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DLRG-Vorsitzender schlägt wegen Badeunfällen Alarm


Retter berichtet von dramatischem Einsatz
"Den Tod dieses Kindes hätte man verhindern können"

InterviewEin Interview von Leon Pollok

Aktualisiert am 21.08.2025Lesedauer: 5 Min.
Wasserretter der DLRG auf dem Chiemsee (Archivbild):Vergrößern des Bildes
Wasserretter der DLRG auf dem Chiemsee (Archivbild): In über 200 Fällen konnten die Helfer nichts mehr für die in Not geratenen Schwimmer tun – allein in diesem Jahr. (Quelle: Matthias Balk/dpa)
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Ein Sprung ins Wasser ist im Sommer eine willkommene Abkühlung. Doch Gewässer können schnell zur Todesfalle werden. Ein Experte erklärt, was die größten Fehler sind, und schildert einen Einsatz, der ihn bis heute verfolgt.

Dramatische Szenen Anfang Juli: Ein sechsjähriges Kind genießt mit seiner Familie das Sommerwetter am Düsseldorfer Rhein und geht ins Wasser. Kurz darauf ist der Junge weg, mitgerissen von der Strömung. Die Eltern bleiben fassungslos zurück und alarmieren die Retter – vergebens. Einen Tag später wird die Leiche des Sechsjährigen angespült. Nur einer von 236 tödlichen Badeunfällen in diesem Jahr – allein in Deutschland bis Anfang August.

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Ertrunkenen wieder an. Warum? Florian Daniels ist Vorsitzender des Bezirks Bodensee bei der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) und seit über 20 Jahren als ehrenamtlicher Retter im Wasser aktiv. Im Interview mit t-online spricht er über die größten Gefahren und einen Einsatz, den er sein Leben lang nicht vergessen wird.

t-online: Herr Daniels, schaut man sich die Statistik an, zählen Flüsse zu den tödlichsten Gewässern in Deutschland. Was ist die größte unterschätzte Gefahr?

Florian Daniels: Vor allem die Strömung. Ein Sprung in den Rhein gleicht einem Spiel auf der Autobahn. Das macht man einfach nicht, das ist lebensgefährlich. Die Schwimmer gehen ein Stück weit rein und merken dann relativ schnell, dass die Strömung ihnen die Füße wegzieht. Und gegen die Strömung anzukämpfen, erfordert unheimlich viel Kraft.

Wie groß sind in einem solchen Fall die Überlebenschancen?

Die Überlebenschancen sind gering. Wir als DLRG-Retter überlegen uns: Wo genau ist die Unfallstelle? Wir wollen das Suchgebiet möglichst gut eingrenzen, um eine Chance zu haben, den Verunglückten noch zu finden. Wenn wir sie finden, dann meistens, weil sie irgendwo festhängen. Oft ist es dann aber schon zu spät.

Florian Daniels
Florian Daniels (Quelle: DLRG)

Zur Person

Florian Daniels ist 38 Jahre alt und Vorsitzender des DLRG-Bezirksverbands Bodensee in Friedrichshafen. Seit 25 Jahren ist er Mitglied der DLRG und ehrenamtlich als Retter aktiv. Sein Bezirk besteht aus zwölf Ortsgruppen und bewältigt im Jahr rund 65 Einsätze. Insgesamt sind gut 4.500 Mitglieder im Verband, davon rund 200 aktive Rettungskräfte. Alle sind Ehrenamtler.

Auch in Seen ist die Gefahr groß. Dabei wirken die meisten erst einmal relativ ruhig.

Aber nur auf den ersten Blick. Auch in Seen wie dem Bodensee kann es Strömungen und Wellen geben. Ein großes Problem ist, dass viele Schwimmer überhitzt in den See springen. Die sind dann den ganzen Tag bei Hitze in einem Paddelboot unterwegs gewesen. Um sich abzukühlen, springen sie dann ins kalte Wasser. Dieser plötzliche Temperaturwechsel kann für den Körper zum Schock werden. Das kann zu Kreislaufproblemen und schließlich zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen. Und dann kommen wir ins Spiel.

Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Neben älteren Menschen gibt es eine weitere Hochrisikogruppe: junge Männer. Warum ist das so?

