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Wehrpflicht-Losverfahren: Strack-Zimmermann äußert sich


FDP zu Losverfahren bei Wehrpflicht
Das ist verantwortungslos

MeinungEin Gastbeitrag von Marie-Agnes Strack-Zimmermann

14.10.2025Lesedauer: 4 Min.
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Soldaten des Heimatschutzregiments 6 (Archivbild): Die Bundesregierung plant, die Wehrpflicht mit einem Losverfahren zu reaktivieren. (Quelle: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)
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Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält die Wehrpflichtpläne der Bundesregierung für naiv. Sie fordert statt eines Losverfahrens eine Professionalisierung der Bundeswehr.

Die Bundesregierung ist sich beim Thema Wehrdienst uneins und will nun ernsthaft losen, wer dienen soll. Das ist nicht nur verantwortungslos, sondern hat mit Wehrgerechtigkeit überhaupt nichts zu tun. Die Verteidigung Deutschlands und Europas ist kein Glücksspiel. Wer die Sicherheit unseres Landes dem Zufall überlassen will, beweist, dass die größten Nieten im Topf derzeit in der Bundesregierung sitzen.

Die russischen Angriffe auf die Ukraine zeigen, dass Deutschland sich verteidigen können muss. Das zeigen nicht nur die Angriffe auf die Ukraine selbst, die auch unsere Sicherheit bedrohen, sondern auch die steten Verletzungen des europäischen Luftraums durch russische Kampfflugzeuge und neuerdings auch Drohnen. Putin testet zunehmend die Widerstandsfähigkeit Europas und der Nato. Eine Armee allerdings, wie die Bundeswehr, die nur quantitativ wachsen möchte, aber nicht qualitativ, die groß sein will und von allem etwas, aber nichts wirklich gut kann, handelt auch den Soldatinnen und Soldaten gegenüber unverantwortlich.

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(Quelle: IMAGO/RAINER UNKEL/imago)

Zur Person

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Jahrgang 1958) sitzt für die FDP im Europaparlament und ist dort Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung. Sie ist zudem Mitglied des FDP-Präsidiums. Bevor sie 2024 ins Europaparlament wechselte, war sie Bundestagsabgeordnete und saß dem Verteidigungsausschuss vor.

Wir brauchen eine radikale Professionalisierung unserer Bundeswehr.

Es wirkt darüber hinaus gut gemeint, aber auch naiv, ausschließlich mit Imagekampagnen und Angebotsoffensiven mehr Rekrutinnen und Rekruten gewinnen zu wollen, insbesondere, wenn die Angebote in der Realität nicht gelebt werden und die "Karrierecenter" nicht mehr sind als umetikettierte Kreiswehrersatzämter, die immer noch den Geist der 60er-Jahre atmen und auch freiwillig sich Bewerbenden mit entsprechend überholten Angeboten begegnen.

Während die Bundeswehr bereits heute ihre selbst gesteckte Sollstärke (201.000) nicht erreicht, erwartet die Nato – die für den Fall des Eintritts des Bündnisfalls nach Artikel 5 einen entsprechenden Plan für jedes Nato-Mitglied vorhält – von Deutschland deutlich mehr Soldatinnen und Soldaten – nicht nur theoretisch.

Die Wehrpflicht ist nicht mehr machbar

Die Wehrpflicht der früheren Jahre, ausgesetzt zum 1. Juli 2011, ist ein Relikt der "guten alten Zeit" und heute aus vielen Gründen nicht mehr machbar. Das fängt an bei fehlenden Kasernen, fehlenden Ausbildern und fehlendem Material. Hinzu kommt, dass die CDU/CSU dazu neigt, die alte Wehrpflicht zu glorifizieren.

Dazu nur eine Anmerkung: Vor zwei Tagen hat Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Interview auf der Podcast-Bühne von The Pioneer geradezu exemplarisch für die CDU/CSU verlauten lassen, dass er als "junger Schnösel in die Bundeswehr einberufen worden sei und nach 15 Monaten als reifer junger Mann zurückgekommen sei". Schön für ihn – die Realität sah meist anders aus. Biografien beinhalten halt immer wieder wunderbare Märchenstunden.

Soldatinnen und Soldaten heute in den Kampf zu schicken, erfordert eine intensive Ausbildung, um den militärisch äußerst komplexen Herausforderungen zu Land, zur See, in der Luft und im Cyberraum gerecht zu werden. Soldaten sind heute konfrontiert mit dem modernen Gefecht, bestehend aus Häuser- und Grabenkämpfen, kombinierten Operationen mit Artillerie, Drohnen und Luftaufklärung sowie hybriden Angriffen. Heute muss daher wieder gelten: "Tiefe vor Breite." Auf ein solches hochkomplexes Schlachtfeld schickt man keine Soldatinnen und Soldaten, die gerade einmal sechs Monate ausgebildet werden. Ebenso wenig greift man ausschließlich zurück auf Reservisten, von denen die Bundeswehr nicht einmal weiß, wo sie sich aufhalten – geschweige denn, ob sie ihre Ausbildung irgendwann einmal gemacht haben und gegebenenfalls einmal im Monat üben.


Anführungszeichen

Die CDU/CSU neigt dazu, die alte Wehrpflicht zu glorifizieren


Marie-Agnes Strack-Zimmermann


Die Realität verlangt aber Antworten. Die FDP macht angesichts der Herausforderungen den Unterschied, denn

  • die CSU/CDU rennt dem Traum der Wehrpflicht der 70er-/80er-Jahre nach und
  • die SPD setzt auf Fragebögen und jetzt auf ein Losverfahren. Weniger ernst kann man das Thema Verteidigung Deutschlands und Europas wirklich nicht nehmen (Matthias Miersch in n-tv am 13.10.2025).

FDP-Vorschlag: Ein modernes "Kontingent-Modell 25+"

Erforderlich ist ein Kontingent von circa 25.000 Soldaten pro Jahr, um den Aufwuchs der Truppe kontinuierlich zu gewährleisten und entsprechend zu professionalisieren.

Ende 2024 lebten in Deutschland 2,4 Millionen junge Menschen im Alter von 18 bis 20 Jahren. Über den Daumen: Die Hälfte davon sind Frauen. Gehen wir bei der folgenden Berechnung von rund 400.000 jungen Männern im Alter von 18 Jahren aus. Diese werden ab sofort alle erfasst.

Davon ausgehend, dass 50.000 davon keinen deutschen Pass haben beziehungsweise 100.000 aus medizinischen oder anderen Gründen ausfallen, verbleiben etwa 250.000 junge Männer.

Ab dem 1. Januar 2026 (bzw. 1. Juli 2026) werden diese 250.000 Männer – optional erweitert auf 19- bis 20-Jährige – gemustert, einzeln beim Arzt oder in Reihe an Schulen und Ausbildungseinrichtungen.

Ein Aufbau der alten Kreiswehrersatzämter ist dafür nicht erforderlich.

Parallel zur Musterung stellt sich die Bundeswehr vor und erklärt die Möglichkeiten (Ausbildungen, Angebote etc.) und spricht motivierte Männer konkret an, die erfolgreich die Musterung abschließen. Ihnen bietet sie – sollten sie sich verpflichten – ein "Mehr" an: etwa eine weiterlaufende Bezahlung über einige Monate nach dem Dienst, ein Stipendium oder Ähnliches.

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Zurzeit ist das Interesse an der Bundeswehr hoch, die Nachfrage ist gestiegen. Aber die Bundeswehr reagiert angesichts der Lage nach wie vor zu langsam.

Auch Frauen müssten gemustert werden

Zehn Prozent der Gemusterten sind realistisch über Freiwilligkeit zu erreichen – und diese werden dann verpflichtet. Ein Aufwuchs von 25.000 Soldaten ist damit erreichbar.

Darüber hinaus wäre es auch nicht nur im Sinne der Gerechtigkeit richtig, dass auch 18-jährige Frauen gemustert würden. Die CDU/CSU und die SPD sind nicht in der Lage, eine entsprechende Grundgesetzänderung hinzubekommen – und bemühen sich offensichtlich auch nicht darum.

Die AfD sieht die Frau in der Küche oder im Kreißsaal, aber nicht an der Waffe – und liegt bereits jetzt mit dem besonders rechtsextremen Flügel um Björn Höcke über Kreuz. Der macht bereits AfD-intern Stimmung gegen die Wehrpflicht, da sie aus seiner Sicht für die "falschen Kriege" eingesetzt werden soll (sprich: alles, was über die Verteidigung der deutschen Grenze durch den deutschen Mann hinausgeht. Und gegen Russland soll man sich sowieso nicht verteidigen).

Die Linke sieht die Frauen vermutlich auf den Barrikaden – aber weder in der Küche noch bei der Bundeswehr.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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