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Die Grünen als Umfragekönige: Die Angst vor der Wahrheit am Wahltag


Die Umfragekönige
Die Angst der Grünen vor der Wahrheit am Wahltag

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 02.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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Annalena Baerbock und Robert Habeck: Kurs aufs Kanzleramt?Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock und Robert Habeck: Kurs aufs Kanzleramt? (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)

Die Grünen liegen in Umfragen nur noch knapp hinter der Union. Doch in der Partei gibt es eine Sorge: Am Wahltag bleiben die Ergebnisse meistens hinter den Erwartungen zurück. Ist es dieses Mal wirklich anders?

Sie oder er? Es ist gerade eine der meistdiskutierten Fragen, wenn es um die Grünen geht. Wird Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin – oder Robert Habeck Kanzlerkandidat?

Beim Blick in die aktuellen Umfragen erscheint es logisch, diese Frage zu stellen. Da finden sich nämlich eine abstürzende Union bei 26 bis 28 Prozent, eine bei um die 15 Prozent festbetonierte SPD – und die Grünen bei bis zu 23 Prozent. Das Kanzleramt? Könnte durchaus drin sein. Und damit scheint das Selbstbewusstsein der Grünen gerechtfertigt, überhaupt erstmals ernsthaft diesen Anspruch zu erheben.

Das Problem ist allerdings, dass es nicht das erste Mal ist, dass die Grünen in Umfragen bundesweit deutlich über 20 Prozent liegen. Bisher war ihr bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl dann jedoch: 10,7 Prozent.

Man könnte sagen: Am besten waren die Grünen immer dann, wenn gerade nicht gewählt wurde. Wiederholt sich diese Geschichte in diesem Jahr?

"Wir sind schon immer Umfragekönige gewesen"

Das Muster gleicht sich auffällig, auch wenn die Gründe immer andere waren: Wer sich die bundesweiten Zustimmungswerte der Grünen im Zeitverlauf anschaut, sieht ein Auf und Ab, das am Datum der Wahlen recht zuverlässig nahe dem Tiefpunkt anlangt.

"Wir sind schon immer Umfragekönige gewesen", sagte der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin mal in einer Talkshow, als sich die Grünen Ende 2018 wieder in einem Umfragehoch befanden. Wohl auch, um ein bisschen den Erwartungsdruck zu dämpfen.

Trittin wusste, wovon er sprach.

Im Herbst 2013 trat er mit Katrin Göring-Eckardt selbst als Spitzenkandidatenduo bei der Bundestagswahl an. Im Jahr 2011 hatten die Grünen nach der Atomkatastrophe von Fukushima bei rund 25 Prozent gelegen. Die ersten Kommentatoren sahen sie auf dem Weg zur Volkspartei. Die Grünen waren so stark wie nie – in den Umfragen. Selbst am Anfang des Wahljahres, im März 2013, wurden sie noch mit rund 17 Prozent gehandelt.

Doch am Wahltag Ende September folgte die Enttäuschung: nur 8,4 Prozent.

Und damit sogar weniger als bei der Wahl vier Jahre zuvor. Damals, im September 2009, waren die Grünen zum ersten und bislang einzigen Mal bei einer Bundestagswahl zweistellig geworden, wenn auch knapp mit 10,7 Prozent.

Auch 2009 schien schon mehr drin gewesen zu sein. Umfragen vorher und nachher sahen die Grünen bei 12, 13 oder 14 Prozent. Die Spitzenkandidaten hießen damals Renate Künast – und ebenfalls Jürgen Trittin.

Weit entfernt von den Höchstwerten

"Macht Özdemir jetzt auf Kanzlerkandidat?", fragte die "Süddeutsche Zeitung" im Jahr 2016, als es um die Aufstellung für die Bundestagswahl 2017 ging. Die Grünen standen wieder recht gut da, teils bei 14 Prozent. Özdemir wurde nicht Kanzlerkandidat, aber Spitzenkandidat im Duo mit Katrin Göring-Eckardt.

Die Umfragewerte der Grünen wurden dann jedoch das ganze Wahljahr 2017 lang nicht mehr ernsthaft zweistellig, zumindest nicht vor der Wahl. Am Wahltag Ende September standen bei den Grünen 8,9 Prozent. Erst im Anschluss kletterten ihre Werte wieder.

Und auch in diesem Wahljahr sind die Grünen derzeit weit von ihren Höchstwerten entfernt. Im Sommer 2019 nämlich hatten sie die Union mit 26 Prozent in einigen Umfragen schon einmal knapp überholt. Ihre Wahlergebnisse auf Länderebene variieren zudem noch immer gewaltig: zwischen zuletzt 32,6 Prozent in Baden-Württemberg und 5,2 Prozent Ende 2019 in Thüringen.

Was also macht den Grünen Hoffnung, dass es bei der Bundestagswahl im Herbst besser läuft?

Grüne Hoffnung

Eine Wahl, die oft als Beispiel dafür genutzt wird, dass sich für die Grünen etwas verändert hat, ist die Europawahl 2019. Damals erreichten sie 20,5 Prozent – ihr bislang bestes Ergebnis bei bundesweiten Wahlen. Aber eben auch: bei einer Wahl des Europaparlaments und nicht des Bundestags.

Doch wer mit führenden Grünen spricht, der hört abseits einer thematisch breiten Aufstellung weitere Argumente:

1. Die Kernthemen der Grünen seien inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angelangt, heißt es etwa. Das Wichtigste: der Klimaschutz. Spätestens mit der heftigen Dürre 2018 sei vielen Deutschen klar geworden, dass die Klimakrise längst da sei und nicht irgendwann in ferner Zukunft wichtig werde. Bewegungen wie "Fridays for Future" hätten ihr Übriges dazugetan, um das Klimabewusstsein zu schärfen.

2. Die Grünen seien geschlossen wie nie, lautet ein weiteres Argument, die alten Flügelkämpfe zwischen Fundis und Realos zumindest weitgehend befriedet. Die Partei hat sich hinter ihren beliebten Vorsitzenden Baerbock und Habeck versammelt. Störgeräusche sind tatsächlich selten geworden. Und die Partei achtet peinlich genau darauf, bloß keinen Veggieday-Moment zu erzeugen wie vor der Wahl 2013, als die Forderung nach einem fleischlosen Tag in Kantinen von den politischen Gegnern als Vorlage genutzt wurde, die Grünen als Verbotspartei zu brandmarken.

3. Ihre Höchstwerte haben die Grünen während der Corona-Krise zwar nicht mehr erreicht, aber sie liegen trotzdem relativ konstant bei um die 20 Prozent. Und das, obwohl ihr Kernthema Klimaschutz gerade weit in den Hintergrund gerückt ist. Auch das werten die Grünen als positives Zeichen.

4. Durch die bislang anhaltende Schwäche der SPD setzen die Grünen darauf, dass sich der Wahlkampf zwischen der Union und den Grünen zuspitzt – was den beiden Hauptgegnern oft am Wahltag nützt. Grünen-Politiker werden gerade nicht müde zu betonen, dass es bei der Bundestagswahl um Schwarz gegen Grün gehe.

Franziska Brantner, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, sagt t-online: "Die derzeitige Ausgangslage ist eine völlig andere als in den bisherigen Wahlkämpfen." Nach einem Jahr "enttäuschendem Krisenmanagement" der Regierung trete die Kanzlerin nicht mehr an, ihre Partei werde von "Korruptionsskandalen schwer gebeutelt", und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz "ist wegen des Wirecard-Skandals im Untersuchungsausschuss".

Die Bürger wollten "einen Neuanfang, eine transparente Politik, in der man Probleme gemeinsam und nachhaltig angeht", sagt Brantner. "Dafür stehen wir Grüne."

Ob ihr Optimismus berechtigt ist? Das wird man wie so oft bei den Grünen wieder einmal erst am Abend des 26. Septembers sehen, wenn die Balkendiagramme mit den Wahlergebnissen in die Höhe wachsen. Und die Grünen entweder Umfragekönige bleiben – oder kurz vor der Krönung stehen.

Zumindest ein Test ging vor Kurzem daneben: Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz schaffte es die Partei nur auf rund 9 Prozent. Mehr als bei der vorherigen Wahl, aber eben wieder mal weniger als in den Umfragen. Denn da stand sie Wochen zuvor noch bei 15 Prozent.

Verwendete Quellen
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