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Stadtbild-Aussage: Hat Merz ein Rassismus-Problem?


Stadtbild-Aussage des Kanzlers
Das ist die Beschreibung der Wirklichkeit


17.10.2025Lesedauer: 1 Min.
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Im Video: Die umstrittene Stadtbild-Aussage von Kanzler Friedrich Merz. (Quelle: t-online)
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Friedrich Merz polarisiert: Im Kontext der Migrationsdebatte bemängelt der Kanzler ein Problem im Stadtbild, das er mit Rückführungen beheben möchte. War das rassistisch?

Eine Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz zur Migration hat eine hitzige Debatte ausgelöst. Der Kanzler war bei einem Termin in Potsdam am Dienstag von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Merz sagte daraufhin unter anderem, dass seine Regierung frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und dabei Fortschritte mache. "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen."

Linke und Grüne kritisierten den CDU-Vorsitzenden daraufhin und forderten eine Entschuldigung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer stellte sich dagegen hinter seinen Parteifreund. Im "Spitzengespräch" des "Spiegel" sagte Kretschmer, es gehe nicht um Zuwanderung an sich, sondern um die Einhaltung gemeinsamer Werte. Die Debatte erinnert an frühere Kontroversen nach umstrittenen Merz-Äußerungen. Diskutiert wird nun die Frage:

War diese Aussage von Kanzler Friedrich Merz rassistisch?

Pro
Nilofar BreuerRedakteurin Politik und Wirtschaft

Ja, der Kanzler hat ein Rassismusproblem

Wenn Menschen wegen ihres Erscheinungsbildes oder ihrer Herkunft diskriminiert werden, ist das Rassismus. So lautet die Definition. Und genau das hat der Kanzler mit seiner Äußerung getan.

Merz stellt jene Menschen als Problem im Stadtbild dar, die nicht deutsch aussehen. Dass er dieses sogenannte Problem mit Rückführungen beheben will, macht es noch schlimmer. Denn damit setzt er illegale Einwanderer, die abgeschoben werden sollen, mit allen anderen Menschen mit Migrationserfahrung oder -hintergrund gleich. Niemand kann einem Menschen aufgrund seines Aussehens ansehen, ob er sich illegal in Deutschland aufhält – auch der Kanzler nicht.

Dass Merz ein Rassismusproblem hat, zeigt zudem die Häufigkeit seiner Entgleisungen. Prominente Beispiele aus der Vergangenheit sind zum einen seine Äußerung zu "kleinen Paschas", als er Söhne von Migranten pauschal als verwöhnt und verzogen abkanzelte. Zum anderen machte er mit seiner Aussage "nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland" deutlich, dass seine Wunschvorstellung für die deutsche Gesellschaft eine homogene Bevölkerung ist. Doch damit blendet er völlig aus, dass Menschen anderer Kulturen und Länder längst Teil dieser Gesellschaft sind. Und auch, dass Deutschland längst auf sie angewiesen ist.

Auch wegen des derzeitigen Erstarkens der AfD ist eine solche Aussage des Kanzlers mehr als bedenklich, denn damit stärkt er das Narrativ rechtsextremer Kräfte. Ohnehin ist Rassismus in Deutschland so gegenwärtig wie lange nicht mehr: Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung zeigt, dass gut die Hälfte aller Menschen in Deutschland, die sich ethnischen oder religiösen Minderheiten zugehörig fühlen, regelmäßig rassistische Diskriminierung erlebt. Dass ein Kanzler in der Migrationsdebatte nicht differenziert, sondern eine ganze Bevölkerungsgruppe aufgrund ihres Aussehens pauschal diskriminiert, ist brandgefährlich.

Kontra
Christoph SchwennickeBereichsleiter Exklusiv

Nein, das ist kein Rassismus

Was Friedrich Merz da gesagt hat, ist kein Rassismus, sondern eine zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit. Kein Mensch, der mit offenen Augen über die Bahnhöfe und öffentlichen Plätze dieses Landes geht, kann bestreiten, dass sich das Stadtbild seit 2015 verändert hat. Es hängen viele junge migrantische Männer dort ab. Wenn man in manchen Städten Nordrhein-Westfalens aussteigt, sieht man fast keine Menschen mehr, die langjährig einheimisch aussehen – und deutsche Sprachfetzen bilden an diesen Orten die Ausnahme. Das alles ist überhaupt nicht zu bestreiten. Manche Parks, wie der "Görli" in Berlin, sollen deshalb – gewissermaßen wegen Überfüllung – inzwischen nachts geschlossen werden. Und ebenso wenig kann man bestreiten, dass sich viele Menschen infolgedessen fremd im eigenen Land fühlen.

Zu bestreiten ist aber, ob man als deutscher Bundeskanzler so eine Bemerkung wie im Vorbeigehen hinschnoddern sollte. Und dann auch noch verbunden mit dem Hinweis, dass sich dieses Stadtbild im Zuge der verstärkten Abschiebebemühungen des Bundesinnenministers ändern werde.

Es ist gut möglich bis hoch wahrscheinlich, dass sich unter den jungen Männern an Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen viele ohne validen Aufenthaltstitel befinden. Aber selbst wenn der neue Innenminister mehr von ihnen in ihre Heimatländer abschiebt, wird sich an dem, was Merz das Stadtbild nennt, nichts ändern.

Im Gegenteil. Es ist eine statistisch belegte Tatsache, dass Familien mit islamisch-migrantischem Hintergrund deutlich mehr Kinder bekommen als der deutschstämmige Teil der Bevölkerung. Daher hatte eine bekannte grüne Spitzenpolitikerin vor zehn Jahren völlig recht, als sie voraussagte, dass Deutschland im Zuge der Migration, einschließlich jener vor 2015, aber dadurch verstärkt, ein anderes Land werden würde. Und ganz egal, ob man sich darüber nun freut wie Kathrin Göring-Eckardt, oder ob man es sich anders wünschte. Es ist jetzt so, und das Stadtbild, das ganze Land, wird sich weiter in diese Richtung entwickeln. Völlig unabhängig vom Rückführungsprogramm des Innenministers. Der Merz-Satz ist insofern nicht rassistisch. Sondern fahrlässig falsch. Weil er etwas in Aussicht stellt, das gar nicht einzulösen sein wird.

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