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HomePolitikTagesanbruch

Tagesanbruch – Bundestag: So sollte man mit der AfD nicht umgehen


Was heute wichtig ist
So sollte man nicht mit der AfD umgehen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.04.2019Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel tröstet Mariana Harder-Kühnel nach dem 3. Wahlgang.Vergrößern des Bildes
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel tröstet Mariana Harder-Kühnel nach dem 3. Wahlgang. (Quelle: Axel Schmidt/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute geht es um Klugheit, Altersweisheit und Wildheit:

WAS WAR?

Die AfD verdankt einen großen Teil ihrer Wahlerfolge der Tatsache, dass sie eine Protestpartei ist. Viele Bürger gaben ihr die Stimme, weil sie mit den anderen Parteien unzufrieden sind und diese abstrafen wollten. Dass sie in den Umfragen auch weiterhin gut dasteht, verdankt die AfD zu einem großen Teil der Tatsache, dass sie sich als Opfer geriert. Sie werde von den anderen Parteien verketzert und benachteiligt, so geht ihre Erzählung. Man kann darüber streiten, in welchem Maße dies tatsächlich zutrifft, aber eines lässt sich nicht von der Hand weisen: Viele Vertreter der altgedienten Parteien tragen erheblich dazu bei, die AfD in ihrer Opferrolle zu bestätigen.

Mariana Harder-Kühnel ist Juristin, macht sich für eine konservative (manche würden auch sagen reaktionäre) Familienpolitik stark und vertritt als Abgeordnete im Bundestag einen hessischen Wahlkreis. Hier und da wird getuschelt, sie pflege Kontakte zum rechtsradikalen Umfeld von Björn Höcke, aber ob das Fakten oder böswillige Gerüchte sind, wissen wir bislang nicht. Sie selbst gibt sich als moderat. Was wir wissen: Sie ist in der AfDund wurde gestern bei der Wahl zur Vizepräsidentin des Bundestages von der Mehrzahl der Parlamentarier abgelehnt. Schon zum dritten Mal.

Die deutschen Bürger wählen Politiker, damit diese ihnen im Parlament eine Stimme verleihen und sich für ihre Anliegen einsetzen. Damit sie das tun können, organisieren sich die Parteien in Fraktionen. Zu den Gepflogenheiten gehört es, dass jede Partei im Präsidium des Bundestages vertreten ist. Der größten Oppositionspartei, sollte man meinen, steht dort ein Vizepräsidentenposten zu; jedenfalls, solange ihr Kandidat oder ihre Kandidatin keine extremistischen Positionen vertritt. Jemanden abzulehnen, um dessen ganze Partei zu bestrafen, ist juristisch legal. Aber ist es auch legitim?

Klug ist es sicher nicht. Denn wer sich als Opfer inszenieren kann, steht nun einmal mehr fest. AfD-Parteichef Alexander Gauland hat sogleich damit begonnen: "Wir sollen ausgegrenzt werden", schimpfte er – und kündigte an, dass seine Fraktion ab jetzt "bei jeder Gelegenheit, die wir haben, einen weiteren Kandidaten für das Vize-Amt aufstellen" werde. Durch ständige neue Abstimmungen über Vizepräsidenten könnte aber die Arbeit des Parlaments ernsthaft beeinträchtigt werden – während die Aufmerksamkeit für die AfD wächst und wächst. Ich sage es mal so: Mancher Abgeordnete der anderen Parteien könnte sein Abstimmungsverhalten bald bereuen.


Altersweisheit scheint ein seltenes Glück zu sein. Gestern zum Beispiel ist die Nato 70 Jahre alt geworden. Zum Jubeltag wurde sie zu Recht gepriesen, denn die Nato war in ihrer Geschichte überaus erfolgreich: erst als Sicherheitsgarant in der Konfrontation mit dem Ostblock, heute als einzigartiges Bündnis, dessen Stärke sogar die seiner Kontrahenten Russland und China in den Schatten stellt. Da wollen wir artig gratulieren.

