Nachdem der Streit zwischen CSU und CDU um Angela Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik für immer tiefere Gräben gesorgt hat, attestiert CSU-Chef Horst Seehofer der Bundesregierung nun eine Kehrtwende in wichtigen Streitpunkten. "Es ist ganz schleichend zu einer Abkehr von der bedingungslosen Willkommenskultur gekommen", sagte er der "Bild am Sonntag" - und sieht sich dadurch in seiner Kritik bestätigt.
Die Regierung in Berlin habe ihr Vorgehen in der Flüchtlingskrise "komplett geändert, auch wenn sie das nicht zugibt". Gleichwohl bekräftigte Bayerns Ministerpräsident seine Forderung nach nationalen Maßnahmen.
Seehofer hält an Obergrenze fest
"Alle Länder mit Ausnahme von Deutschland praktizieren inzwischen eine Politik der Obergrenze. Das Ergebnis ist der Rückgang der Flüchtlingszahlen", sagte er. Es sei nicht das Verdienst der Bundesregierung, dass die von ihm selbst ins Spiel gebrachte Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen in diesem Jahr wahrscheinlich nicht erreicht werde. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel lehnt eine solche Maximalvorgabe ab und setzt auf eine europäische Lösung. Derweil sieht sich Seehofer in seiner Obergrenzen-Forderung bestätigt: "Da sehen Sie mal: Meine Obergrenze war richtig und realistisch definiert."
Zur Reduzierung des Flüchtlingszustroms hat die EU am Freitag ein Abkommen mit der Türkei vereinbart. Dieses ist nach Worten Seehofers "kein Durchbruch, sondern ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen europäischen Lösung". Der CSU-Chef forderte, dass der Pakt vom Bundestag abgesegnet wird. Auch über die Flüchtlingspolitik Deutschlands müsse abgestimmt werden.
"Streit um des Streites Willen beenden"
Der Konflikt zwischen CDU und CSU über dieses Thema hat sich zuletzt deutlich verschärft. So forderte etwa der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich (CSU) den "Merkel-Flügel" der CDU auf, sich ins "rot-grüne Team" zu verabschieden.
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Christian Schmidt mahnte nun Mäßigung an. "Der Streit um des Streites willen muss beendet werden", sagte der Bundeslandwirtschaftsminister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die unterschiedlichen Positionen in der Flüchtlingspolitik lassen sich leichter zusammenführen, als manche das glauben."
CSU: Auch innerparteilich nicht alles im Reinen
Die künftige Führung der CSU ist Seehofer zufolge derzeit völlig offen. Sein ursprünglich für 2018 geplanter Rückzug von der Parteispitze liege derzeit wie alle Personalfragen auf Eis. "Es reicht, wenn wir das frühestens nächstes Jahr wieder auftauen", sagte Seehofer. Mehrere Medien hatten jüngst berichtet, der CSU-Chef wolle mit einer erneuten Kandidatur verhindern, dass der bayerische Finanzminister Markus Söder sein Nachfolger werde.