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Friedrich Merz: Ampel sorgt für "ungezügelte Einwanderung in Sozialsysteme"


CDU-Favorit Friedrich Merz
Ampel sorgt für "ungezügelte Einwanderung in Sozialsysteme"

InterviewVon Sven Böll, Sebastian Späth

Aktualisiert am 09.12.2021Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Friedrich Merz (r.) und Unterstützer Mario Czaja (l.): Am 16.November erklärten die beiden CDU-Politiker ihre gemeinsame Bewerbung für die Parteiführung.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (r.) und Unterstützer Mario Czaja (l.): Am 16.November erklärten die beiden CDU-Politiker ihre gemeinsame Bewerbung für die Parteiführung. (Quelle: Annegret Hilse/Reuters-bilder)

Schafft er es im dritten Versuch? Friedrich Merz ist zuversichtlich, endlich CDU-Chef zu werden. Mit seinem Kandidaten für den Job des Generalsekretärs Mario Czaja attackiert er die Ampelkoalition – vor allem für ihre Vorhaben in der Migrationspolitik.

Herr Merz, wie oft kann man sich eigentlich für den gleichen Job bewerben?

Friedrich Merz: Im normalen Leben einmal, in der Politik vielleicht zweimal, in der CDU unter den aktuellen, besonderen Umständen maximal dreimal.

Das heißt: Die CDU lässt sich derzeit weder mit den Maßstäben des normalen Lebens noch mit denen der Politik beurteilen?

Merz: Wir befinden uns im Augenblick im kollektiven Ausnahmezustand.

Ist es wirklich so schlimm?

Merz: Die Niederlage bei der Bundestagswahl war hart, die Umstände, unter denen wir verloren haben, waren noch härter. Das war der Tiefpunkt. Das Gute daran ist: Es geht inzwischen wieder aufwärts. Die Stimmung in der Partei ist besser als die Umfragen, und selbst die Umfragen werden langsam wieder besser.

Wenn es dieses Mal für Sie nicht klappt, werden Sie es definitiv nicht ein viertes Mal versuchen, oder?

Merz: Ich kandidiere erneut für den CDU-Vorsitz, weil es ein Votum der Mitglieder gibt und erst dann ein Parteitag entscheidet. Das Ergebnis wird für mich eine endgültige Entscheidung sein. So oder so.

Nach Ihrer Niederlage gegen Armin Laschet im Januar haben Sie sich selbst als Wirtschaftsminister empfohlen. Auf welches Amt schielen Sie dieses Mal, wenn es schiefgeht?

Merz: Geschielt habe ich noch nie auf ein Amt. Ich konzentriere mich jetzt voll und ganz auf den Parteivorsitz.

Und was machen Sie, Herr Czaja, wenn es nicht klappt, Generalsekretär unter Friedrich Merz zu werden?

Mario Czaja: Ich habe bislang nur in Teams kandidiert, die gewonnen haben ...

... irgendwann ist immer das erste Mal.

Czaja: Im Ernst: Friedrich Merz und unser Team sind ein großes Integrationsangebot an die CDU – und wir erfahren viel Zustimmung. Entscheidend ist, dass die Basis nun das Wort hat und sich dann alle hinter der neuen Führung versammeln.

Aber Sie werden doch unabhängig vom Ausgang in Zukunft eine prominentere Rolle spielen.

Czaja: Es mag pathetisch klingen, aber es geht nicht um mich als Person.

Das sagen alle Politiker.

Czaja: Aber ich meine das sehr ernst. Nicht viele haben es noch vor einigen Monaten für möglich gehalten, dass ich meinen Wahlkreis in Ost-Berlin nach 30 Jahren der Linken abnehme und direkt gewinne. Dies war nur im Team möglich. Dass ich nun auch darauf aufbauend meinen Beitrag zur Erneuerung der CDU leisten darf, ist eine große Wertschätzung unserer Arbeit, aber auch eine große Verantwortung. Wir sind überzeugt, die Union wird als Volkspartei zwingend gebraucht. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Der 66-jährige Friedrich Merz kandidiert derzeit zum dritten Mal für den CDU-Vorsitz. Zuletzt unterlag der ehemalige Vorsitzende der Unionsfraktion im Januar Armin Laschet. Sollte Merz dieses Mal gewinnen, will er den 46 Jahre alten Mario Czaja zu seinem Generalsekretär machen. Der frühere Berliner Senator für Gesundheit und Soziales sitzt seit Oktober im Bundestag.

Herr Merz, Sie haben bei Ihrer Kandidatur erklärt, soziale Gerechtigkeit sei ein wichtiges Thema. Wie sind Sie denn plötzlich darauf gekommen?

Merz: Ich habe dazu bereits in der Vergangenheit häufiger etwas gesagt und geschrieben, häufiger, als die Medien es mitbekommen haben. Wahrscheinlich auch, weil ich in der veröffentlichten Meinung ganz gern in bestimmte Schubladen gesteckt werde. Nun habe ich diesen Aspekt nochmals deutlich betont, weil eine nüchterne Analyse des Bundestagswahlergebnisses zeigt, dass wir beim Thema "Soziale Gerechtigkeit" große Defizite hatten.

Das heißt, Sie sind dem CDU-Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann näher als FDP-Chef Christian Lindner?

Merz: Karl-Josef Laumann und ich sind politisch schon immer sehr eng beieinander gewesen.

Herr Czaja, was hat Friedrich Merz, was seine internen Konkurrenten Norbert Röttgen und Helge Braun nicht haben?

Merz: Einen besonders guten Generalsekretär, das kann er jetzt nur nicht selbst sagen.

Czaja: Ich will andere Kandidaten gar nicht bewerten. Mit Friedrich Merz gelingt eine Versöhnung mit und in der Partei.

Man könnte auch auf die Idee kommen, Friedrich Merz hätte dem inneren Frieden der CDU mehr gedient, wenn er auf eine erneute Kandidatur verzichtet hätte.

Czaja: Das sehe ich ganz anders – das Gegenteil ist der Fall. Er bringt viel Erfahrung mit, die Union auch in schwierigen Zeiten erfolgreich zu führen. Er vereint die vielfältigen Positionen und Flügel der CDU.

Merz: Ich habe darüber nachgedacht, bin aber trotzdem zu meiner Entscheidung gekommen. Mein Gefühl sagt mir, dass ich großen Rückhalt an der Basis habe und mir deshalb die Befriedung der Partei gelingen kann.

Norbert Röttgen ist der Weltmännische, Braun der Merkel-Vertraute – und Sie also der Friedensengel?

Merz: Diese Kategorisierungen fallen mir immer schwer. Mir ist etwas anderes wichtig: Ich bringe in dieses Amt nicht nur Erfahrungen aus der Bundes- und Europapolitik mit. Nach 20 Jahren in der Politik war ich 12 Jahre wieder im Beruf – und bin nun zurückgekehrt. Damit bin ich ja leider so etwas wie ein Solitär in der deutschen Parteienlandschaft. Ich würde mir wünschen, dass es solche Wechsel öfter gibt.

Herr Czaja, Ihr jüngerer Bruder ist zur FDP abgewandert. Können Sie denn überhaupt jemanden von der CDU überzeugen, wenn das nicht mal in der eigenen Familie gelingt?

Merz: Jede Familie hat ihr "schwarzes" Schaf – auch wenn es in diesem Fall gelb ist!

Czaja: Es schadet doch nicht, wenn Menschen sich unterschiedlich engagieren. Mein Bruder ist seit Langem mit Herz und Verstand Liberaler. Ich bin mir aber sicher: Würde er in meinem Wahlkreis wohnen, hätte er mich mit der Erststimme bestimmt gewählt.

Sie sind in der CDU ja eher ein Parteilinker ...

Czaja: ... nein! Ich stehe genauso in der Mitte der Partei wie Friedrich Merz.

Trotzdem sind wir neugierig, welche Breite der Volkspartei CDU Sie beide abbilden. Bitte vervollständigen Sie dafür ein paar Sätze: Die größte Ungerechtigkeit in Deutschland besteht in ...

Merz: ... den schlechten Bildungschancen von Kindern aus bildungsfernen Familien.

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Czaja: Da stimme ich voll und ganz zu.

Die von der Ampel vereinbarte Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ist ...

Merz: ... in der Summe berechtigt, im Verfahren äußerst zweifelhaft.

Czaja: Die Politik sollte nicht mit Lohnhöhen Wahlkampf machen. Wenn sie sich in die Tarifautonomie einmischt, schwächt das vor allem auch die wichtige Rolle der Gewerkschaften.

Die Erbschaftsteuer sollte ...

Czaja: ... nicht erhöht werden. Weil ich generell nichts davon halte, dass der Staat weitere Steuern erhöht.

Merz: Das Problem in Deutschland ist, dass viele Erbschaften Personengesellschaften betreffen – und sich bei diesen Unternehmen Privat- und Firmenvermögen nicht trennen lassen. Jede noch so kleine Änderung bei der Erbschaftsteuer kann deshalb in hohem Maße Arbeitsplätze gefährden.

Dass Deutschland zugleich aus der Atom- und der Kohlekraft aussteigt, ist ...

Merz: ... ein ziemliches Abenteuer. Und zumindest in dieser Reihenfolge falsch.

Czaja: Die Klimapolitik der Ampelkoalition gibt weder eine belastbare Antwort auf die zukünftige Versorgungssicherheit in unserem Land noch auf die massiv steigenden Energiekosten.

Eine schärfere gesetzliche Quote für mehr Frauen in Chefpositionen ...

Merz: ... sollte es nicht geben, weil Quoten sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft immer nur die zweitbeste Lösung sind.

Czaja: Das sehe ich ähnlich. Wir brauchen vor allem eine viel bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Quote kann nur in Ausnahmefällen helfen.

Dass die Ampel Einwanderung erleichtern wird, ist ...

Czaja: ... so keine vernünftige Option. Die falschen Anreize, die SPD, Grüne und FDP setzen wollen, führen nicht zu der qualifizierten Einwanderung, die wir dringend benötigen ...

Merz: ... sondern werden wieder eine ungezügelte Einwanderung in unsere Sozialsysteme bewirken. Das ist das völlig falsche Signal.

Das klingt, als wäre das Ihre größte Kritik am Koalitionsvertrag.

Czaja: Ja, die Ampelpläne sind weder gut für den Arbeitsmarkt noch für den sozialen Frieden in unserem Land.

Merz: Ich habe an Koalitionsverträge noch nie besonders hohe intellektuelle Ansprüche gestellt. Aber dieses Werk zeichnet sich in der Tat dadurch aus, dass es sich um ein unstrukturiertes Wunschkonzert ohne Preisschilder handelt. Die schönen Pläne dürften im Regierungsalltag relativ schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.

Gestern wurde Olaf Scholz zum Kanzler gewählt. Ist das eigentlich jenes Ende der Ära Merkel, das Sie herbeigesehnt haben?

Merz: Ich habe in den letzten drei Jahren oft genug befürchtet, dass die Union nach der Bundestagswahl 2021 in der Opposition landet. Sie können mir glauben: Ich hätte sehr gern unrecht gehabt.

Wenn man es positiv drehen wollte, könnte man sagen: Die Wahlniederlage ist für die Union heilsam. Immerhin wissen Sie jetzt, dass es nicht egal ist, wer als Kanzlerkandidat antritt und ob es ein attraktives Programm gibt.

Merz: Wir sind bei der Wahl mit knapp über 24 Prozent hart aufgeschlagen, aber wir haben überlebt. Und in jeder Niederlage steckt auch eine Chance. Wir werden jetzt die Gelegenheit nutzen, unsere politischen Antworten weiterzuentwickeln. Denn wir müssen nicht mehr auf einen Koalitionspartner Rücksicht nehmen und können wieder sagen, was wir für richtig halten.

Czaja: In der Vergangenheit hat die CDU in der Koalition häufig den Kompromiss vorweggenommen und es versäumt zu erklären, welche Ausgangsposition ursprünglich bei uns bestand.

Was sind denn die wichtigsten inhaltlichen und organisatorischen Entscheidungen, die Sie treffen, sofern Sie gewählt werden?

Merz: Organisatorisch müssen wir unsere Parteizentrale rasch neu aufstellen. Sie arbeitet noch in Strukturen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Deshalb waren wir ja auch nicht wirklich kampagnenfähig. Inhaltlich werden wir uns schnellstmöglich wieder an die Erneuerung des Grundsatzprogramms machen.

Vielleicht eilt es gar nicht so. Die Ampel hat angekündigt, sie wolle mehr als eine Wahlperiode regieren.

Merz: Das entscheiden bei uns ja zum Glück allein die Wähler. Wir wollen rasch wieder regierungsfähig sein. Denn eine Opposition ist nur dann wirklich gut, wenn sie jederzeit die Regierung übernehmen kann.

Freuen Sie sich schon darauf, im Frühjahr Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus als Oppositionsführer abzulösen?

Merz: Ich wäre dankbar und würde mich wirklich sehr darüber freuen, wenn ich die Zustimmung einer Mehrheit der CDU-Mitglieder für meine Wahl zum Vorsitzenden bekäme.

Was nicht ausschließt, dass Herr Brinkhaus bald seinen Posten räumen muss.

Merz: Darüber mache ich mir gerade überhaupt keine Gedanken.

Dann wollen wir abschließend noch über etwas anderes spekulieren: Spätestens mit Ihrer dritten Kandidatur sind Sie so etwas wie ein popkulturelles Phänomen. In Teilen der Bevölkerung stoßen Sie aber immer noch auf viel Abneigung. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Merz: Um in Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben: Wahrscheinlich ist eine gewisse Polarisierung für popkulturelle Phänomene normal.

Aber es gibt auch viele prominente Vertreter in Ihrer Partei, die sich offen gegen Sie als CDU-Chef aussprechen – etwa der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther. Wie wollen Sie so hartnäckige Kritiker integrieren?

Merz: Solche Wortmeldungen habe ich zuletzt nicht mehr gehört. Im Gegenteil. Außerdem bin ich sicher, dass es mir nach meiner Wahl gelingen wird, meine Kritiker einzubinden.

Aber es ist okay, wenn sich sogenannte Parteifreunde explizit gegen Sie aussprechen?
Merz: In einer demokratischen Partei gibt es Meinungsfreiheit, und die darf man auch gegenüber handelnden Personen ausüben!

Herr Merz, Herr Czaja, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Friedrich Merz und Mario Czaja
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