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Drohnen-Abwehr in Europa: Diese Techniken helfen gegen die Bedrohung


Putins Provokationen
Die Gefahr kommt lautlos aus der Luft

Von t-online, pri

Aktualisiert am 01.10.2025Lesedauer: 5 Min.
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Ein Drohnenschwarm. (Symbolbild) (Quelle: IMAGO/imageBROKER/Andy Dean/imago)
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Wie kann verhindert werden, dass Drohnen über Flughäfen oder kritische Infrastruktur fliegen? Ein Blick auf die Abwehrtechniken und ein entscheidendes Problem der europäischen Staaten.

Dick Zandee macht sich keine Illusionen: "Schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine war die Luft- und Raketenabwehr in ganz Europa seit Langem als kritisches Defizit erkannt worden."

Zandee muss es wissen. Er ist Historiker und Reserveoffizier der niederländischen Armee. Lange leitete er die Europäische Verteidigungsagentur (EDA). Jetzt forscht er am Clingendeael-Institut für Internationale Beziehungen in Den Haag. Gemeinsam mit den Kollegen Felix Gasper und Tony Lawrence vom estnischen Forschungsinstitut ICDS in Tallinn hat er die Drohnenabwehr in Europa untersucht. "Defending Europe's Skies" – Europas Luftraum verteidigen – heißt die Studie. Das vorläufige Fazit: "Im aktuellen Sicherheitsumfeld ist die Entwicklung einer verbesserten Luft- und Raketenabwehrarchitektur für Europa eine Notwendigkeit und kein Luxus."

Die jüngsten Drohnenzwischenfälle in Polen, Norwegen und Dänemark zeigen die Bedrohungslage. Vor dem zweitägigen Gipfel europäischer Staats- und Regierungschefs am 1. und 2. Oktober in Kopenhagen erklärte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen: "Wir befinden uns derzeit in einer schwierigen Sicherheitslage und müssen die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für die Streitkräfte und die Polizei gewährleisten." Auch die Bundeswehr ist mit der auf Flugabwehr spezialisierten Fregatte "Hamburg" im Einsatz.

Was genau kann man tun, um Drohnen abzuwehren? t-online gibt einen Überblick über verschiedene Techniken:

Drohne gegen Drohne

Sie heißen Shahed-136, wenn sie aus iranischer Produktion stammen, oder Geran-2 (Geranie), wenn sie Russland im Nachbau produziert. Nachts schwärmen sie aus, um Ziele in der Ukraine anzugreifen. Auch Drohnen vom Typ Gerbera sind darunter, die nicht mit Sprengstoff bestückt sind. Sie sollen die gegnerische Abwehr täuschen und werden über eine lange Distanz eingesetzt.

Eine Möglichkeit, sie abzufangen, sind vergleichsweise günstige Kamikaze-Drohnen, die mit den gegnerischen Drohnen kollidieren. Möglich ist es auch, Drohnen mit einem Netz einzufangen. Erst in der vergangenen Woche testete die Bundeswehr beim Manöver "Red Storm Bravo" in Hamburg solche Systeme.

Die Bundeswehr setzt auf Interceptor-Drohnen. Sie erreichen eine Geschwindigkeit von 200 bis 300 Kilometer pro Stunde, um gegnerische Drohnen abzufangen. Sie stammen zum Beispiel aus der Produktion des vor zwei Jahren gegründeten Start-ups Argus Interception aus der Nähe von Hamburg. "Unsere Technologien sind nicht nur militärisch relevant – sie schützen auch kritische Infrastrukturen", so Sven Steingräber, Geschäftsführer von Argus Interception.

Störsender

Drohnen werden in der Regel über Funksignale gesteuert. Diese lassen sich gezielt stören, sodass die Drohne den Kontakt zur Bodenstation verliert. Fachleute sprechen von Jamming. Einer Drohne kann aber durch Eingriff in den Signalverkehr mit der Lenkstation auch eine falsche Position vorgegaukelt werden. Hier sprechen Experten von Spoofing.

Der französische Rüstungskonzern Safran präsentierte im vergangenen Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris ein entsprechendes System: den Skyjacker. Eine Wortschöpfung aus Sky (Himmel) und Hijacker (Entführer). Der Himmelsentführer kann laut Hersteller ganze Drohnenschwärme durch seine Störsignale stoppen. Bis zu zehn Kilometer beträgt die Reichweite. Der Vorteil: Das System ist mobil und lässt sich leicht verlagern. Zudem soll die Basisstation nicht größer sein als ein Koffer.

Das Problem: Die russische Armee hat auf Jamming und Spoofing reagiert. An der unmittelbaren Front in der Ukraine bauen die Truppen des russischen Staatschefs Wladimir Putin auf sogenannte Glasfaserdrohnen. Unter den Fluggeräten ist eine Rolle mit Glasfaserkabel befestigt, über das die Kommunikation mit der Lenkstation läuft. Das Signal kann damit nicht per Störsender gekappt werden.

Die ukrainische Abwehr setzt dagegen unter anderem Fangnetze ein. Russland antwortete darauf zuletzt mit einer technischen Neuerung: einer Basisdrohne, über die andere Flugobjekte per Glasfaserkabel vernetzt sind. Damit lässt sich die bislang stark beschränkte Reichweite deutlich ausdehnen.

Abschießen mit Maschinengewehr

Auch die russische Armee setzt auf Schrot. Mobile Motorradeinheiten, die an der Front Drohnen hinterherjagen, um sie mit Schrotflinten abzuschießen. Sehr klassisch, aber effektiv.

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Raketenabfangsysteme

Was mit Maschinengewehr klappt, funktioniert auch mit größeren Systemen. Mehrere westliche Hersteller bieten Raketensysteme gegen feindliche Drohnen an.

Der italienische Produzent Leonardo lobt sein Schnellfeuergeschütz 76/62. Italiens Marine nutzte das System im Roten Meer erfolgreich gegen Drohnen der islamistischen Huthi-Miliz.

Der französische Hersteller Thales setzt auf das Drohnenabwehrsystem Forceshield. Drohnen werden über Radar aufgespürt und mit LLM-Raketen (Lightweight Multirole Missile (LMM) abgeschossen. Auch das vom deutsch-französischen KNDS-Konzern entwickelte Artilleriesystem Rapidfire kann genutzt werden.

Der deutsch-französische Konzern Airbus stellte zuletzt sein System Load ("Low-Cost-Air-Defence" – auf Deutsch: billige Luftabwehr – vor: Load setzt auf eine Basisdrohne, an der drei Abwehrraketen befestigt sind. Die Basisdrohne ist wiederverwertbar und fliegt zu ihrem Startpunkt zurück, sobald die Raketen abgefeuert wurden.

Load soll erst 2027 voll einsatzfähig sein. Deshalb läuft die Drohnenabwehr meist so wie zuletzt beim Abfangen russischer Drohnen über Polen: Radarsysteme spüren die Drohnen auf, dann steigen Kampfjets auf, um die Drohnen abzuschießen.

Doch ist die Bilanz dürftig: Von bis zu 19 aufgespürten russischen Drohnen über Polen sollen die niederländischen F-35-Abfangjäger nur maximal vier Flugobjekte mit Amraam-Raketen abgefangen haben. Die Praxis ist allerdings recht teuer: Während die Drohnen maximal 50.000 Dollar pro Stück kosten sollen, liegt der Preis einer Amraam-Rakete bei bis zu 1,5 Millionen Dollar.

Laserwaffen

Israels Armee setzt etwa auf das System "Iron Beam" (auf Deutsch: eiserner Strahl). Das deutsche Unternehmen Rheinmetall arbeitet am System "Shorad". Es ist eine Abkürzung für "Short-Range-Air-Defence" – auf Deutsch: Kurzstrecken-Luftabwehr. Die US-Armee testete die Laserkanone im vergangenen Herbst.

Das System funktioniert so: Ein Laserimpuls mit hoher Energie zerstört die anfliegende Drohne.

Der Vorteil der Laserwaffen ist, dass sie verhältnismäßig günstig sind. Ein Schuss kostet nur rund zehn Dollar (für den Stromimpuls). Allerdings funktionieren die Waffen bei Regen oder Nebel nur schlecht.

Elektromagnetische Systeme

Hochleistungs-Mikrowellen (HPM) setzen auf elektromagnetische Energie mit extrem starker Leistung, um Drohnen abzufangen. Eine kleine Drohne wird innerhalb von Sekunden zerstört. Entsprechende Systeme werden unter anderem in Japan entwickelt.

Der Vorteil: Durch das Energiefeld lassen sich ganze Drohnenschwärme ausschalten. Und: Auch hier sind die Kosten niedrig und liegen bei rund zehn Dollar pro abgefangener Drohne. Aber die Systeme sind noch nicht voll einsatzfähig.

Bilanz: Komponenten, noch kein System

Der Überblick zeigt: Die Drohnen-Abwehrtechnik ist in Europa vorhanden, aber verschiedene Einzelkomponenten bilden noch kein funktionierendes Abwehrsystem. Dick Zandee und seine Kollegen notieren in ihrem Forschungsbericht: "Interoperabilität, das heißt, dass Systeme miteinander in Kommunikation treten, reicht noch nicht. Das Ziel muss sein: die Integration verschiedener Systeme, um eine multiplikative Wirkung zu erzielen."

Das Institut für Sicherheitsstudien der EU (EUSS) fasste die Situation zuletzt so zusammen: "Drohnen sind in Konflikten auf der ganzen Welt allgegenwärtig geworden." Der Titel der Studie: "Minding the drone gap: Drone warfare and the EU" – frei übersetzt etwa: Drohnenlücke im Blick: Drohnenkrieg und die EU.

Die Verteidigungsexperten Claudia Major und Christian Mölling warnen zudem davor, "Drohnen zu einer Wunderwaffe zu stilisieren". "Stoppt den Hype um Drohnen", heißt ihr Gastbeitrag im Magazin "Spiegel".

Ihre Bilanz des russischen Angriffs auf die Ukraine: "Drohnen sind ein spezieller Teil dieses speziellen Kriegs – und darauf hat sich die Ukraine beeindruckend innovativ einstellen können. Aber: Auf Nato-Verteidigungsbedürfnisse ist das kaum übertragbar. Man kann eine Speziallösung nicht generalisieren. Sonst plant man den nächsten Krieg nach Vorbild des letzten und erliegt dabei der Täuschung, es ginge nur um Technologie."

Ihre Sicht auf die Lage: "Die Nato plant anders. Ihr Verteidigungskonzept setzt auf schnelle militärische Erfolge und will verhindern, dass ein Gegner sich neu aufstellen kann. Das braucht vor allem überlegene Feuerkraft und hohe Mobilität der Truppen."

Die Nato bleibt vorerst beim klassischen Militär.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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