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LGBT: Schwenken Politiker scheinheilig die Regenbogenfahne?


"Viel Luft nach oben"
Schwenken Politiker scheinheilig die Regenbogenfahne?

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 24.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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Regenbogen aus Luftballons vor dem Reichstag (Archivbild): Anspruch und Wirklichkeit der Queerpolitik der Groko klaffen auseinander.Vergrößern des Bildes
Regenbogen aus Luftballons vor dem Reichstag (Archivbild): Anspruch und Wirklichkeit der Queerpolitik der Groko klaffen auseinander. (Quelle: epd/imago-images-bilder)

Viele Politiker haben sich zuletzt gegen die Diskriminierung von Homosexuellen oder transgeschlechtlichen Personen ausgesprochen. Aber wurden ihre Rechte auch von Bundestag und Regierung gestärkt?

Angela Merkel fand deutliche Worte im Bundestag. Falsch und mit ihren Vorstellungen von Politik nicht vereinbar, nannte die Bundeskanzlerin am Mittwoch ein umstrittenes Gesetz aus Ungarn. Es sieht unter anderem vor, die Informationsrechte von Jugendlichen im Hinblick auf Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit einzuschränken.

Einen Tag später legte die Kanzlerin in einem gemeinsamen Brief mit 16 europäischen Staats- und Regierungschefs nach: Man wolle weiter gegen die Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft (LGBTI oder LSBTI steht für lesbisch, schwul oder im englischen gay, bisexuell, trans- und intergeschlechtlich) kämpfen – auch wenn von Ungarn in dem Brief nicht mehr die Rede war.

"Queerpolitische Blockadekoaliton"

Aber sind die Worte mit der Politik in Deutschland vereinbar? Der queerpolitische Sprecher der FDP, Jens Brandenburg, stellt Union und SPD kein gutes Zeugnis aus. "Die Groko war eine queerpolitische Stillstands- und Blockadekoalition", sagt Brandenburg t-online. Besonders verärgert zeigt er sich über eine Abstimmung vom Mittwoch: Wenige Stunden nach Merkels Kritik an Ungarn, während überall in Deutschland die Regenbogenflagge gehisst wurde, stimmten SPD und Union gemeinsam mit der AfD gegen die Aufhebung des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer. "Wer fröhlich die Regenbogenflagge hisst, sollte Fortschritte für LSBTI nicht immer wieder im Parlament verhindern", kritisiert Brandenburg.

Am Ende der Legislaturperiode zieht auch Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband eine gemischte Bilanz. Es sei nicht so, dass man in den letzten vier Jahren untätig war. Ein gutes Zeugnis könne der Verband Regierung und Bundestag allerdings auch nicht ausstellen: "Da ist noch viel Luft nach oben", sagt Ulrich t-online.


Wer in den Koalitionsvertrag von 2018 blickt, findet einige Versprechen, die CDU, CSU und SPD nicht einhalten konnten. Nach der Einführung der Ehe für alle 2017 wurde es etwa bis heute versäumt, auch das Abstammungsrecht anzupassen. So wird in einer lesbischen Ehe bisher nur die leibliche Mutter als Elternteil auf dem Standesamt eingetragen. Die Ehepartnerin kann diesen Status nur durch ein oftmals langwieriges Adoptionsverfahren erlangen. Der Koalitionsvertrag hatte noch versprochen, "Ergänzungen, die sich durch die Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts ergeben, zügig vornehmen" zu wollen.

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In vielen anderen Passagen blieb die Groko dagegen schwammig: Homosexuellen- oder Transfeindlichkeit wird im Koalitionsvertrag verurteilt, jeder Diskriminierung soll entgegengewirkt werden. Das umstrittene Gesetz, das vorschreibt, wie transgeschlechtliche Menschen ihren Namen oder Geschlecht in Dokumenten ändern können, gibt es allerdings immer noch. Es schreibt seit rund 40 Jahren vor, dass Menschen etwa zwei psychologische Gutachten vor Gericht vorweisen müssen, damit eine Änderung genehmigt wird.

"Note drei plus"

Beteiligte empfinden die Gutachten mitunter als diskriminierend, die Kosten tragen sie allein. Ein Vorschlag für eine Vereinfachung von Grünen und FDP, die die Änderungen der Angaben durch das Standesamt vorschlug, fand zuletzt im Bundestag keine Mehrheit. Gleiches gilt für eine Änderung von Artikel drei des Grundgesetzes: Dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung bevorzugt oder benachteiligt wird, ist dort weiter nicht zu finden.

Auch in der SPD ist man mit dem Geleisteten offenbar nur teilweise zufrieden. "Meine Note wäre eine drei plus", sagt der queerpolitische Sprecher der SPD, Karl-Heinz Brunner t-online. Man habe nicht alles umsetzen können, was man sich vorgenommen hatte.

Warten auf Bundesärztekammer

Allerdings nennt er auch Fortschritte. Konversionstherapien, die Homosexuelle umerziehen sollen, sind in Deutschland mittlerweile verboten. Auch geschlechtsangleichende Operationen bei intergeschlechtlichen Kindern, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, sind nicht mehr erlaubt. Zusätzlich haben Soldaten der Bundeswehr, die wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert wurden, inzwischen das Recht auf eine Entschädigung.

Warum aber hat die SPD nicht für die Aufhebung des Blutspendeverbots gestimmt? Brunner verweist auf die Empfehlungen der Bundesärztekammer: Alle zwei Jahre gebe sie eine neue Richtlinie heraus, die die Kriterien beim Blutspenden festlegt. Brunner geht davon aus, dass das Gesetz im September eine neue Fassung erhält, die auf der Richtlinie fußt: Im Gespräch ist, dass dann jeder unabhängig von seiner sexuellen Orientierung spenden kann, sofern er zuvor vier Monate keinen Sex mit wechselnden Partnern hatte. "Wir wollen eine Regelung auf wissenschaftlicher Basis", sagt Brunner.

Im September werden sich die Machtverhältnisse allerdings nach der Bundestagswahl verschieben. Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband glaubt nicht, dass dann mehr für Homosexuelle oder Transgeschlechtliche getan wird. Vor allem das Programm von CDU und CSU sei eine Enttäuschung: "Das Leben von LSBTI-Menschen kommt im Wahlprogramm der Union nicht vor." Welche Bilanz die größte Fraktion im Bundestag in der Thematik zieht, lässt sich an dieser Stelle nicht beantworten. Als einzige Fraktion – neben der AfD – haben CDU und CSU keinen fachpolitischen Sprecher für LSBTI-Themen. Auch alle Fragen zu dem Thema ließ die Fraktion gegenüber t-online aus Zeitgründen unbeantwortet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Nachrichtenagentur dpa und AFP
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