t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon


HomePolitikUwe Vorkötter: Elder Statesman

USA | Trumps Angriff auf die Pressefreiheit: Es ist gefährlich


Pressefreiheit in den USA
Jetzt zeigt sich, wer wirklich Rückgrat hat

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

30.09.2025Lesedauer: 5 Min.
US-Präsident Donald Trump (Archivfoto): Er geht subtil, aber brachial gegen die unliebsame Medien vor.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump (Archivfoto): Er geht subtil, aber brachial gegen unliebsame Medien vor. (Quelle: JOEL MARKLUND/imago-images-bilder)
News folgen

Jimmy Kimmel sendet wieder. Ist Trumps Frontalangriff auf die Medien also gescheitert? Nein. Die Redefreiheit, seit 1791 in der US-Verfassung verankert, ist in akuter Gefahr.

Wann hat das eigentlich alles angefangen? Dieser Krieg gegen die Medien, den Donald Trump mit Milliardenklagen führt, mit wüsten Attacken gegen Institutionen wie die "New York Times" und CNN, mit der persönlichen Diffamierung von prominenten Moderatoren, mit der Forderung, Sendungen abzusetzen, missliebige Journalisten rauszuschmeißen? Das ist alles so alltäglich geworden, scheinbar Teil des ganz normalen politischen Kampfs um Macht und Meinungen. Natürlich ist es das nicht. Es ist trumpish, es ist gefährlich.

Der US-Präsident ist mächtig. Aber er hat eigentlich nicht die Macht, die Freiheit der Rede oder die Pressefreiheit abzuschaffen. Der allererste Verfassungszusatz, Kernbestandteil der Bill of Rights, verbietet das. Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das diese bürgerlichen Freiheiten einschränkt, der Präsident sowieso nicht. Trump schränkt die Freiheiten ohne Gesetz ein. Er unterschreibt dafür auch keine Dekrete mit dickem schwarzem Filzstift. Er macht das auf subtile und dennoch brachiale Weise.

Video | Privates Video zeigt Trump-Lästerei
Video lädt
Player wird geladen
Quelle: t-online

Angefangen hat es, als Trump gerade zum ersten Mal gewählt, aber noch gar nicht im Amt war. Dem CNN-Reporter Jim Acosta beschied er in einer Pressekonferenz: "Dir gebe ich keine Möglichkeit für eine Frage, ihr seid Fake News!" Das hat damals, vor achteinhalb Jahren, für Empörung gesorgt, weit über die US-Medien hinaus. Der gewählte Präsident hatte die ungeschriebenen Regeln gebrochen, die das heikle Verhältnis von Medien und Politik ausbalancieren. Das war nicht nur eine Unverschämtheit gegenüber Acosta und CNN. Es steckte eine Ansage darin: Ich lasse mich nicht von den Medien kontrollieren. Ich kontrolliere die Medien.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.

Ein Lehrstück in politischer Kommunikation

Fake News, dieser Vorwurf galt bis dahin ihm selbst. Trump hatte im Wahlkampf behauptet, Barack Obama sei nicht in den USA geboren, hätte folglich gar nicht Präsident werden dürfen. Seine Kampagne verbreitete niederträchtige Vorwürfe gegen Hillary Clinton, die sie mit Satanismus und Pädophilie in Verbindung brachten. Er log das Blaue vom Himmel, die Medien erfanden den Faktencheck, um ihn als Märchenerzähler zu demaskieren. Und nun wendete er den Vorwurf der Fake News gegen seine Kritiker. Ein strategischer Move, aus der Defensive in die Offensive. Unerhört, aber ein Lehrstück in politischer Kommunikation.

Als die Late-Night-Show von Jimmy Kimmel kürzlich abgesetzt wurde, nannte Trump das "eine tolle Neuigkeit für Amerika". Umgehend forderte er auch den Rausschmiss von Kimmels Kollegen Jimmy Fallon: "Tu es, NBC!!!". Als Reaktion auf die Rückkehr von Kimmel drohte er dessen Sender ABC mit Konsequenzen. Die persönliche Auseinandersetzung mit Journalisten hat bei Trump System. Schon kurz nach seinem Einzug ins Weiße Haus titulierte er die Moderatorin Mika Brzezinski als "die verrückte Mika mit dem niedrigen IQ". Nach einer TV-Debatte sagte er über die Moderatorin Megyn Kelly: "Man kann sehen, dass Blut aus ihren Augen herauskam, dass Blut wo auch immer bei ihr herauskam."

Trump und die Medien, das ist nicht etwa eine amerikanische Polit-Soap, keine amüsante Serie, verbreitet auf X, Truth Social und den anderen Krawall-Plattformen. Der Umgang des Präsidenten mit den Medien gefährdet tatsächlich die Pressefreiheit. Aber Vorsicht, es reicht nicht, sich über den Mann im Weißen Haus zu empören.

Superreiche Opportunisten

Kurz nach Trumps erstem Amtsantritt war ich bei der "Washington Post" zu Gast. Die Redaktion strahlte damals, im Frühjahr 2017, großes Selbstbewusstsein aus: Wer sich mit uns, der freien Presse, anlegt, kann nur verlieren. Die Post hatte einst Richard Nixon gestürzt, sie hatte den Watergate-Skandal aufgedeckt, gegen alle Anfeindungen. Und nun Trump – soll er doch kommen. Tatsächlich meldeten "Washington Post" und "New York Times" Millionen neuer Digital-Abonnenten – die journalistische Opposition gegen Trump elektrisierte die Öffentlichkeit und beflügelte das Geschäft.