Von einem gesegneten Ruhestand kann aber keine Rede sein. Die Nato hat alle Hände voll zu tun. Sie muss mit den tückischen Gefahren asymmetrischer Kriegführung zurechtkommen – etwa in Afghanistan, wo weit und breit keine imposante Armee, Luftwaffe oder Marine zu bekämpfen wäre, aber an jeder Ecke ein improvisierter Sprengsatz explodieren kann. Beständigen Scharmützeln ist die Nato auch im Cyberspace ausgesetzt, vor allem mit den Staatshackern aus China und Russland.

Überhaupt, Russland: Die Beziehungen sind auf dem Tiefpunkt. Mordanschläge des russischen Militärgeheimdienstes in Großbritannien. Spannungen im Baltikum. Die russische Annexion der Krim, gepaart mit einem nicht enden wollenden Konflikt in der Ostukraine. Desinformationskampagnen und Wahlbeeinflussung, ob beim Brexit-Votum, den US-Wahlen oder um die öffentliche Meinung in Deutschland zu manipulieren. Schützenhilfe für den Diktator in Syrien und neuerdings auch in Venezuela. Sind Sie noch da? Ja, die Liste will kein Ende nehmen. Nach dem Untergang des Ostblocks hat Russland sich den Platz als Gegner Nummer Eins der Nato zurückerobert.

Soweit der erfreuliche Teil. Ja, das haben Sie richtig gelesen. Gewiss, das alles sind harte Brocken, auch für eine so mächtige Allianz wie die Nato. Aber zur Abwehr solcher Gefahren ist die Nato da. Den schwierigsten Herausforderungen sieht sich das Verteidigungsbündnis an ganz anderer Stelle gegenüber: nämlich im Innern. Ein bisschen Streit ist in einem Verein mit 29 Mitgliedern, die alle ihre nationalen Interessen vertreten, natürlich nicht zu vermeiden. In diese Kategorie gehört der Zank ums liebe Geld, bei dem wir Deutschen die schlechteste Figur machen. Jeder muss seinen Anteil leisten, wettern Vielzahler wie die USA. Dass die USA mit ihrem üppigen Budget auch militärische Abenteuer und eine weltweite Präsenz weit jenseits des Nato-Mandats finanzieren, geht in dem Getöse leider ebenso unter wie das Bewusstsein, dass die Nato-Osterweiterung den Konflikt mit Russland massiv verschärft hat.

Die wirklich gravierenden Probleme kann man allerdings nicht einfach mit Geld zuschütten. Die Nato ist einst zur Verteidigung der Demokratie angetreten – aber auf einmal entdeckt sie in ihrer Mitte: ein Mitglied nach dem nächsten, das demokratische Prinzipien über Bord wirft. Repressalien gegen die Opposition, Verwandlung der Presse in eine Propagandaschleuder der Regierung, hörige Justiz: Die Türkei, Ungarn und Polen haben sich, jeweils in ihrem eigenen Tempo, auf den Weg zur Autokratie begeben. Zwar hat sich die Nato auch in der Vergangenheit Diktaturen in den eigenen Reihen gestattet, doch angesichts des Aufstiegs populistischer Bewegungen in ganz Europa stellt sich die Frage, wie das Bündnis den immer penetranteren undemokratischen Mief wieder loswerden will. Statt einer Antwort wird es still. Sehr still.

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Am stärksten stinkt der Fisch aber vom Kopfe her. Noch nie zuvor hat ein US-Präsident die Existenzberechtigung der Nato und die Solidarität im Verteidigungsfall infrage gestellt. Diesen Pokal darf allein Donald Trump sich ins Regal stellen. Nichts bringt die Grundfesten des Bündnisses stärker in Gefahr, als den Verdacht aufkommen zu lassen, dass man im Falle eines Angriffs auf ein Mitglied vielleicht doch lieber zu Hause bleibt. Den übrigen Nato-Mitgliedern bleibt nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben und auf bessere Zeiten in Washington zu hoffen. Und auf der Geburtstagsfeier immer freundlich zu lächeln. Die Nato ist 70 und immer noch jung geblieben. Auf Altersweisheit müssen wir jedenfalls noch länger warten.

