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Ein Traum wird wahr! Corona-Impfungen in Deutschland


Tagesanbruch
Ein Traum wird wahr

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 03.05.2021Lesedauer: 7 Min.
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Mit 5.000 Musikfans feierten diese Damen gestern beim ersten Festival in Liverpool seit Beginn der Pandemie. Alle Besucher mussten sich testen lassen.Vergrößern des Bildes
Mit 5.000 Musikfans feierten diese Damen gestern beim ersten Festival in Liverpool seit Beginn der Pandemie. Alle Besucher mussten sich testen lassen. (Quelle: Danny Lawson/dpa-bilder)

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Wir sind stärker

Was hat uns dieses Ding gequält! Es hat uns die Freiheit geraubt, unseren Frohsinn und die Nähe zu Freunden, Verwandten, Kollegen. Es hat Zehntausenden das Leben genommen und noch vielen mehr die Gesundheit. Es hat Kinder zu Hause eingesperrt und Senioren isoliert, Depressionen verursacht und Familien zerrüttet. Es hat unseren Staatshaushalt geplündert, Arbeitsplätze vernichtet, Betriebe ruiniert und Kulturstätten zerstört. Es hat die Spaltung unserer Gesellschaft vertieft und viele Menschen radikalisiert. Es hat das Misstrauen gegen Politiker, Mitbürger, andere Länder geschürt und viele Leute an den Rand der Hoffnungslosigkeit gebracht, manche auch darüber hinaus.

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Rund 160 Nanometer misst das Coronavirus, das sind nur 0,000000160 Meter. Doch seine Macht ist riesig. Binnen weniger Monate hat sich der Winzling rund um den Globus verbreitet und die Menschheit geknechtet, in Metropolen und in Dörfern, im Norden, Süden, Westen, Osten. Jeder Mensch lebt sein eigenes Leben und hat seine eigenen Erfahrungen in dieser Jahrhundertkrise gesammelt, hat vielleicht nachts wach gelegen und um die Gesundheit der Mutter, des Bruders oder der Oma gebangt, hat vielleicht die Ersparnisse auf dem Konto schwinden und Freunde verzweifeln sehen. Jeder ist für sich durch diese Pandemie gegangen, aber vieles haben wir auch gemeinsam erlebt.

Auf den Schock beim Ausbruch der Seuche im vergangenen Frühjahr folgten die kollektive Disziplin und das Erfolgserlebnis des Zusammenhalts. Dann der Sommer der Sorglosigkeit und die Wut der Verquerdenker auf den Straßen. Die breite Unterstützung für die Regierenden wich erst dem Misstrauen, dann der Skepsis und schließlich dem Ärger, als die Reaktion auf die zweite Viruswelle sich in trägem Herumlavieren erschöpfte, als die Hilfsgelder nur spärlich tröpfelten und der Start der Impfkampagne versemmelt wurde. Statt Entschlossenheit regierte nun Zaudern, so taumelte das Land in den Dauer-Lockdown und die dritte Welle, ausgepowert, enttäuscht, frustriert. Viele Gesichter sehen nun müde aus, viele Stimmen am Telefon klingen leise: Es soll jetzt bitte, bitte endlich enden!

Es ist ein anderes Deutschland, in dem wir nun jeden Morgen erwachen. Ein versehrtes, erschüttertes Land. Wir haben keinen Krieg überlebt, aber in manchen Gesprächen fühlt es sich so an, als sei uns in den vergangenen 14 Monaten genau das widerfahren: ein Kampf auf Leben und Tod, ein Gefecht mit einem unsichtbaren, aber übermächtigen Gegner, der jede und jeden hinterrücks befallen kann, der unsere Mitmenschen zur tödlichen Gefahr macht und so unsere Gesellschaft zersetzt.

Malen Sie sich bitte für einen Augenblick aus, in welcher Lage wir uns befänden, wären nicht in Rekordzeit die Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt worden. Stellen Sie sich vor, die Entwicklung hätte ähnlich lang gedauert wie jene anderer Impfstoffe, etwa Hepatitis, Masern, Tuberkulose. Dann hätten wir 2025 oder sogar 2030 immer noch Corona. Immer noch Lockdown, Abstandspflicht, Isolation. Teilweise geschlossene Schulen, kaputte Unternehmen, Schuldenberge bis Sankt Nimmerlein, eine zerrüttete Gesellschaft und natürlich unzählige Tote und Versehrte. Vielleicht würden wir irgendwann Kompromisse machen und die Seuche tolerieren, damit sie unser Sozial- und Wirtschaftsleben nicht vollends ruiniert, vielleicht würden wir in Kauf nehmen, dass Jahr um Jahr Zehntausende Menschen dem Winzling zum Opfer fallen.

