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Corona-Ausbruch in Deutschland: "Jetzt zählt jeder Tag — und Disziplin."


Was heute wichtig ist
Jetzt zählt jeder Tag

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 26.10.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Pfleger versorgen einen Corona-Patienten in Straßburg. Die Lage hat sich dort drastisch verschärft.Vergrößern des Bildes
Pfleger versorgen einen Corona-Patienten in Straßburg. Die Lage hat sich dort drastisch verschärft. (Quelle: Jean-Francois Badias/AP/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Es sieht nicht gut aus, rund um Deutschland verschärft sich die Corona-Lage quasi stündlich. Spanien ruft den Notstand aus. Italien führt eine harte Sperrstunde ab 18 Uhr ein. In der Schweiz hat die Regierung die Situation wochenlang unterschätzt und versucht nun hektisch gegenzusteuern. In den Niederlanden ist schon fast jedes zweite Bett auf den Intensivstationen mit einem Covid-19-Patienten belegt, einige Krankenhäuser sind bereits voll. "Das Wasser steht ihnen bis zum Hals", sagt ein Behördensprecher. In Tschechien werden die Atemgeräte knapp, das Land liegt mit 730 Infektionen pro 100.000 Einwohnern europaweit auf Platz zwei. Den traurigen ersten Rang nimmt Belgien ein, dort sind es 738. Rund ein Drittel des medizinischen Personals in belgischen Hospitälern ist selbst mit Corona infiziert – muss aber trotzdem arbeiten, weil sonst niemand die Schwerkranken pflegen kann. "Unsere Krankenhäuser stehen am Rande des Abgrunds", warnt der Brüsseler Epidemiologe Marius Gilbert.

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Wir hören die Mahnung und erinnern uns: Vor rund vier Wochen lagen die Infektionszahlen Belgiens auf dem Niveau, das wir soeben in Deutschland erreicht haben. Bedeutet das, dass auch wir unweigerlich in den Notstand, den Lockdown, eine noch schärfere gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Krise hineinschlittern? Soweit muss es nicht kommen. Zwar kapitulieren auch hierzulande immer mehr Gesundheitsämter und können die Infektionen nicht mehr nachverfolgen, aber die Hospitäler sind bisher nicht überlastet. Die meisten Menschen befolgen die Hygieneregeln und die Appelle der Kanzlerin: Wer nicht unbedingt reisen muss, bleibt zu Hause. Wer eine Feier geplant hat, verschiebt sie aufs Frühjahr. Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, sagt: Im Vergleich zur ersten Corona-Welle im Frühjahr stecken sich derzeit viel mehr Menschen bei privaten Treffen an. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat es deshalb jetzt selbst in der Hand: Können wir Schlimmeres verhindern oder ereilen uns Zustände wie im Rest Europas? Jetzt zählt jeder Tag. Und Disziplin.


Wer immerzu auf die Corona-Lage starrt, der blendet schnell anderes aus. So ergeht es in diesen Tagen nicht nur Politikern, sondern auch Journalisten. In normalen Zeiten findet man in deutschen Zeitungen, Magazinen, Fernsehsendern und auf Nachrichten-Websites eine ziemlich gute Auslandsberichterstattung. Doch nun saugt Corona die Aufmerksamkeit auf und verdeckt andere Ereignisse, die eigentlich eine Beobachtung lohnen würden. Das ist riskant. Unsere Welt verändert sich so schnell und so grundlegend, dass viele Entwicklungen tiefgreifende Folgen haben können – für die Menschen vor Ort, aber auch für uns in Mitteleuropa. Deshalb ist es ratsam, auch jetzt wenigstens hin und wieder den Kopf zu heben und nachzusehen, was abseits der Pandemie auf der Welt geschieht. Hier ist eine Auswahl:

In Libyen haben sich die Kriegsparteien unter Vermittlung der Vereinten Nationen auf einen Waffenstillstand geeinigt. Beharrliche Friedensdiplomatie zahlt sich also aus. Nur darf sie jetzt nicht nachlassen. Erst wenn Russland, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Kämpfer zurückpfeifen und es gelingt, das Land zu beruhigen, kann die Not Tausender Menschen gelindert und womöglich auch die Schleuserroute am Mittelmeer gekappt werden.

In Belarus haben am Wochenende wieder mehr als hunderttausend Menschen gegen Diktator Lukaschenko protestiert – und das Regime schlägt immer härter zu. Nun scheinen die Polizisten auch mit scharfer Munition zu schießen. Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja fordert den Rücktritt des Despoten und hat für den heutigen Montag "einen landesweiten Streik aller Unternehmen, die Blockade aller Straßen und den Zusammenbruch des Verkaufs in staatlichen Geschäften" angekündigt. Die Zeichen stehen auf Sturm, und die EU muss sich entscheiden, ob sie engagierter einschreiten will – oder womöglich einem Massaker vor ihrer Haustür zusieht.

