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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nordkoreas neues Mega-Resort "So etwas habe ich noch nirgends gesehen"
Die Dimensionen sind gewaltig, die offiziellen Zahlen beeindrucken, die Realität aber hinkt weit hinterher. Nordkoreas neues Mega-Resort sollte Touristenströme anziehen. Doch es bleibt leer. Selbst Russlands Charmeoffensive kann wenig ändern.
Eine kilometerlange Strandpromenade, 54 Hotels, 29 Einkaufszentren, diverse Sport- und Unterhaltungseinrichtungen, ein Wasserpark: All das sollte das Vorzeigeprojekt des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un seinen Besuchern bieten. Bis zu 20.000 Gäste könnten hier gleichzeitig begrüßt werden, so offizielle Angaben.
Das Resort sei "mit allem ausgestattet, um die Schönheit der malerischen Ostküste zu jeder Jahreszeit zu präsentieren", schwärmte die nordkoreanische staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Als "kulturelles Resort von Weltrang" pries Pjöngjang den Bau an. Ein hochgelobtes Highlight: Vom Strand aus öffnet sich der Ausblick auf ein Testgelände für ballistische Raketen.
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"Wonsan-Kalma“ heißt dieser einzigartige Ort und liegt an der Ostküste des Landes – in der Stadt Wonsan auf der Halbinsel Kalma. Die feierliche Eröffnung fand am 24. Juni statt. Diktator Kim reiste höchstpersönlich an. Seine Tochter begleitete ihn, während er durch die Anlage schritt, Aussichtsplattformen bestieg und die Rutschen im Wasserpark begutachtete.
Russischer Außenminister schwärmt von "Wonsan-Kalma"
Laut Angaben der nordkoreanischen Staatsagentur war auch der russische Botschafter in Nordkorea bei der Zeremonie mit von der Partie. Wenige Wochen später folgte sein Chef: Der russische Außenminister Sergej Lawrow stattete am 11. Juli Kim Jong Un einen Besuch ab und schaute auch in "Wonsan-Kalma" vorbei.
Im Gespräch mit seiner nordkoreanischen Kollegin Choe Son Hui betonte Lawrow bei dieser Gelegenheit: "Ich bin sicher, dass russische Touristen in zunehmender Zahl hierherkommen werden. Wir werden das auf jede erdenkliche Weise unterstützen – einschließlich der Einrichtung von Flugverbindungen."
Er bezeichnete den neu eröffneten Kurort als "sehr gutes touristisches Objekt" und verwies auf das Interesse Nordkoreas, mehr russische Gäste in Wonsan und anderen Regionen des Landes zu begrüßen.
Waffen und Soldaten für Putin, Touristen für Kim Jong Un
Seit Monaten rührt die Kremlpropaganda die Werbetrommel für den Tourismus in Nordkorea. Im russischen Staatsfernsehen erzählen Moderatoren und Gäste politischer Talkshows von der Herrlichkeit nordkoreanischer Strände. In den sozialen Netzwerken berichten Influencer ihrer Gefolgschaft von dem neuen vermeintlichen Traumziel.
Dabei lassen die russischen Staatsmedien sich nordkoreanische Propaganda bezahlen – und das bereits seit Jahren. So veröffentlichten 2017 mehrere Zeitungen, unter ihnen die bekannte "Komsomolskaja Prawda", gleichzeitig einen Artikel mit derselben Überschrift: "Kim Il Sung – der große Mensch des Jahrhunderts". So titulierte man den Großvater des aktuellen nordkoreanischen Diktators.
Der damalige Chefredakteur der "Komsomolskaja Prawda", Wladimir Sungorkin, machte gar kein Geheimnis daraus, dass die Artikel bezahlt sind und jedes Jahr bestellt werden – von Nordkorea. "Wir lehnen nicht ab", erklärte er offen. "Warum denn auch nicht?"
Zuletzt verbreitete der propagandistische Telegram-Kanal "Dwa Majora" ("Zwei Majore") in der russischsprachigen Medienwelt die Theorie, dass Urlaube in der Türkei für Patrioten nicht infrage kommen können. Schließlich gehöre die Türkei der Nato an. Wer also dort Urlaub mache, unterstütze die ukrainischen Streitkräfte.
Stattdessen sollten die Russen ihren Urlaub lieber im freundschaftlichen Nordkorea verbringen, so die Wunschvorstellung der Propagandisten. Wladimir Putin bekommt von Kim Jong Un schließlich Waffen und Soldaten für den Krieg gegen die Ukraine, Nordkorea erhält im Gegenzug politische Rückendeckung und vermutlich auch wirtschaftliche Unterstützung. In diesem neuen Bündnisrahmen nimmt auch "Wonsan-Kalma" eine Rolle ein – als symbolischer Beweis, dass das Land unter Kim nicht nur durchhält, sondern aufblüht. Russische Touristen sollen dazu beitragen.
"Wir fühlten uns wie auf einer unbewohnten Insel"
Die Ersten von ihnen reisten auch schon mit Lawrow an. Während in den staatlichen Medien Lobgesänge auf "Wonsan-Kalma" veröffentlicht wurden, tauchten auch kritische Stimmen auf. Eine Russin, die zu den ersten Touristen gehörte, die das Resort in Wonsan besuchten, erzählte dem Onlinemedium "Gazeta.ru", dass es den Touristen untersagt gewesen sei, mit Einheimischen zu kommunizieren.
"Letztes Jahr (in einer anderen nordkoreanischen Stadt – Anm. d. Red.) konnten wir uns frei mit den koreanischen Genossen unterhalten – wir haben zusammen am Strand Volleyball gespielt, Sandburgen gebaut, da ich mit meiner Enkelin unterwegs war. Aber hier war das nicht erlaubt, es gab Einschränkungen beim Kontakt", wusste sie zu berichten.
Sie ergänzte zudem, dass bei der Ankunft der Reisegruppe "der Ort völlig leer war": "Wir fühlten uns wie auf einer unbewohnten Insel, das war wirklich überraschend."
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Die gähnende Leere bezeugen unfreiwillig sogar die Lobgesänge auf "Wonsan-Kalma". So veröffentlichte die Wirtschaftszeitung "RBK" einen Bericht über die Erfahrungen der ersten russischen Touristen im Mega-Resort: "So etwas habe ich noch nirgends gesehen", wird eine Frau zitiert. "Du sagst, du willst Musik – und sofort bringt man dir einen Lautsprecher. (...) Wir sagten, dass wir einen Wasserkocher brauchen, um Tee auszuschenken – beim nächsten Mal, als wir kamen, stand er schon auf dem Tisch."
Begleitet wurde der Erfahrungsbericht von zahlreichen Fotos aus "Wonsan-Kalma". Sie alle hatten aber eins gemeinsam: Sie zeigten Leere.
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Keine ausländischen Besucher mehr zugelassen
Nach der Visite von Lawrow und den ersten Auserwählten kamen wohl auch nicht mehr viele hinzu. Am vergangenen Freitag meldete schließlich die Nachrichtenagentur Bloomberg, Nordkorea habe ausländischen Besuchern den Zugang zum neuen Strandresort untersagt. "Die Nationale Tourismusbehörde Nordkoreas teilte mit, dass das Küstentourismusgebiet 'Wonsan-Kalma', das in diesem Monat den Betrieb aufgenommen hat, vorübergehend keine ausländischen Gäste empfängt", hieß es in dem Bericht.
"Das Resort ist zweifellos geöffnet, aber noch nicht fertiggestellt", zitiert Bloomberg das unabhängige Politikforschungsprogramm "38 North" am Stimson Center in den USA.
Die Autoren von 38 North analysierten Satellitenbilder und stellten fest, dass eine große Hotelanlage offenbar nicht in Betrieb ist. Sie merkten an, dass die Umgebung nur spärlich besucht war und der Dachpool des Hotels kein Wasser enthielt.