Aber so ist es nicht. Wir Menschen sind stärker als der Feind. Wissenschaft kann ihn besiegen, und die entscheidenden Impulse kommen aus Deutschland. In Tausenden Praxen wird auch heute, an diesem regnerischen Montag, wieder der Impfstoff von Biontech geimpft. 400 Mitarbeiter im neuen Werk in Marburg arbeiten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, im Schichtbetrieb. 50.000 Arbeitsschritte umfasst die Produktion des Impfstoffs, bis Jahresende will die Firma eine halbe Milliarde Dosen ausliefern.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich beeindruckt diese Dynamik sehr. Sie rührt mich. Sie zeigt doch, dass es Hoffnung gibt, nennen Sie es einen Silberstreif am Horizont oder Licht am Ende des Tunnels, wie auch immer, es ist doch wirklich großartig. Und es hat konkrete Folgen. Schon mehr als ein Viertel der Bundesbürger ist mindestens einmal geimpft worden, bis Ende Mai soll es die Hälfte sein. Spätestens ab dem 7. Juni werden auch Betriebsärzte einbezogen, dann können sich Angestellte direkt von ihrer Firma impfen lassen. Mindestens eine halbe Million Dosen sind dafür vorgesehen, hat das Gesundheitsministerium gestern verkündet – pro Woche. Hinzu kommen die Dosen für Arztpraxen: Ab heute sind es pro Woche 1,6 Millionen von Biontech und mehr als eine Million von Astrazeneca, ab 1. Juni dann mehr als drei Millionen allein von Biontech: Woche für Woche. Die Impfzentren bekommen ab jetzt wöchentlich mehr als zwei Millionen Dosen geliefert. "Impfdosen" ist nun ein Synonym für "Hoffnung".

Auch das hat konkrete Folgen. Noch in dieser Woche wollen Bund und Länder beschließen, welche Corona-Beschränkungen für Geimpfte wegfallen – wer also schrittweise seine Grundrechte, seine Freiheiten, sein alltägliches Leben zurückbekommt. Für jene, die noch einige Wochen auf die Spritze warten müssen, wird sich das nicht gut anfühlen. Sie verdienen Rücksicht und Respekt für ihre Geduld. Sie werden mit Ungeduld, vielleicht auch ein wenig Neid auf die Geimpften blicken, aber auch sie werden drankommen, und zwar bald. In diesem ersten Halbjahr 2021 erleben wir eine Hauruckaktion von historischen Ausmaßen: Binnen weniger Wochen werden Millionen Menschen gegen den unsichtbaren Feind immunisiert. Jeder, der ihn haben will, bekommt einen kostenlosen Schutzpanzer, an dem das tückische Virus abprallt. Das ist die Nachricht des Lebens, so schön wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen.

Auch von den Gesundheitsämtern und aus den Krankenhäusern kommen ermutigende Nachrichten. Gestern meldete das Robert Koch-Institut 16.290 erfasste Neuinfektionen binnen eines Tages und 110 neue Todesfälle. Das sind immer noch zu viele, aber deutlich weniger als vor einer Woche. Die bundesweite Inzidenzzahl ist den sechsten Tag in Folge gesunken und liegt nun bei 146. Auch die Kliniken spürten "eine erste, leichte Entlastung", sagt der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Zwar sei die Belastung noch sehr hoch – ein exponentieller Zuwachs der Intensivpatienten sei derzeit aber nicht mehr zu befürchten.

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Auch das darf uns hoffnungsfroh stimmen. Und am schönsten ist die Hoffnung ja dann, wenn man sie mit einer konkreten Vorstellung verbindet. Tun Sie das doch heute Morgen einfach mal. Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit und denken Sie an den Urlaubsort, an den Sie endlich wieder einmal reisen möchten. Malen Sie sich aus, wie Sie dort Natur oder Kultur, die Sonne oder die Wonne guter Speisen genießen. Und dann seien Sie gewiss: Es dauert nicht mehr lange, dann werden Sie diesen schönen Ort wieder besuchen können. Vielleicht schon im Sommer, vielleicht im Herbst. Ich für meinen Teil bin heute Morgen ein bisschen maßlos und stelle mir gleich sieben schöne Orte vor. Und damit Sie wissen, was ich meine, habe ich Ihnen Bilder mitgebracht. Schwelgen Sie mit mir?


Im Namen der Freiheit

Als Reporter ohne Grenzen in der vergangenen Woche die Rangliste der Pressefreiheit vorlegten, war das Ergebnis alarmierend: Ein Jahr nach Beginn der Pandemie stehen Journalisten in vielen Teilen der Welt so stark unter Druck wie selten zuvor. Staatliche Desinformation, willkürliche Festnahmen und Gewalt gegen Medienschaffende schränken die Pressefreiheit auf allen Kontinenten ein. Auch Deutschland verschlechtert sich um zwei Plätze vom 11. auf den 13. Rang wegen vieler Übergriffe während Corona-Demos. Wenn heute der Welttag der Pressefreiheit begangen wird und zahlreiche Verbände zu Online-Veranstaltungen einladen, ist das also mehr als nur ein Ritual. So unabdingbar die Meinungsfreiheit ist, die es jedem erlaubt, auch den größten Unsinn von sich zu geben, so wichtig ist die Pressefreiheit, die wahrheitsgetreue Berichte über alles ermöglicht, was von öffentlichem Interesse ist – ob es jemandem gefällt oder nicht.


Die unerbittlichen Sieben

Bevor sich ab morgen die Außen- und Entwicklungsminister der G7-Staaten in London erstmals seit Langem wieder persönlich treffen, führt der britische Außenminister Dominic Raab heute schon mal Vorgespräche mit seinen amerikanischen und japanischen Amtskollegen. Großbritannien will seinen diesjährigen Vorsitz in der Gruppe der sieben größten Industrieländer für einen härteren Kurs gegen Russland und China nutzen: Die G7-Mitglieder sollen gemeinsam gegen Falschinformationen aus den beiden Staaten vorgehen. Außerdem dient das Treffen der Vorbereitung des "echten" G7-Gipfels im Juni in Cornwall. Zentrale Themen der Staats- und Regierungschefs dürften dann der Wiederaufbau nach Corona und der Kampf gegen die Klimakrise sein. Während es für US-Präsident Joe Biden das erste persönliche Treffen mit den anderen sieben Regierungschefs wird, dürfte das Treffen für Angela Merkel der letzte G7-Gipfel werden.


Fußball-Chaoten

Wird DFB-Präsident Fritz Keller heute Abend noch im Amt sein? Schwer vorstellbar, nachdem ihn die Chefs der Landes- und Regionalverbände gestern wegen eines unsäglichen Nazi-Vergleichs zum Rücktritt aufgefordert haben. Sollte der 64-Jährige der Aufforderung nachkommen, würden gemäß Satzung zunächst die beiden 1. Vize-Präsidenten Rainer Koch und Peter Peters die Führung der Chaotenriege übernehmen. Der Machtkampf im Verband, der die Kollegen der "Süddeutschen Zeitung" an ein "finsteres Schurkenstück" erinnert, dürfte damit aber längst noch nicht ausgestanden sein.


Was lesen und anschauen?

Heftige Krawalle in Berlin, Ausschreitungen in Hamburg und Frankfurt: Randale von Linksextremisten hat die friedlichen Demonstrationen zum 1. Mai überschattet. Die Kollegen des ZDF geben uns Einblicke.


Nach fast zwanzig Jahren haben die westlichen Truppen ihren Abzug aus Afghanistan begonnen, auch die Bundeswehr. Die Soldaten lassen ein fragiles Land zurück, in dem die Gewalt wieder zunimmt. Ein "Arte"-Report zeigt ein verletztes Land.


Die griechischen Behörden haben das Flüchtlingslager "Kara Tepe 1" auf der Insel Lesbos geräumt. Was geschieht nun mit den Menschen? Eine Hebamme vor Ort berichtet meinen Kollegen Sophie Loelke und Arno Wölk von der erbärmlichen Lage.


Wie bekommt man jetzt schnell einen Impftermin? Meine Kollegin Sandra Simonsen erklärt es Ihnen.


Die Grünen haben gerade einen Lauf. Doch bisher folgten für sie auf tolle Umfragen oft bescheidene Wahlergebnisse. Die Partei kämpft gegen ihr größtes Trauma und ist deshalb nervös, berichtet unser Reporter Johannes Bebermeier.


Was amüsiert mich?

Wenn das so weitergeht mit dem Impf-Turbo, dürfen bestimmt bald wieder viele Geschäfte öffnen. Wird ja auch Zeit.

Ich wünsche Ihnen einen gepflegten Tag. Morgen schreibt mein Kollege Sven Böll den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Mittwoch wieder. Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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