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Einigung im Streit um Maaßen | Die SPD hat Rückgrat gezeigt


Einigung im Streit um Maaßen
Die SPD hat Rückgrat gezeigt

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 24.09.2018Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Innenminister Seehofer und SPD-Chefin Nahles bei der Sitzung zur politischen Zukunft Maaßens.Vergrößern des Bildes
Innenminister Seehofer und SPD-Chefin Nahles bei der Sitzung zur politischen Zukunft Maaßens. (Quelle: Fabrizio Bensch/reuters)

Hans-Georg Maaßen musste seinen Posten räumen. Das war richtig. Und es ist gerade die jetzt so gescholtene SPD, die standhaft geblieben ist, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor.

Die Ablösung von Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zeigt zweierlei.

Erstens: Mit der SPD ist endlich mal wieder eine Partei für eine Überzeugung eingetreten und war dabei bereit, ein gehöriges Risiko einzugehen – den Bruch der Koalition mit der Union. Das ist vor allem ein Verdienst von Parteichefin Andrea Nahles, die sich in der Causa Maaßen zügig positioniert und dann Rückgrat gezeigt hat. "Herr Maaßen muss gehen, und ich sage euch, er wird gehen!“, hatte sie am Wochenende gerufen. Das war mit einem gewissen Risiko verbunden. Wäre sie an CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer gescheitert, hätte das leicht ihren Niedergang an der Spitze von Partei und Fraktion auslösen können. Manchmal müssen Politikerinnen und Politiker aber ein Risiko eingehen, wenn sie von einer Sache überzeugt sind.

Die SPD-Führung um Nahles war überzeugt und hat Einigkeit bewiesen. Diese klare Haltung ist selbstverständlich auch parteistrategisch wichtig. Sie ist ein lautes Hallo in Richtung Wähler: "Seht her, wir stehen konkret für etwas ein!“ Der Parteispitze war es dieses Mal egal, was die angeblich "besorgten Bürger“ am rechten Rand denken. Sie hat nicht herumlaviert, verkrampft versucht, auch deren Haltung noch einzubeziehen. So wurden die Sozialdemokraten deutlich unterscheidbar von der Union – in der es zwar ebenfalls kritische Stimmen gegenüber Maaßen gab, aber eben auch viele Verteidiger.

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Doch ausgerechnet inmitten einer der schlimmsten rechtsradikalen Ausschreitungen auf deutschen Straßen seit längerer Zeit selbige zu relativieren und das auch noch als oberster Kämpfer gegen inländischen Extremismus, das geht gar nicht, wie die Bundeskanzlerin sagen würde. Maaßen und auch seine Behörde leben vom Vertrauen der Bürger. Und zwar aller Bürger. Wenn dieses Vertrauen derart schwindet, muss man intervenieren. Der Wechsel an der Spitze der Bundesamtes für Verfassungsschutz ist somit vollkommen richtig.

Ins Rollen gebracht hatte diesen Stein übriges Kevin Kühnert, der lautstarke und manchmal voreilig belächelte Juso-Chef. Er war der erste, der kurz nach Maaßens skandalösem Interview per Twitter die Marschroute seiner Partei eingeschlagen hatte: "Was für krasse Zeiten“, schrieb er auf Twitter. "Maaßen unterstellt, Jagdszenen-Video aus Chemnitz sei Fake, um von der Tötung eines Menschen abzulenken! Zwei Optionen: Nächste Woche Beweise gegenüber dem Parlament oder er nimmt seinen Aluhut und geht.“

Wichtiges Zeichen gegen Rechtsradikalismus

Maaßens Versetzung zeigt zweitens: Endlich wird auch auf administrativer Ebene ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen Rechtsradikalismus gesetzt. Die Bevölkerung kann sehen: Neben den Haftstrafen für "Hitlergrüßer" aus Chemnitz gibt es selbst für die obersten Behördenvertreter Grenzen, wenn der Verdacht aufkommt, sie verharmlosten den Rechtsradikalismus.

Das sollte eine Lehre für Nachfolger und Kollegen sein:

  • Wer als Verfassungsschutzchef, dessen Behörde (und dazu zählen in der Wahrnehmung der meisten Bürger auch die Landesämter für Verfassungsschutz) über Jahre bei der Aufklärung der Taten der rechten Terrorzelle NSU auf so dramatische Weise versagt hat…
  • wer als Amtsperson gerade selbst in der Kritik steht, zu eng mit einer Partei - hier der AfD - zu operieren…
  • wer einer Sicherheitsbehörde vorsteht, der immer wieder vorgeworfen wird, auf dem rechten Auge blind zu sein…

...wer ausgerechnet vor solchen Hintergründen gänzlich unbelegte Behauptungen tätigt, die schützend für einen Mob wirken, der hat offenkundig entweder Sympathien für diese Szene. Oder er verfolgt eine eigene Agenda. Oder er hat seinen Kompass als Behördenchef verloren.

Deshalb konnte hier nur eine Ablösung infrage kommen. Die rechtsradikalen Umtriebe in Chemnitz zeigten sich ja nicht nur in dem kurzen Video, wie es manche Leute darstellen. Sondern auch in dem Angriff auf das jüdische Restaurant "Schalom", in den Attacken auf mehrere Journalisten, den "Hitlergrüßen" und dem Angriff auf eine Marburger SPD-Gruppe.


Die aufmerksame Beobachtung zum Schutze der Demokratie schließt die Institutionen ein. Wer in Zukunft in einem freien Deutschland leben will, das die Rechte seiner Bürger nicht an deren sexueller Orientierung, an den Nuancen ihres Teints, an der Art zu beten oder ähnlichem bemisst, der muss sich dafür engagieren: im Netz, auf der Straße und in der öffentlichen Kontrolle von Behörden. Auch deren Gebaren darf sich dem kritischen Blick der Bürger nicht entziehen. Denn wir sind das Volk, wir in der Mitte der Gesellschaft. Nicht jene Rechten, deren ideologische Vorfahren dieses Land schon einmal in den Abgrund geführt haben.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnisten auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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