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Finanzpolitik von Christian Lindner (FDP): Und was, wenn er doch recht hat?


FDP-Ideen zum Sparen
Und wenn er doch recht hat?


Aktualisiert am 28.06.2022Lesedauer: 5 Min.
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Finanzminister Lindner: Die FDP hat viele Ideen zum Sparen – welche sind umsetzbar?Vergrößern des Bildes
Finanzminister Lindner: Die FDP hat viele Ideen zum Sparen – welche sind umsetzbar? (Quelle: Mike Schmidt/imago-images-bilder)

Die FDP, angeführt von Finanzminister Lindner, will im kommenden Haushalt sehr viel sparen. Was davon ist realisierbar? Ein Überblick.

Es war gelb, es war 400 Seiten dick, es war die Standardantwort auf alle Fragen, die zur Finanzpolitik an die FDP gestellt wurden: das "liberale Sparbuch" von 2009, als die Partei in die Regierung eintrat. Die erste Version hatten FDP-Haushaltspolitiker schon Jahre zuvor geschrieben. Das "Sparbuch" listete sorgfältig auf, wo die Ausgaben des Staates zusammengestrichen werden könnten, von zehn Milliarden Euro war die Rede. Es war eine lange Liste. Doch dann wurde vieles davon – trotz FDP-Regierungsbeteiligung – nicht umgesetzt.

Zwölf Jahre später ist die FDP erneut in eine Bundesregierung eingetreten. Dieses Mal braucht die Partei kein gelbes Konvolut, sie hat ja Finanzminister Christian Lindner. Und der möchte, ähnlich wie damals, für den kommenden Haushalt des Jahres 2023 erneut reichlich Geld sparen. Nach dem Jahr 2022 mit diversen Ausgaben sollen im kommenden Jahr wieder weniger Schulden aufgenommen werden.

Lindner will den Haushalt Ende der Woche dem Kabinett vorlegen. Jedoch geht es, anders als 2009, nicht um zehn Milliarden Euro Einsparpotential, sondern um etwa 130 Milliarden. Gelingt das Kürzen nun, anders als 2009, im wesentlich größeren Stil?

In der FDP wimmelt es nur so von Ideen, wo der Rotstift in der Haushaltsaufstellung angesetzt werden könnte. Allerdings stoßen diese nicht immer auf Gegenliebe beim Koalitionspartner. Ein Überblick.

Die Schuldenbremse

Die große Überschrift über der Finanzpolitik der Liberalen ist das Wort "Schuldenbremse". Im nächsten Jahr soll diese wieder aktiviert werden, es ist eine Art oberes Limit für die Staatsverschuldung. Und sie wird wohl bei einem einstelligen Milliardenbetrag liegen. Die Schuldenbremse wird zum Flaschenhals der Finanzpolitik. Aus der FDP kommen, von praktisch allen Ebenen, immer wieder nachdrücklich Forderungen, keinesfalls auf dieses Instrument zu verzichten.

Beim Koalitionspartner ist man weniger klar. SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte t-online dazu: "Bei den finanziellen Aufgaben, die vor uns liegen, geht es nicht um Schwarz oder Weiß. Es geht um eine vernünftige und der Herausforderung angemessene Verbindung von politischer Priorisierung, notwendiger Krisenreaktionskraft und weiterhin starken Zukunftsinvestitionen." Übersetzt heißt das: Schauen wir mal.

Das Problem: Wenn die FDP plötzlich nicht mehr zur Schuldenbremse steht, wäre eines der zentralen Wahlkampfversprechen der Partei gebrochen. Für die Liberalen wäre nur eine weitere Eskalation bei verschiedenen Krisen und Konflikten wohl ein Grund, auf die Schuldenbremse zu verzichten. Intern heißt es: "Wie sollen wir das sonst unseren Wählern erklären?"

Sparen am Sozialstaat

Wer mit Claudia Raffelhüschen von den Liberalen spricht, bekommt einen klaren Vorschlag, wo der Haushalt deutlich reduziert werden könnte: beim größten Etat. Die Abgeordnete Raffelhüschen sitzt für ihre Partei im Haushaltsausschuss des Bundestags und sagt: "Den Rotstift müssen wir beim ausufernden Sozialstaat ansetzen und ihn wieder auf ein gesundes Niveau zurückführen – hier liegen wir aktuell bei einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts und damit so hoch wie noch nie."

Das wiederum wird mit SPD und Grünen keinesfalls zu machen sein. Es gehe jetzt darum, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang erst am Montag, "wie wir in dieser Zeit den sozialen Frieden sichern können". Und Lang stellte klar, was sie damit angesichts des Spardrucks meint: "Wir werden nicht alle Kosten dieses Krieges auffangen können. Umso wichtiger ist es, dass wir wirklich diejenigen unterstützen, die Unterstützung brauchen."

