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Gescheiterte Wehrpflicht-Einigung bei Union und SPD: Wie ein Autounfall


Wehrpflicht-Einigung scheitert
Das darf doch nicht wahr sein

  • Daniel Mützel
MeinungEin Kommentar von Daniel Mützel

Aktualisiert am 15.10.2025Lesedauer: 3 Min.
GERMANY-COALITION/Vergrößern des Bildes
Koalitionsspitzen Söder, Merz, Bas, Klingbeil: Eine Einigung bei der Wehrpflicht ist in weiter Ferne. (Quelle: Fabrizio Bensch)
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Einigung, dann doch nicht. Pressekonferenz, nee, doch nicht. Bei der Wehrpflicht knallt die Koalition frontal aneinander. Es ist nur noch schwer zu ertragen.

Das tut schon beim Zuschauen weh: Erneut zerlegen Union und SPD eines ihrer eigenen Kernvorhaben. Erneut ist man mit großen Ankündigungen gestartet – und hinterher umso tiefer gefallen.

Noch am Morgen hieß es bei Union und SPD: Der Kompromiss bei der Wehrpflicht sei gefunden. Einladungen an die Presse wurden verschickt, der SPD-Fraktionschef lobte die Einigung schon mal präventiv, bevor er sie seinen Abgeordneten präsentierte.

Nur Stunden später platzte die Blase: Die angebliche Einigung war gar keine. Was die vierköpfige Verhandlungsgruppe Wehrpflicht (zwei von der Union, zwei von der SPD) hinter den Kulissen ausgeklügelt hatte, hielt keine zwei Stunden.

Scheitern mit Ansage

In der SPD-Fraktion etwa gab es Teilnehmern zufolge große Unruhe. Vor allem die Wehrpflicht per Losverfahren, auf die sich die Verhandler geeinigt hatten, wurde kritisiert. Verfassungsrechtliche Bedenken wurden geäußert, viele andere Punkte seien offen geblieben. Wer mit Abgeordneten sprach, merkte schnell: Die verstehen selbst nicht, was ihnen da gerade vorgelegt wurde.

Es ist ein Scheitern mit Ansage. Die Koalition zeigt einmal mehr, wie amateurhaft sie bisweilen agiert und dass zentralen Akteuren offenbar das Handwerk zum Regieren fehlt. Klar, die inhaltlichen Differenzen sind groß, bei der Wehrpflicht wie bei vielen anderen Themen. Aber das Hauptproblem dieser Koalition scheint ein anderes zu sein: Ihre Abläufe funktionieren nicht, ihre Kommunikation ist unabgesprochen, sie stiftet Verwirrung und Chaos.

Am Ende sind alle beschädigt: der Verteidigungsminister, dessen Gesetz nun in der Luft hängt. Die Fraktionsspitzen, die meinten, es besser zu können als der Minister, und an sich selbst scheiterten.

Ihnen fehlt die politische Kraft zum Kompromiss

Dabei lief der K(r)ampf um die Wehrpflicht von Anfang wie ein Autounfall in Zeitlupe ab. Schon die Formulierung im Koalitionsvertrag, bei der Wehrpflicht "zunächst" auf Freiwilligkeit zu setzen, war die Ankündigung eines Großkonflikts zu einem späteren Zeitpunkt. Es war bekannt, dass Union und SPD hier unterschiedlicher Auffassung sind: Die Union wollte die Wehrpflicht, die SPD setzte auf Freiwilligkeit. Aber in den Koalitionsverhandlungen hatte man offenbar nicht die politische Kraft zu einem Kompromiss – also einigte man sich auf einen Formelkompromiss, der nichts weiter war als ein Sprengsatz mit Zeitzünder.

Auch danach lief es nicht besser. Verteidigungsminister Pistorius legte einen ersten Gesetzentwurf vor, der von seiner eigenen Partei zerlegt wurde. Der SPD-interne Konflikt um die Frage, wie viel Pflicht beim Wehrdienst sein darf, wie viel Freiwilligkeit sein muss, schwelte schon in der Vorgängerregierung. Er ist bis heute ungelöst. Der Machtkampf zwischen Pistorius, den Jusos und der SPD-Fraktion eskalierte auf dem SPD-Parteitag Ende Juni. Mit der Konsequenz, dass Pistorius eingehegt wurde und sein Gesetz anpassen musste.

Ständige Angriffe vom Koalitionspartner

Ende August sah es dann so aus, als könnte es doch noch was werden. In einer symbolischen Sitzung des Bundeskabinetts im Verteidigungsministerium beschlossen die Regierungsmitglieder von Union und SPD das von der SPD entschärfte Pistorius-Gesetz. Doch schon kurz darauf begannen die Attacken der Union. Das ging wochenlang so weiter und gipfelte in der fast unverschämten Behauptung von CSU-Chef Markus Söder, Pistorius plane eine "Wischiwaschi-Wehrpflicht" und degradiere die Bundeswehr zur "Fragenbogenarmee".

Wer braucht noch Feinde, wer solche Regierungspartner hat?

Aber vollends amateurhaft wurde es in den vergangenen Tagen, als die Chef-Verhandler der Koalitionsfraktionen begannen, den Regierungsentwurf zu überarbeiten. Von Beginn an stellte sich die Frage: Wie sollen die Fachpolitiker der Fraktionen, die sich mit der Materie zwar gut auskennen, einen solchen Großkonflikt lösen, wenn es schon auf Regierungsebene nicht geklappt hat?

Das wäre vermeidbar gewesen

Sie konnten es nicht. Nun wäre das alleine noch nicht schlimm gewesen. Schlimm war aber, eine Einigung anzukündigen, wenn derart viele Fragen noch offen blieben, und noch bevor mit den Fraktionen gesprochen worden war – die beide bekanntermaßen sehr meinungsstarke Auffassungen beim Thema Wehrpflicht haben.

Unwirklich war der Moment, als der Fraktionssprecher am Dienstagabend der versammelten, seit 20 Minuten wartenden Hauptstadtpresse verkündete, dass die Pressekonferenz nun doch nicht stattfinde. Unwirklich, weil der angebliche Durchbruch keiner war – und es bis zur letzten Sekunde gedauert hatte, bis sich die Beteiligten das selbst eingestanden. Das wäre vermeidbar gewesen. Höchste Zeit, dass diese Koalition endlich aus ihren Fehlern lernt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherchen
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