem EU-Recht unterliegen. Dennoch planen die Niederlande jetzt einen neuen Versuch eines Abschiebezentrums in Uganda.
Auch CSU-Mann Dobrindt ist von der Idee angetan, muss allerdings selbst "juristische Hürden" einräumen. Denn in der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das sogenannte Refoulement-Verbot verankert, wonach Menschen nicht in Situationen abgeschoben werden dürfen, in denen sie womöglich Verfolgung oder Folter ausgesetzt sind.
Rechtsexperte Pichl sieht eine solche Gewissheit aber in Ländern wie Ruanda oder Uganda nicht. Es sei in Einzelfragen kaum zu beantworten, ob es nicht doch Gründe gebe, die gegen eine Abschiebung sprechen. Er kommt daher zu dem Schluss: "Das ist ein krasser Grundrechtseingriff. Solange es die Europäische Menschenrechtskonvention gibt, ist das nicht zulässig."
Allerdings sei es möglich, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies anders sehe. In der Vergangenheit zeichnete sich dieser durch eine restriktivere Rechtssprechung aus. Pichl warnt in jedem Fall: Es könnte mit der Errichtung solcher Abschiebezentren ein rechtswidriger Rahmen geschaffen werden, der nicht gerichtlich überprüft werden kann. "Denn wer hat in Uganda Zugang zu einem Anwalt?"
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien: Es gibt Bedenken
Doch Dobrindt will auch vermehrt direkt in die Herkunftsländer abschieben, darunter nach Afghanistan. Das Problem: Dort sind seit 2021 die Taliban an der Macht. Deutschland hat eigentlich keine diplomatischen Beziehungen zu der Terrororganisation, organisierte seitdem nur zwei Abschiebeflüge mithilfe der Vermittlung von Katar. Nun hat Dobrindts Ministerium allerdings die Verhandlungen mit den Taliban aufgenommen. "Es sind sehr weit fortgeschrittene Gespräche", sagte Dobrindt "The Pioneer". "Wir wollen regelmäßig rückführen, und das heißt nicht nur in Charterflügen, auch in Linienflügen."
Experte Pichl sieht die Verhandlungen kritisch: "Deutschland hat eine riesige politische Verantwortung für die Machtübernahme der Taliban und normalisiert jetzt die Beziehungen." So werfe man auch alle Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte für einen demokratischen Aufbau über Bord.
Es gebe zudem rechtliche Bedenken. "Man kann bei einem Regime wie den Taliban nicht davon ausgehen, dass die Menschen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt werden", betont Pichl. Schließlich hätten auch Menschen, die in Deutschland kriminell waren, einen Anspruch auf die Einhaltung der Menschenrechte.
Auch nach Syrien will der Innenminister nach dem Sturz der Regierung vor einem Jahr nun offenbar vermehrt abschieben. Dabei gehe es laut der "Bild" vorrangig um "arbeitsfähige, junge Männer", deren Asylantrag abgelehnt wurde – selbst wenn sie bisher nicht straffällig geworden sind. Das war seit 2012 nicht mehr möglich. Jetzt arbeite man an einer Vereinbarung mit Syrien, um das zu ändern.
Doch Rechtsexperte Pichl sieht auch hier Probleme. Die Sicherheitslage unter der neuen islamistischen Führung könne noch nicht angemessen beurteilt werden. Zuletzt habe es immer wieder Übergriffe auf Minderheiten wie Christen gegeben, warnt der Professor.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Maximilian Pichl
- spiegel.de: "SPD-Landespolitiker kritisieren Dobrindts Pläne für eine unbefristete Abschiebehaft heftig"
- tagesschau.de: "Dobrindt sieht 'Anfang eines Prozesses'"
- welt.de:" Jetzt formiert sich SPD-Widerstand gegen Dobrindts Abschiebepläne" (kostenpflichtig)
- bild.de: "Dobrindt will "junge arbeitsfähige" Syrer abschieben"
- lsfw.de: "STATISTIKEN | Peter Fahlbusch"
- welt.de: "Warum der Bedarf an Abschiebehaftplätzen jetzt spürbar wächst" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP







