AfD-Debatte in der CDU Plötzlich hat er noch ein großes Problem

Muss die Brandmauer weg? Darüber wird in der CDU mal wieder diskutiert. Die Debatte bringt die Parteispitze in Schwierigkeit.
Eigentlich hatte sich die Parteispitze das alles ein wenig anders gedacht. Für diesen Sonntag hat die CDU ihr Präsidium zur Klausur eingeladen. Es ist das Führungsgremium der Partei, in dem auch Landespolitiker vertreten sind, Ministerpräsidenten und solche, die es gerne werden wollen.
Es sollte um die Vorbereitung der Landtagswahlen 2026 gehen. Gleich fünf Stück stehen an: Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Frühjahr, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin im Herbst. Wie schafft es die CDU, in der Fläche präsent zu sein, auch im Osten? Was braucht es dafür von der Parteizentrale? Um solche Fragen sollte es vor allem gehen.
Doch jetzt steht eine andere Frage im Mittelpunkt, zumindest öffentlich. Eine Frage, über die die Parteispitze eigentlich gar nicht reden will, zumindest nicht auf diese Weise. Sie lautet: Muss die Brandmauer zur AfD fallen?
Zwei Ehemalige treten Debatte los
Anfang der Woche waren es nur zwei Ehemalige, die im "Stern" über ein Ende der Brandmauer philosophiert haben. Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Peter Tauber, der zu Merkels Zeiten fünf Jahre CDU-Generalsekretär war.
Tauber schlug vor, die Brandmauer zur AfD durch eine "Politik der roten Linien" zu ersetzen. "Die derzeitige Stigmatisierung hilft der AfD nur noch", sagte er. Tauber will der Union eine sachpolitische Zusammenarbeit mit der AfD erlauben. Für die man dann immer wieder eine rote Linie ziehen kann, die es seinen Vorstellungen nach aber "auch erlaubt, Beschlüsse zu fassen, denen die AfD zustimmt".
In der CDU taten das einige zunächst als Einzelmeinung zweier Ex-Politiker ab, die nichts mehr zu sagen haben. Doch ganz so ist es eben nicht. Gerade in Ostdeutschland, wo die Berührungsängste mit der AfD durch ihre alltägliche Präsenz geringer sind und wo sie zumindest in Umfragen gerade überall die stärkste Partei ist, nehmen die Fliehkräfte in der CDU seit Jahren zu. Das wissen sie auch in Berlin.
Und so meldeten sich am Freitag dann auch zwei wichtige Landespolitiker in der "Bild" zu Wort. "Die CDU muss jenseits von allen Brandmauerdebatten ihre eigene Position finden und dann auch konsequent umsetzen", sagte Sachsens CDU-Fraktionschef Christian Hartmann. Und sein Amtskollege aus Thüringen, Andreas Bühl, sagte: "Wenn ein Gesetz, das aus sachlichen Erwägungen und nach demokratischer Deliberation für richtig befunden wurde, auch Zustimmung von den politischen Rändern findet, ist das kein Grund zur Revision."
Warum es eben doch um die Brandmauer geht
Andreas Bühl aus Thüringen beschwerte sich anschließend zwar darüber, dass die "Bild" seine Aussage unter der Überschrift "Die Brandmauer zur AfD muss fallen!" zusammengefasst hat. Das habe er nicht gefordert, sagte er. Doch von einer Zusammenarbeit in der Sache bei Abstimmungen ist es in der politischen Realität eben nicht weit bis zu einer schlichten Zusammenarbeit.
Das zeigt sich schnell, wenn man zu Ende denkt, was gemeinsame Abstimmungen mit der AfD in Parlamenten in der Konsequenz bedeuten würden. Koalitionsregierungen basieren in Deutschland auf dem Versprechen, dass Koalitionspartner ausschließlich gemeinsam Gesetze beschließen. Hat eine Koalition eine eigene, stabile Mehrheit, stellt sich die Frage einer Abstimmung mit der AfD also gar nicht. Und mit ihr koalieren will bislang niemand von Gewicht in der CDU, zumindest spricht es niemand aus.
Die Frage, ob die CDU ein Gesetz zusammen mit der AfD beschließen soll, stellt sich deshalb nur, wenn die CDU mit anderen Parteien keine eigene Mehrheit für eine Regierung ohne die AfD zustande bekommt. Bislang ist die Folge dann eine Minderheitsregierung, also eine Regierung, die nicht genug eigene Stimmen im Parlament hat, um ihre Gesetze ohne die Hilfe von Oppositionsparteien zu beschließen.
In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern könnte eine Minderheitsregierung wegen der Stärke der AfD nächstes Jahr der einzige Weg werden, in Sachsen und Thüringen ist sie schon Realität. Dort behilft man sich gerade mit einem "Konsultationsverfahren". Alle Parteien bekommen die Gesetzentwürfe der Regierung vorab im Parlament, um Änderungswünsche formulieren zu können. Am Ende achten die Koalitionen dann aber darauf, dass ihre Gesetze auch ohne Stimmen der AfD in den Landtagen eine Mehrheit bekommen.
Das ist schon jetzt heikel für die CDU, weil es bedeutet, dass sie in Sachsen mit dem BSW regiert und in Thüringen in Verhandlungen Zugeständnisse an die Linke machen muss, um ausreichend Stimmen zu bekommen. Der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU schließt "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" aber auch für die Linke aus, nicht nur für die AfD.
CDU würde sich abhängig machen von der AfD
Doch es gibt zwei Unterschiede zu einer Zusammenarbeit mit der AfD. Inhaltlich ist es die Frage, ob die CDU mit einer Partei zusammenarbeiten will, die der Verfassungsschutz mittlerweile bundesweit als "gesichert rechtsextrem" einstuft, auch wenn er das wegen eines laufenden Rechtsstreits gerade nicht mehr offen sagen darf.
Der zweite Unterschied ist, dass sich die CDU wohl allein von der AfD abhängig machen würde, wenn sie jetzt als Minderheits(allein)regierung für Gesetzesvorhaben auf Stimmen der AfD setzen würde. Denn SPD, Grüne und Linke schließen bislang kategorisch aus, mit einer CDU zu kooperieren, die Gesetze mit der AfD beschließt.
Wer offene Abstimmungen mit der AfD über Gesetzentwürfe fordert, öffnet deshalb in der derzeitigen politischen Landschaft die Tür für eine CDU-Regierung, die ihre Vorhaben ausschließlich mit der AfD umsetzen kann. Einige in der CDU wollen das durchaus genau so, besonders im Osten. Viele in der CDU wollen es aber auch unbedingt verhindern, weil sie ernst nehmen, was die AfD sagt: dass sie die CDU nämlich in die Selbstzerstörung treiben will.
CDU-Sozialflügel: AfD will Haus abreißen, das wir renovieren
Es gibt deshalb auch deutlichen Widerspruch in der aktuellen Debatte, bislang vor allem vom linken Flügel, obwohl es auch Konservative in der CDU gibt, die eine Öffnung zur AfD sehr falsch finden. Nur schweigen viele von ihnen gerade öffentlich.
Der Chef des CDU-Sozialflügels CDA, Dennis Radtke, spricht sich immer wieder vehement dagegen aus. "Mit der AfD zu kooperieren, ist wie mit jemandem ein Haus renovieren zu wollen, der es eigentlich abreißen will", sagte Radtke t-online. "Während wir nach Lösungen suchen, um das Dach zu reparieren und die Heizung zu modernisieren, steht die AfD schon mit dem Vorschlaghammer vor der Tür." Wer wirklich am Land arbeiten wolle, der brauche Partner, keine Brandstifter. "Die AfD steht allem entgegen, was CDU-DNA ausmacht. Deshalb ist und bleibt eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen."
Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther sagte dem "Stern": "Wir haben eine klare Haltung gegenüber der AfD, an der wird sich nichts ändern." Wer CDU und AfD in einem Atemzug nenne, habe nicht verstanden, was bürgerlich heiße. Bundesbildungsministerin Karin Prien sagte: Die AfD sei "zumindest in Teilen – und zwar zunehmend – rechtsextremistisch". Bürgerliche Mehrheiten gebe es mit ihr in den Parlamenten nicht.
Auch aus Bayern kommt Widerspruch. "Die CSU schließt jede Kooperation mit der AfD aus. Eine Zusammenarbeit mit der AfD würde Deutschland schaden und die Union zerstören", sagte Generalsekretär Martin Huber der Deutschen Presse-Agentur.
Merz: Keine Zusammenarbeit, aber neue Linie
Als prominentester Gegner jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD gilt in der CDU aber Parteichef und Bundeskanzler Friedrich Merz. Merz spricht sich sowohl intern als auch öffentlich immer wieder gegen jegliche Zusammenarbeit aus. Viele entschiedene AfD-Gegner in der CDU nehmen ihm ab, dass er das ernst meint.
Und das, obwohl Merz es war, der vor der Wahl einen Migrationsantrag mit der AfD im Bundestag hat beschließen lassen. Eine Episode, die inzwischen in weiten Teilen der CDU als Fehler gilt, weil sie den politischen Rändern genutzt habe, vor allem der Linken.
Gleichwohl will Merz etwas im Umgang mit der AfD verändern. Darüber soll auch auf der Präsidiumsklausur am Sonntag diskutiert werden. Man müsse sich "mit der AfD auch inhaltlich sehr viel stärker auseinandersetzen", sagte er zuletzt mehrfach. Zum Beispiel mit deutlicheren Warnungen: "Was droht unserem Land, wenn die AfD stärker wird oder möglicherweise sogar in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt den Ministerpräsidenten stellt?"
Was seine neue Linie darüber hinaus bedeuten soll, bleibt allerdings bisher undeutlich. Zugleich werfen ihm SPD, Grüne und Linke vor, selbst zu oft Positionen und Rhetorik der AfD zu übernehmen. Und ihr damit zu helfen, weil ihre Themen ständig präsent seien, ihre Anliegen berechtigt wirkten – und die Leute dann trotzdem lieber das Original AfD wählten, weil die ihnen, anders als die CDU, alles versprechen könne, ohne es einlösen zu müssen.
"Gute Politik" als Lösung – und ein bisschen Merkel?
Wer sich in der CDU umhört, der bekommt als Antwort auf die Frage, wie die AfD kleinzukriegen sei, meist zwei Wörter als Antwort: "Gute Politik". Die CDU müsse jetzt gut regieren, dann werde die AfD auch wieder kleiner.
Wie das genau ablaufen könnte, darüber sprechen klügere CDU-Politiker bislang aber nur hinter vorgehaltener Hand. Sie wissen, dass es schwer wird, AfD-Wähler für die CDU zurückzugewinnen.
Einige glauben deshalb, das Ziel könne erst mal nur sein, das Wachstum der AfD zu stoppen. Indem man "gut" regiere, was aber auch heißen müsse: möglichst geräuschlos, einige sagen: langweilig. Und zwar, damit AfD-Wähler irgendwann nicht mehr wütend genug sind, überhaupt zur Wahl zu gehen. Asymmetrische Demobilisierung nennt die Politikwissenschaft das. Erst der nächste Schritt könne bei den meisten Ex-AfD-Wählern dann sein, zu versuchen, sie für die CDU zu gewinnen.
Ein bisschen mehr Merkel wagen, zumindest was den einschläfernden Regierungsstil angeht. So könnte man diese Strategie nennen, obwohl die Idee gar nicht von ihren klassischen Anhängern stammt. Nur passt das zusammen mit der stärkeren inhaltlichen Auseinandersetzung, wie sie Merz vorschwebt? Oder geht nur eines von beiden? All das wird eine Herausforderung bleiben. Nicht nur, aber besonders, für Friedrich Merz.
- Eigene Recherchen
- stern.de: Wie die CDU hinter den Kulissen an einem neuen AfD-Kurs arbeitet (kostenpflichtig)
- bild.de: "Die Brandmauer zur AfD muss fallen!" (kostenpflichtig)