In Berg-Karabach gehen die Kämpfe auch nach dem Washingtoner Krisengipfel weiter. Aus der Stadt Stepanakert wird wieder Beschuss gemeldet. Russlands Präsident Putin berichtet von 5.000 Toten, kann die verfeindeten Regierungschefs in Armenien und Aserbaidschan bisher aber ebenso wenig mäßigen wie der türkische Präsident Erdogan. Vielleicht wollen sie es auch gar nicht, sowohl Moskau als auch Ankara liefern Waffen in den Kaukasus.

In Venezuela hat Oppositionsführer Leopoldo López seinen Kampf gegen Machthaber Maduro aufgegeben und das Land verlassen. Politische Reformen, faire Wahlen oder gar ein Ende von Hunger und Armut in dem ölreichen Land rücken damit in weite Ferne. Deshalb werden wohl auch noch mehr Bürger versuchen, ihre Heimat zu verlassen und in Nachbarländer zu fliehen. Außenpolitiker rechnen damit, dass sich die USA nach der Präsidentschaftswahl intensiver mit Venezuela befassen werden – was auch immer das bedeutet.

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Im Libanon hat sich die korrupte Machtelite durchgesetzt, Dauer-Premier Saad Hariri soll eine "neue" Regierung aus altbekannten Strippenziehern bilden. Der Reformwille nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut ist ebenso verflogen wie die Hoffnung der Bürger auf einen Wandel. Vor allem die von Iran gesteuerte Hisbollah blockiert jede Veränderung und verteidigt ihre Pfründe. Fast 60 Prozent der knapp sieben Millionen Einwohner sind in die Armut gestürzt, immer mehr verlassen das Land in Richtung Europa: Die Reichen per Flugzeug, die Armen per Schlauchboot.

Fünf Krisen, fünf Schauplätze die im Bewusstsein der meisten Menschen von der Corona-Dauerberichterstattung verdrängt werden – ebenso wie die Hungersnöte im Jemen, in Syrien, im Südsudan, in Burundi, auf den Komoren, in Somalia, in der Zentralafrikanischen Republik und in der Demokratischen Republik Kongo. Wie der Aufstand in Nigeria, der Aufbruch in Chile, der Freiheitskampf in Hongkong und, und, und… Wir sollten diese Schauplätze nicht aus den Augen verlieren. Wir könnten es sonst irgendwann bereuen.


WAS STEHT AN?

Die CDU muss angesichts der Corona-Lage wohl ihren Plan beerdigen, am 4. Dezember auf einem Parteitag mit 1.001 Delegierten ihren neuen Chef zu küren. Die Parteispitze will heute entscheiden, ob es stattdessen eine Briefwahl gibt oder ob sie den Showdown ins Frühjahr verschiebt. Der Grund für das Murren in der Partei ist aber ein anderer: Immer mehr Mitglieder halten keinen der drei Kandidaten für stark genug, die Bundestagswahl im kommenden Herbst zu gewinnen. Unser Reporter Tim Kummert hat sich hinter den Kulissen umgehört.


Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas berät ab heute über den neuen turbokapitalistischen Fünfjahresplan. Alles hochsensibel, alles hinter verschlossenen Türen, alles undemokratisch. Dabei dürfte auch die Entscheidung fallen, ob Peking nach dem Handelskonflikt und der Corona-Pandemie sein Verhältnis zu den USA neu ausrichtet. Sprich: seine wachsende Macht noch rücksichtsloser durchsetzt.


Dieses Schild hat unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold beim Spaziergang durch die Nachbarschaft entdeckt. "Um Himmels Willen", heißt es dort, soll doch bitte jeder Präsident werden, nur nicht Trump! Für meinen Kollegen bringt dieses Flehen ein Gefühl auf den Punkt, das ihm auch fernab der liberalen US-Hauptstadt immer wieder begegnet: Viele Amerikaner, auch einige, die ihm vor vier Jahren ihre Stimme gaben, sind einfach nur noch erschöpft von Donald Trump. Warum für den Präsidenten eine gute Woche vor der Wahl diese Erschöpfung gefährlicher ist als die übliche Empörung, erklärt Reinbold hier.


WAS LESEN?

Wir Europäer schauen oft mit Befremden auf die USA. Da hilft es, wenn jemand sich gut auskennt und manches erklären kann. Warum Geld eine so wichtige Rolle in der US-Politik spielt, wieso viele Bürger auf Waffen schwören und warum Amerikaner bisweilen neidisch auf Europäer sind, hat der Historiker Ronald D. Gerste meinem Kollegen Marc von Lüpke erklärt.


Viele junge Menschen leiden unter den Corona-Regeln – haben die Politiker Verständnis dafür? Meine Kollegen von Watson.de haben Olaf Scholz, Armin Laschet, Robert Habeck und weitere gefragt.


Kevin Kühnert (SPD) wirft der politischen Linken vor, zwar Rechtsextremismus lauthals anzuprangern, bei islamistischer Gewalt aber zu schweigen. Stimmt das? Unsere Kolumnistin Lamya Kaddor kann manches in der Debatte geraderücken.



WAS AMÜSIERT MICH?

Alles hat ja seine zwei Seiten.

Ich wünsche Ihnen einen ausgeruhten Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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