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WAS STEHT AN?

Ich war ein ziemlich wilder Kerl, als ich im September 1991 zum ersten Mal diesen Krach im Radio hörte. Elektrisierenden Krach, aufputschenden Krach, wilden Krach. Passte perfekt zu meinen wilden Ansichten und meiner wilden Frisur (zu der ich Ihnen hier Details erspare). "Grunge" hieß der Musikstil, was so viel wie "Dreck" bedeute, lernte ich und rannte sofort zum nächstbesten Laden, um die CD (gab’s damals noch) mit dem wilden Cover zu erwerben: ein Baby, das unter Wasser einer Dollarnote hinterherschwimmt.

Der Rest ist Geschichte. Die Band Nirvana eroberte im Sturzflug die Welt, der Song “Smells Like Teen Spirit" wurde zur Hymne einer ganzen Generation. Leider stürzte dabei auch Sänger Kurt Cobain, gebeutelt von Drogenmissbrauch und Depressionen, immer weiter ab. Heute vor 25 Jahren nahm er sich das Leben. Grund genug für unseren Zeitgeschichteredakteur Marc von Lüpke, den Rebell mit einem "Historischen Bild" zu würdigen. Und Grund genug für mich, die CD mit dem wilden Cover noch mal aus dem Schrank zu holen. Das Bild mit der Frisur lasse ich drin.


Wenn Sie den Tagesanbruch schon ein Weilchen lesen, dann wissen Sie, dass der VfB Stuttgart fußballmäßig das Maß aller Dinge ist. Jedenfalls für den Tagesanbruch-Autor, der sich diesbezüglich von nichts und niemandem beirren lässt. Umso mehr hat er sich gefreut, als sein Sportchef Robert Hiersemann ein Interview mit Giovane Elber ankündigte. Dessen Zeit beim VfB ist zwar schon ein paar Jährchen her, aber worauf es in einem Topspiel ankommt, das kann der Giovane immer noch astrein erklären. Schließlich hat er Champions League, DFB-Pokal und Deutsche Meisterschaft gewonnen. Stellen wir ihm also die wichtigste Fußballfrage dieser Woche: Wer gewinnt morgen den Bundesliga-Kracher zwischen Tabellenführer Borussia Dortmund und Rekordmeister Bayern München? Wenn Sie seine Antworten lesen, werden Sie feststellen: Der Giovane hat’s immer noch voll drauf.


WAS LESEN?

Wenn die "New York Times" einer einzigen Person einen Text von mehr als 120.000 Zeichen Länge widmet, muss es sich nicht nur um eine bedeutende Person, sondern auch um eine wichtige Angelegenheit handeln. Tut es und tut es. Rupert Murdoch steht nur noch selten im Rampenlicht, zählt aber zu den einflussreichsten Menschen der Welt – und nutzt diesen Einfluss auf perfide Weise: Als Medienmogul unterstützt er den Brexit ebenso wie Donald Trump, befördert politische Karrieren und torpediert andere. So hat er ein beängstigendes Imperium medial-politischer Macht geschaffen. Der Artikel ist lang, aber liest sich wie ein Krimi. Hier ist er. Und hier ist die Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse.


WAS AMÜSIERT MICH?

Den Song "Eye of the Tiger" haben Sie bestimmt schon x-mal gehört. Gut. Schreiten wir also zur x-plus-ersten Hörprobe – aber die Instrumentierung optimieren wir ein bisschen. Band, Sänger, Chor: Das muss doch alles nicht sein. Weniger ist mehr. Also Ton ab für "Eye of the Tiger", gespielt auf einem ... Nadeldrucker!

Ich wünsche Ihnen einen tigerstarken Freitag und ein sonniges Wochenende. Wenn Sie mögen, hören Sie morgen doch mal in den Audio-Tagesanbruch hinein. Dort unterhalte ich mich mit meinem Kollegen Marc Krüger und unserem Sportreporter Luis Reiß über die wichtigsten Themen der Woche. Diesmal geht es um Moral, Macht und Militär: Am Samstag ab 6 Uhr hier.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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