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Tagesanbruch vom 18.10.2018: Schritt für Schritt zum Brexit


Was heute wichtig ist
Marionette der Scheichs

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.10.2018Lesedauer: 5 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
US-Präsident Donald Trump.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump. (Quelle: Yuri Gripas/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wir Deutschen haben Grund zur Klage. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn ich mir aktuelle Umfragen ansehe: 82 Prozent der Wahlberechtigten sind laut ARD-Deutschlandtrend unzufrieden mit den Taten der Bundesregierung im Dieselskandal. 78 Prozent halten die Wohnungspolitik für falsch, 73 Prozent sind es bei der Klima-, 68 Prozent bei der Flüchtlings- und 65 Prozent bei der Renten- und Sozialpolitik. So viel Verdrossenheit.

Beim Schutz vor Kriminalität und Verbrechen allerdings sagt immerhin die Hälfte der Bürger: Wir sind zufrieden. Jetzt dürften es noch deutlich mehr werden, denn die deutschen Sicherheitsbehörden haben offenbar einen verheerenden Terroranschlag vereitelt. In einer monatelangen Geheimoperation sollen das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz einen perfiden Anschlagsplan des "Islamischen Staats" durchkreuzt haben: drei Teams eingeschleuster Attentäter, zur Tarnung hierzulande verheiratet, ein Musikkonzert als Ziel – so wollten die IS-Strategen in Deutschland offenbar ein Blutbad anrichten, ähnlich den Anschlägen in Paris 2015.

Dazu kam es nicht. Weil deutsche Behörden wachsam waren, mit ausländischen Geheimdiensten zusammenarbeiteten, gründlich ermittelten. Wir Deutschen haben oft Grund zur Klage – aber hier haben wir Grund, einfach mal danke zu sagen, finde ich.

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Barack Obama fädelte ein Atomabkommen mit dem Iran ein und setzte Saudi-Arabien unter Druck. Also hofierten die Saudis Donald Trump, als der Präsident wurde, nach allen Regeln der Kunst. Schmeicheleien, Säbeltanz und milliardenschwere Wirtschaftsverträge inklusive. Trump ließ sich gern umgarnen – und führt sich seither wie eine Marionette der Scheichs auf. Er torpedierte das Abkommen mit ihren Erzfeinden in Teheran, lässt sie den Jemen in Schutt und Asche bomben und schaut nun zu, wie sie die mutmaßliche Folterung und Ermordung eines Aktivisten im Nato-Land Türkei zu vertuschen versuchen. Realpolitik kann man das nicht mehr nennen. Eher blanken Zynismus.

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Lange blickte man im Berliner Regierungsviertel in ratlose Gesichter, wenn man fragte, ob Abgeordnete, Pressesprecher, Minister, die Kanzlerin sich eigentlich bewusst seien, wie groß die Gefahr ist, die von all den Lügen, dem Hass und den Verleumdungen ausgehen, die täglich aus den Propagandaschleudern Facebook und YouTube über uns Bürger niedergehen. Ebenso wie die seichte Debatte um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz dokumentierten diese Gesichter die digitale Ahnungslosigkeit vieler Menschen, die unsere Gesetze machen und uns regieren. Nun tut sich langsam was. Noch längst nicht genug, wie in der späten Merkel-Ära üblich nur in Trippelschrittchen, aber immerhin: Die Kanzlerin hat in ihrer gestrigen Regierungserklärung ein paar Takte dazu gesagt. Nur auf Parteien gemünzt und damit zu kurz gesprungen. Aber immerhin.

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WAS STEHT AN?

Gut geht es uns in Deutschland. Das könnte man angesichts der turbulenten politischen Lage manchmal glatt vergessen. Die Wirtschaft rotiert, die meisten Menschen haben Arbeit, deutsche Produkte fliegen, fahren und rattern um die Welt. Wir können uns also fröhlich zurücklehnen und … Vorsicht! Können wir eben nicht. Ja, die wirtschaftliche Lage ist derzeit rosig, aber sie ist auch volatil. "Europas Aufschwung hängt immer noch am Tropf der Europäischen Zentralbank", analysiert unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld. "Die italienische Regierung besteht darauf, im Aufschwung mehr Schulden zu machen als erlaubt und treibt damit die Risikozinsen für die Länder des Südens wieder nach oben. Das ist Gift für die Konjunktur. Dann kommt im Frühjahr 2019 der Brexit dazu – und niemand weiß, wie stark der Austritt Großbritanniens aus der EU das Wachstum zusätzlich bremsen wird."

Der Brexit hängt also, verzeihen Sie mir bitte das abgedroschene Sprachbild, wie ein Damoklesschwert über uns Deutschen. Und am 29. März 2019 wird das Rosshaar durchschnitten, an dem es hängt. Die Situation ist verfahren. Deshalb sollten die verbleibenden EU-Staaten den Briten jetzt entgegenkommen, meint unsere Kolumnistin – ich dagegen habe gestern geschrieben, dass die EU hart bleiben sollte, um nicht weitere Länder zum Ausstieg zu ermutigen. Für beide Meinungen gibt es schlüssige Argumente (zum Beispiel hier und hier).

Nun mehren sich die Anzeichen, dass es auf den letzten Metern eine Sowohl-als-auch-Einigung geben könnte: Brüssel gesteht London eine längere Übergangsfrist nach dem offiziellen Austrittsdatum zu, verlangt dafür aber Zugeständnisse in der Streitfrage um die irische Grenze. Bis tief in die Nacht haben die Staats- und Regierungschefs darüber verhandelt, heute Vormittag geht es weiter: fordern, feilschen, rechnen, bluffen, viel Kaffee und Cola, übermüdete Gesichter, wie so oft auf EU-Gipfeln. Das machen die Politiker vor allem deshalb, damit Frau May zu Hause in London sagen kann, dass sie in Brüssel gekämpft habe wie eine Löwin. It’s a drama! Denn nur dann kriegt sie im Parlament ihren Haushaltsplan durch, nur dann kann sie die Hardcore-Brexiteers überzeugen, dass sie die Kröten aus Brüssel schlucken müssen.

Mir erscheint aber der gesamte Brexit-Prozess als ein Paradebeispiel für eine destruktive Verhandlungsführung. Das ginge viel besser, schreibt Horst Eidenmüller, Professor an der Universität Oxford, in der "Süddeutschen Zeitung": Viele Politiker überschätzten ihre Fähigkeiten und wollten sich profilieren, das aber gehe auf Kosten aller Beteiligten. Professionelle Mediatoren könnten den Brexit-Verhandlern zum Durchbruch verhelfen. Interessante Idee, oder?

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Apropos Briten: Erinnern Sie sich noch an die Hochzeit des Jahres, als sich Harry und Meghan das Jawort gaben? Zahlreiche Promis wohnten der Trauung auf Schloss Windsor bei – einer nicht: Rowan Atkinson musste draußen bleiben. Obwohl er Prinz Harry gut kennt. Warum? Das verrät "Mr. Bean" im Video-Interview mit meinen Kollegen Ricarda Heil und Axel Krüger.

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WAS LESEN?

Es gibt eine einfache Faustregel: Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es, genau: nicht wahr. Zum Beispiel, wenn sich ein Experte nach dem anderen mit dem schwierigen Thema der Lese- und Rechtschreibschwäche abmüht – und dann kommt eine Musiklehrerin daher und sagt: Ich hab’s! Ich habe die beste Methode entdeckt, mit der man gegen Legasthenie angehen kann. Und ganz einfach ist sie obendrein!

Was die Musikpädagogin Maria Dünßer entdeckt haben will, hat seinen Ursprung im Gitarrenunterricht: Erst machte sie einer Linkshänderin das Lesen der Griffanweisungen leichter, indem sie die Griffe spiegelverkehrt notierte. Später fiel der Pädagogin bei einer anderen Schülerin auf, dass diese Liedtexte in Spiegelschrift viel leichter lesen konnte. Das Mädchen hatte miese Deutschnoten – doch nach einer Weile brachte sie eine Eins im Diktat zustande. Die Methode war geboren: Überwindung der Legasthenie durch Übungen in Spiegelschrift. Ist das nicht fast wie im Märchen?

Ist ein Märchen, sagen Experten. Immer wieder kommen Leute mit neuen Wundermethoden an, und immer fehlt der empirische Nachweis. Na klar, solange Studien die Wirksamkeit nicht belegt haben, sind Zweifel angebracht. Aber um Hokuspokus muss es sich trotzdem nicht handeln.

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Er springt, hüpft, macht einen Salto: Das neueste Modell aus der Roboterschmiede "Boston Dynamics" ähnelt in seinen Bewegungsabläufen erstaunlich uns Menschen. Beunruhigend allerdings: Die Maschine wird fürs Militär entwickelt. Was das bedeutet, zeigen meine Kollegen Laura Stresing, Martin Trotz und Melanie Lueft.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Apropos Roboter: Das geht noch viel besser! Haben Sie schon den tanzenden Vierbeiner aus Metall und Algorithmen gesehen? Zum Niederknien.

Ich wünsche Ihnen einen tänzerisch leichten Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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