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Coronavirus in Indien: Was passiert, wenn Covid-19 außer Kontrolle gerät?


Was heute wichtig ist
Wenn Corona außer Kontrolle gerät

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 13.08.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Helfer in einer indischen Corona-Teststation.Vergrößern des Bildes
Helfer in einer indischen Corona-Teststation. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Infektionskurve steigt wieder, die Diskussion nimmt wieder Fahrt auf. Viel haben wir inzwischen über Covid-19 gelernt, nicht nur über das Coronavirus selbst, sondern auch über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen: das wachsende Risiko einer Welle von Firmenpleiten im Herbst, Zigtausende gefährdete Arbeitsplätze, die Folgen der Schulschließungen für die Bildung der Kinder, unentdeckte Kindesmisshandlungen zu Hause, verschobene Operationen und Therapien, und die Liste ist noch lange nicht zu Ende. Wir machen uns zu Recht Gedanken über die künftige Entwicklung und den Sinn oder Unsinn der Maßnahmen dagegen. Aber heute möchte ich Sie an einen anderen Ort mitnehmen, um unsere Perspektive zu erweitern – in ein Land, in dem sich eine langfristige Katastrophe anbahnt, die unsere berechtigten Sorgen auf einmal klein erscheinen lässt: Indien, der nach China bevölkerungsreichste Staat der Erde, ist in einer Krise gefangen, in deren Zentrum das Coronavirus und die explodierenden Infektionszahlen stehen, die aber längst Millionen Menschen in eine noch größere Katastrophe hineinzieht.

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In Indien sehen wir, was geschieht, wenn Covid-19 außer Kontrolle gerät. Die offiziellen Zahlen geben nur ein lückenhaftes Bild der Lage wieder, können aber immerhin den Trend skizzieren: Die Infektionen steigen exponentiell, die Zahl der Toten tut es ebenfalls. Mehr als 2,3 Millionen Menschen tauchen in der Fallstatistik auf, womit Indien bereits den dritten Platz auf der weltweiten Rangliste belegt, obwohl die Zahlen kein realistisches Bild abgeben. In den Slums von Metropolen wie Kalkutta, wo sich selbst die Einwohnerzahl nur Pi mal Daumen schätzen lässt, ist die wirklichkeitsnahe Erfassung von Erkrankten eine unlösbare Aufgabe.

Die Schwierigkeiten beginnen schon viel eher: Beim Reinkommen zum Beispiel, und zwar ins Krankenhaus. Vor allem, wenn man weder Geld noch Beziehungen hat. Ein typischer Fall sieht so aus: Ein zwölfjähriger Bub mit schweren Atemwegssymptomen wird von seinen Eltern ins Hospital gebracht – aber dort abgewiesen, wie uns ein Vertreter der Hilfsorganisation Calcutta Rescue berichtet. Zweiter Versuch, diesmal in Begleitung eines Mitarbeiters der Organisation: wieder nichts. Erst als ein Arzt mitkommt, schafft es der Junge hinein. Selbst der Weg zum Krankenhaus wird für die Mittellosen aus den Armenvierteln zur Odyssee.

Angesichts dieser Bedingungen können Sie es wohl schon erahnen: Mit anderen Erkrankungen als Covid-19 braucht man sich in Indiens Krankenhäusern eigentlich gar nicht mehr blicken zu lassen. Menschen mit infektiösen, schwerwiegenden Krankheiten wie beispielsweise Tuberkulose kehren unbehandelt in die dichtbewohnten Quartiere zu ihren Familien zurück. Und je länger das so geht, desto größer wird die Gesundheitskrise. Selbst wenn das Coronavirus irgendwann unter Kontrolle gebracht sein sollte, werden die Folgen des überlasteten Gesundheitssystems Narben im Leben unzähliger Menschen hinterlassen.

Man darf diesen Zusammenhang nicht missverstehen. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von Covid-19 seien viel gravierender als das Virus selbst, heißt es immer wieder – und da mag, je nach Land und Lage, sogar etwas dran sein. Allerdings heißt das nicht, dass die Gefahren des Coronavirus übertrieben oder die Maßnahmen verzichtbar wären. Im Gegenteil: In Indien sehen wir, was geschieht, wenn die medizinische Versorgung der explodierenden Nachfrage nicht mehr gewachsen ist. Wir beobachten die Folgen des Staus bis zum Stillstand, wenn das Gesundheitssystem durch den permanenten Ansturm von Patienten aus den Fugen gerät. Dann geht die Gesellschaft in die Knie.

Indien ist weit weg, aber Entfernung ist kein Hindernis für Mitgefühl. Wenn Sie helfen wollen, finden Sie hier eine Möglichkeit. Außerdem können wir aus der Lage in Indien Lehren für unser eigenes Land ziehen. Denn wieder einmal zeigt sich: Covid-19 bekämpft man am Anfang. Nicht erst dann, wenn das Virus die Gesellschaft in seinen Klauen hält. Wir sollten aufpassen und auf steigende Infektionszahlen reagieren, bevor uns die Folgen um die Ohren fliegen. Eigentlich wissen wir das, aber wenn ich mich in Innenstädten und Internetforen umschaue, dann scheint es manchmal so, als würden wir es vergessen und doch nur das Beste hoffen.

Und noch etwas lehrt uns das Beispiel Indien: Covid-19 gerät dort außer Kontrolle, weil die Lebensverhältnisse vieler Menschen es ihnen unmöglich machen, Abstand zu halten oder einen Lockdown zu ertragen. Ohne ein gutes Gesundheitswesen, einen starken Sozialstaat und gelebte Solidarität funktioniert die Krisenprävention nicht. Halbwegs unbeschadet durch den Corona-Schlamassel kommt nur, wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt pflegt und niemanden auf der Strecke lässt. Das sollte uns eine Mahnung sein. Auch für die Zeit hinterher.


WAS STEHT AN?

17 Monate lang hat John Bolton an der Seite Donald Trumps die US-Außenpolitik geprägt. Nun schlägt der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Alarm: Sein Enthüllungsbuch, das heute auch in Deutschland erscheint, schlägt hohe Wellen. Im Interview mit unserem Washington-Korrespondenten Fabian Reinbold spricht er Herrn Trump grundlegende Kompetenzen ab: "Er denkt nicht strategisch, er denkt nicht politisch, er denkt in Transaktionen, ganz so, als ob er noch Immobilienhändler in Manhattan wäre." Bolton warnt eindrücklich vor den Folgen einer Wiederwahl Trumps im November, die insbesondere für Deutschland "höchst schädliche Auswirkungen" hätte: Der US-Präsident könne dann noch mehr Soldaten aus der Bundesrepublik abziehen, sein Land aus der Nato lösen – und er brenne darauf, endlich Strafzölle auf deutsche Autos zu verhängen. Moment, aber wenn er Herrn Trump so negativ sieht, wieso hat Bolton dann nicht schon während seiner Amtszeit Alarm geschlagen? Auch das hat unser Korrespondent ihn gefragt.

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WAS LESEN?

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WAS AMÜSIERT MICH?

Jedem das Seine.

Ich wünsche Ihnen Vernunft, Gelassenheit und eine kühle Brise an diesem schönen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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