Das klingt heute wie ein Bericht aus einer fernen Zeit. Damals galt Jeff Bezos, der Eigentümer der Post, als Garant für die Unabhängigkeit. Der Verleger, dem es nicht ums Geld ging, sondern um publizistische Qualität und um die digitale Zukunft. Vor einem Jahr untersagte derselbe Bezos der Redaktion, ihrer Tradition zu folgen und eine Wahlempfehlung auszusprechen – für Kamala Harris. Eine Karikatur der Pulitzer-Preisträgerin Ann Telnaes, die den Kniefall des Silicon Valley vor Trump zeigte, wurde nicht gedruckt. Telnaes verließ das Blatt, wie andere wichtige Autoren. Bezos gab neue Richtlinien für Kommentare aus. Es war ihm wichtig, bei Trumps Amtseinführung dabei zu sein. Ein superreicher Opportunist.

Loading...
Loading...

Er ist bei Weitem nicht der Einzige. Die Entscheidung, Jimmy Kimmel abzusetzen, trafen Bob Iger, der Chef des Disney-Imperiums, und die Topmanagerin Dana Walden. Im Hintergrund ging es um einen Milliardendeal und Sendelizenzen, die von einer eigentlich unabhängigen Kommission vergeben werden, die aber von einem Trump-Vertrauten geleitet wird. Ein paar Wochen zuvor hatten die Chefs von CBS Stephen Colbert die Kündigung geschickt, auch er ein Late-Night-Talker. Sie brauchten Trump für eine Fusion mit Paramount.

Ein erzkonservativer Erzkapitalist wird zum Helden

Den schrägen Humor, die ätzende Kritik, auch verbale Entgleisungen der Late-Night-Stars (wie Kimmels Kommentar zum Attentat auf Charlie Kirk) haben alle Präsidenten vor Trump ertragen – ertragen müssen. Trump will das ganze Genre canceln. Ausgerechnet er, der angeblich die von woken Linken abgeschaffte Redefreiheit retten will. Das ist skandalös. Aber skandalös ist auch, dass die Medienmanager reihenweise jene Unterwerfungsgesten liefern, die er fordert. Börsenkurse und Megadeals bestimmen ihr Handeln, sie suchen die Nähe zur Macht. Die Freiheit ihrer Medien opfern sie dem Big Business.

Nicht alle. Immerhin, zwei noble Institutionen halten dem Druck stand: die "New York Times" und das "Wall Street Journal". Von der NYT verlangt Trump 15 Milliarden (!) Dollar, weil sie angeblich falsch über ihn berichtet hat und ein Sprachrohr der "radikalen Demokraten" sei. Die Times wird in fünfter Generation von Arthur Gregg Sulzberger geführt. Ein Verleger mit Charakter, der sich nicht einschüchtern lässt.

Vom "Wall Street Journal", das er eine "Müllzeitung" nennt, fordert Trump zehn Milliarden Dollar Schadenersatz wegen eines Artikels über seine Verbindung zu Jeffrey Epstein. Trump bestreitet die Vorwürfe. Das Blatt, das zum Imperium des Medienmoguls Rupert Murdoch gehört, gibt nicht klein bei – trotz wirtschaftlicher Interessen: Murdochs Sohn Lachlan mischt in Trumps großem TikTok-Deal mit den Chinesen mit. Ich hätte nicht gedacht, dass ich den greisen, erzkonservativen Erzkapitalisten Rupert Murdoch noch einmal als Helden der Pressefreiheit feiern würde. Aber Trump macht’s möglich.

Die Demokratie stirbt nicht im Dunkeln

Bei Disney und ABC gibt es keine Helden, nur Feiglinge. Nicht der erste Verfassungszusatz hat ihr Handeln bestimmt, sie haben nichts zur Verteidigung der "Freedom of Speech" beigetragen. Aber dann meldeten sich mehr als 400 Prominente zu Wort, darunter Robert De Niro, Jennifer Aniston, Selena Gomez, Tom Hanks und Meryl Streep. Die Absetzung Kimmels, so schrieben sie, sei ein "dunkler Moment für die Meinungsfreiheit in unserem Land". Disney, der Hollywood-Konzern schlechthin, konnte den Protest der Hollywood-Legenden nicht ignorieren.

Dieses eine Mal jedenfalls nicht. Aber die Zeit, als Hollywood Trump die Stirn bot, ist auch schon Vergangenheit. Als Trump zum ersten Mal ins Amt kam, sorgte der Schauspieler Alec Baldwin noch mit einer beißenden Parodie auf den Präsidenten für Furore, sein Auftritt in der "Saturday Night Live"-Show brachte ihm einen Emmy ein. Jetzt scheint die große Zeit der Spaßvögel vorbei zu sein, Trump hat sie zermürbt, wie so viele seriöse Medien.

"Democracy Dies in Darkness", die Demokratie stirbt im Dunkeln – das steht seit Trumps Amtsantritt 2017 auf der Webseite und auf jedem gedruckten Exemplar der "Washington Post". Aber das stimmt gar nicht. Die Pressefreiheit, ein Kern der amerikanischen Demokratie, stirbt im gleißenden Licht der Öffentlichkeit.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom