Aufbaugelder für Gaza Warum immer wir?

Wenn der Frieden kommt, steht Gaza vor einem Wiederaufbau mit immensen Kosten. Deutschland hat vor allen anderen schon seinen Beitrag dazu angekündigt. Das ist voreilig und innenpolitisch unüberlegt.
Früher war bekanntlich nicht nur alles besser, sondern vor allem einfacher. Wenn irgendwo auf der Welt eine Krise aufzog, die auch militärisches Engagement der Weltgemeinschaft oder der Nato erforderte, dann schickten viele Nationen Soldaten, Deutschland schickte einen Scheck. Diese Methode "Kohl" (sie verbindet sich vor allem mit der Amtszeit des Kanzlers aus der Pfalz) war international eingeführt, ihr Vollzug fast schon Reflex. Sie wurzelte in der deutschen Urschuld.
Inzwischen, weil sich zum einen die Vorbehalte gegen deutsche Soldatenstiefel jenseits des deutschen Staatsgebiets gelegt haben und zum anderen die Bundeswehr über die notwendigen Fähigkeiten verfügt, hat sich der erste Teil dieses unausgesprochenen Gesetzes gegeben. Der zweite aber ist als Reflex im politischen Rückenmark dieses Landes immer noch fest verankert.

Zur Person
Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war.
So auch jetzt in Gaza. Die Geiseln waren noch nicht frei, da schlug Deutschland schon vor, eine Wiederaufbaukonferenz zu initiieren und legte, dem Reflex folgend, schon mal 29 Millionen Euro in die Kollekte. Als Anreiz für die anderen und als Impuls für einen finanziellen Kraftakt, der laut Schätzungen der Weltbank mindestens 53 Milliarden Dollar betragen wird.
Nach meinem Empfinden sollten Außenminister Johann Wadephul und Bundeskanzler Friedrich Merz hier mit etwas mehr politischem Gespür für die Stimmung im eigenen Land agieren. Denn die Gaza-Aufbaufrage (wenn es dazu überhaupt kommt, der Weg zum Frieden scheint voller Steine) fällt in eine Zeit, in der der Finanzminister gerade einen "Marathon der Reformen" ausgerufen hat, und Reformen, das wissen die Wählerinnen und Wähler sehr genau, das heißt: Leistungskürzungen, höhere Beiträge, Abgaben und Steuern. Es geht gar nicht anders.
Dabei ist schon alles teurer geworden, massiv teurer geworden. Wer das nicht glaubt, soll mal seine Gasrechnung der vergangenen zwei Jahre nebeneinanderlegen und der Frage nachgehen, weshalb sich die Kosten bei gleichem Verbrauch fast verdoppelt haben. Kleiner Suchhinweis: CO2-Preis ... Bestimmt eine gute Sache und für einen guten Zweck, aber eben ein weiterer unscheinbarer, zugleich effektiver Saugrüssel am Geldbeutel der Leute. Stromsteuer: genau das Gleiche. Das Gefühl ist nicht verkehrt: Immer mehr dieser Saugrüssel kommen zum Einsatz.
Das Geld reicht nicht
Und es reicht trotzdem nicht. Lars Klingbeil, der Finanzminister, wird nicht müde, auf zwei Zahlen hinzuweisen. 30 Milliarden Euro, die im Haushalt 2027 fehlen. Und 170 Milliarden in der mittelfristigen Finanzplanung. Obwohl in der gleichen Zeit eine Billion (das sind tausend Milliarden oder auch eine Million Millionen) an extra Schulden für Militär und Infrastruktur gemacht wird. Das alles heißt: Die Zeiten der Methode Kohl sind vorbei. Das Scheckbuch ist nicht mehr gedeckt.
Es geht mehr um das Signal als um die Summe: Wenn zu Hause das Geld knapp wird und sich alle Einzahler ins System darauf gefasst machen dürfen, noch mehr zur Kasse gebeten zu werden, sollte man sich solche eilfertigen Angebote Richtung Nahost gut überlegen. Und erst mal fragen, wer zuvorderst dran ist beim Geldsammeln für Gaza. Und da gilt erstens das sehr sinnige Prinzip aus dem normalen Leben: Wer es kaputt gemacht hat, der macht es auch wieder ganz. Grundsätzlich kein schlechtes Prinzip und nennt sich in solchen Fällen: Reparationen.
Das Verursacherprinzip sollte gelten
Bei Gaza handelt es sich obendrein beim Verursacher um einen Verbündeten – im Unterschied zur Ukraine und Russland. Dort wird dereinst neben den bereits geleisteten über 70 Milliarden Euro Militärhilfe und ziviler Unterstützung im akuten Krieg aus guten Gründen von der Bundesregierung ein substanzieller Obolus erwartet werden. Es ist also legitim und völlig folgerichtig, wenn die Europäer darauf Wert legen, dass sich Israel stark finanziell an diesem Wiederaufbau beteiligt.
Zweitens ist die arabische Welt voller obszön reicher Länder wie Saudi-Arabien und Katar, denen das Wohlbefinden ihrer Brüder und Schwestern in Palästina auch etwas wert sein sollte. Statt sich aus lauter Überfluss Fantasiestädte monströsen Ausmaßes in die Wüste zu bauen. Und seit Jahr und Tag (mit heimlicher Freude?) zuzuschauen, was dieser Eiterherd Gaza an Terror und Gewalt hervorbringt.
- Eigene Überlegungen