Russisches Außenministerium beeilt sich mit Fake-Vorwürfen
Die offizielle Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, beeilte sich, die Berichte über die Schließung des Strandresorts zu dementieren. "Die mit den US-Geheimdiensten verbundenen amerikanischen Medien haben Desinformation verbreitet, wonach Nordkorea angeblich das 'Wonsan-Resort' für Russen nach dem Besuch Lawrows geschlossen habe. Klassische Lüge, grober Fake", polterte sie im Gespräch mit der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.
Sacharowa äußerte die Vermutung, dass das Erscheinen einer solchen Veröffentlichung auf die "banale Bosheit der amerikanischen militärpolitischen Eliten" zurückzuführen sei, die festgestellt hätten, dass ihre Strategie, Druck auf Nordkorea auszuüben, gescheitert sei.
Unterdessen teilte das russische Außenministerium auf seinem Telegram-Kanal unter Berufung auf die russische Botschaft in Nordkorea mit, dass die Aufnahme ausländischer Touristen in dieser Region aufgrund fortbestehender Corona-Beschränkungen eingeschränkt sei.
Russische Touristen waren als einzige willkommen
Dabei waren die Russen die einzigen Touristen, die in den letzten Jahren in Nordkorea willkommen waren. Das nordkoreanische Regime hatte erst 2023 begonnen, seine strikte Corona-Politik zu lockern. Kim Jong Uns erste Auslandsreise nach der Öffnung führte nach Russland – zu Präsident Wladimir Putin. Wenige Monate später unterzeichneten beide ein umfassendes Sicherheitsabkommen.
Ab Anfang 2024 durfte die Reiseagentur Wostok Intur aus Wladiwostok erste Reisen ins nahe gelegene Ski-Resort Masik-Ryong anbieten. Und seit Januar warb die Agentur für "einen unvergesslichen Urlaub" in "Wonsan-Kalma".
Im Mai kündigte Russlands Botschafter in Pjöngjang an, man arbeite sogar an einer direkten Fährverbindung zwischen Wladiwostok und Wonsan.
262 Russen reisen nach Nordkorea
Doch der Touristenstrom blieb aus. Trotz der Propaganda ist das Interesse unter russischen Touristen bislang gering. Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB reisten im ersten Quartal 2025 gerade einmal 262 Russen nach Nordkorea.
Nach Recherchen der BBC bieten aktuell drei russische Agenturen Touren mit Besuch des Resorts "Wonsan-Kalma" an. Eine Einreise nach Nordkorea ist ausschließlich im Rahmen organisierter Gruppenreisen möglich. Anfang Juli, eine Woche vor der ersten geplanten Reise am 7. Juli, hatten sich nach Angaben einer der Agenturen zwölf Personen aus Russland für die Reise angemeldet.
Der Preis des Nordkorea-Spaßes
Eine einwöchige Reise nach Nordkorea, die drei Tage Aufenthalt im Resort "Wonsan-Kalma" umfasst, kostet dabei im Durchschnitt 1.550 Euro – das ist das Dreifache des durchschnittlichen Monatseinkommens in Russland – selbst nach offiziellen Angaben.
Andrej Lankow, Experte für russisch-nordkoreanische Beziehungen an der Kookmin-Universität in Seoul, erklärte im Gespräch mit der BBC, dass "Wonsan-Kalma" "kaum ein besonders beliebter Ferienort unter russischen Touristen werden dürfte".
"Russische Touristen können problemlos in Länder wie die Türkei, Ägypten, Thailand oder Vietnam reisen, die allesamt Nordkorea deutlich überlegen sind", sagte der Experte. "Der Servicestandard ist dort höher, und man steht nicht unter ständiger Beobachtung." Und so bleibt das, was als "kulturelles Resort von Weltrang" angekündigt wurde, vor allem eines: eine monumentale Fassade.
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