Doch Raffelhüschen geht noch weiter: "Bei der Gesundheit und der Pflege sind die Ausgaben enorm hoch. Die Bevölkerung wird immer älter, die durchschnittliche Lebenserwartung steigt und verursacht damit zwangsläufig hohe Kosten im Gesundheitsbereich. Um nicht zu stark bei staatlichen Leistungen kürzen zu müssen, könnten wir in Zukunft auch einmal mehr Eigenverantwortung belohnen und Anreize setzen, um gesünder zu leben."

Man müsse wegkommen, so Raffelhüschen, von einer "Vollkasko-Mentalität". Bei SPD und Grünen gelten solche Vorschläge schnell als kaltherzig, in ihrer FDP steht Raffelhüschen damit nicht allein da. Doch nur wenige trauen sich, es so offen auszusprechen. Ob Kürzungen wirklich in dem Bereich kommen werden, ist jedoch fraglich. Zu eindeutig ist dabei die Position von Grünen und SPD, die damit einige Säulen ihrer Politik infrage stellen würden.

Subvention von E-Autos

Aber auch ansonsten gibt es bei den Liberalen mehrere Vorschläge, wo Geld im Haushalt gespart werden könnte. Finanzminister Lindner wiederholt bereits seit Wochen eine Idee: "Wenn es nach mir geht, werden zum Beispiel die Kaufprämien für Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride gestrichen. Die Autos werden bisher über die Lebensdauer teils mit bis zu 20.000 Euro subventioniert, auch für Top-Verdiener. Das ist zu viel", sagte er der "Welt am Sonntag". Bei den Liberalen heißt es, das sei ein einfacher, aber wirkungsvoller Hebel, um die Gesamtausgaben zu senken.

Und die Koalitionspartner? "Die Subventionen für Hybridautos sollten wir streichen, das sehen wir genauso wie die FDP", sagt Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, t-online. Doch an anderer Stelle geht ihm Lindners Vorstoß zu weit. "Die Förderung der E-Autos ist bislang zu üppig, aber es braucht da trotzdem noch Anreize. Dafür sollte man bei der Kfz-Steuer ein Bonus-Malus-System einführen. E-Autos werden begünstigt, schwere Verbrenner zahlen mehr entsprechend ihrer CO2-Emissionen. Das wäre haushaltsneutral und verursachergerecht."

Renten

Die Rente in Deutschland wird gegenwärtig mit etwa 100 Milliarden Euro vom Staat bezuschusst. Die FDP-Abgeordnete Judith Skudelny sagt dazu: "Der demografische Wandel ist real – deshalb müssen wir zur Aktienrente mit weniger staatlicher Unterstützung. Und zwar besser heute als morgen." Das fordert die FDP schon länger, doch bei den Grünen und der SPD ist die Skepsis groß. Dort heißt es gern, dass jetzt noch andere Projekte der Koalition Vorrang hätten.

Reform des föderalen Systems

Noch grundsätzlicher wird Markus Herbrand, der finanzpolitische Sprecher der Partei. Er ist für eine Reform des föderalen Finanzsystems. Das aktuelle System "leide" darunter, dass Ausgaben von der "einen Ebene oft von der anderen Ebene bezahlt werden müssen". Herbrand meint vor allem Projekte, die der Bund finanziert und von den Ländern jedoch umgesetzt werden. "Seit Jahren gehen im Verhältnis die Steuereinnahmen der Länder im Vergleich zum Bund in die Höhe, obwohl zeitgleich immer mehr staatliche Kosten durch den Bund übernommen werden", sagt er. Herbrand findet: "Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen." Eine solche grundsätzliche Reform ist jedoch noch in weiter Ferne.

Mehr oder weniger Geld in der Krise?

In der Ampel-Koalition dürfte es in den nächsten Monaten auch um die grundsätzliche Frage gehen, wie die aktuelle Krise zu bewältigen ist. Viele rechnen mit einem weiteren Anstieg der Preise, am grundsätzlichen Sparkurs der FDP ändere dies jedoch nichts, heißt es parteiintern. SPD-Politiker Achim Post sagt dazu t-online: "Wenn die Energiepreise so massiv weiter steigen, sind weitere Entlastungen ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft und sozialen Verantwortung." Es brauche "gezielt wirkende Entlastungen", für die dann in diesem Jahr "zusätzliche finanzielle Ressourcen mobilisiert" werden müssten.

Noch deutlicher wird sein Kollege Kindler von den Grünen mit dem Ausblick auf das nächste Jahr: "Wir dürfen uns nicht in die Krise sparen." Das klingt nicht danach, als habe für Grüne und SPD die Schuldenbremse höchste Priorität beim künftigen Geldausgeben. Es könnte noch knirschen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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