Die Selbstüberschätzung spielt bei jungen Männern eine riesige Rolle. Die schwimmen raus, können Entfernungen schlecht einschätzen und stellen irgendwann fest, dass sie zu weit geschwommen sind und nicht mehr die Kraft haben, zurückzukehren. Sie geraten innerhalb von Sekunden in Panik und haben keine Kraft mehr, sich über Wasser zu halten. Und dann gehen sie einfach unter. Dass junge Erwachsene ihre Grenzen austesten wollen, ist aber ein Phänomen, das wir so schon immer beobachtet haben.

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Und neben Jugendlichen und jungen Erwachsenen müssen Sie auch immer wieder Kinder aus Gewässern retten.

Zum einen gibt es zu viele Kinder, die nicht richtig schwimmen können. Zum anderen ist vielen Eltern nicht bewusst, dass Wasser gefährlich ist. Und dass man Kinder am Wasser immer beaufsichtigen muss. Meine Augen sind als Elternteil immer bei den Kindern – wenn das Kind ins Wasser geht, gehe ich mit ins Wasser.

So zumindest die Theorie. Wie sieht es tatsächlich aus?

Anders. Viele Eltern schauen aufs Handy, während die Kinder im Wasser spielen. Oder sie trinken Alkohol und unterhalten sich. Und währenddessen wird das Wasser für Kinder zur Gefahr. Schon die kleinste Pfütze kann lebensgefährlich sein. Die fallen rein, erschrecken sich, durch den Reflex hören sie auf zu atmen. Und dann ertrinken sie einfach. Es ist auch nicht so, dass Kinder im Wasser lautstark auf sich aufmerksam machen und winken. Sie gehen im Zweifel einfach unbemerkt unter. Wir nennen das stilles Ertrinken.

Im Zweifel merken Eltern also erst, dass ihr Kind untergegangen ist, wenn es viel zu spät ist?

Ja, einen Fall, den ich mein Leben lang in Erinnerung behalten werde, erlebte ich mit 18 Jahren. Ich war für meine Wachmannschaft bei der DLRG verantwortlich und wurde zu einem Einsatz mit einem vierjährigen Kind alarmiert, das im Bodensee untergegangen war. Das Kind ist ins Wasser gerannt, konnte nicht schwimmen und hatte auch keine Schwimmflügel an. Es ist untergegangen. Aber erst eine Dreiviertelstunde später ist das dem Vater überhaupt aufgefallen. Er hat dann die Rettungskräfte alarmiert. Aber bis wir da waren, war es zu spät. Das Kind war tot.

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Sie mussten eine Kinderleiche bergen. Ist man in diesem Moment traurig oder wütend?

In so einer Situation geht einem erst einmal wenig durch den Kopf, solange der Einsatz noch läuft. Wir gehen professionell vor, bis wir das Kind gefunden haben. Aber im Nachgang ist immer Trauer und Frust dabei. Frust, weil man weiß: Den Tod dieses Kindes hätte man verhindern können. Damals war es das erste Kind, das ich tot bergen musste. Das bleibt einem noch lange im Kopf.

Aber im Gegensatz zu früher dürften Schwimmflügel bei Kindern doch heute viel verbreiteter sein. Können die nicht schützen?

Schwimmflügel sind eine Scheinsicherheit. Das Kind kann nicht absinken, aber Schwimmflügel sind nicht ohnmachtssicher. Wenn das Kind keine Kraft mehr hat, den Kopf nicht mehr über Wasser halten kann, fällt der Kopf ins Wasser. Nicht tief, aber Mund und Nase sind trotzdem von Wasser bedeckt. Und dann ertrinkt das Kind trotz der Schwimmflügel. Sie helfen beim Schwimmenlernen. Aber einen Komplettschutz bieten sie nicht.

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Das Thema Beaufsichtigung von Kindern ist also ganz zentral für Sie?

Absolut. Viele Eltern meinen, wir würden schon auf alle Kinder aufpassen. Vor allem in Schwimmbädern fällt uns das regelmäßig auf. Wir sind aber keine Kindersitter. Die Aufsicht muss immer bei den Eltern liegen. Und es ist wichtig, dass deutlich mehr Kinder vernünftig schwimmen lernen.

Wie sollte ich reagieren, wenn ich jemanden sehe, der gerade untergeht?

Das Allerwichtigste ist, den Notruf zu wählen und den Rettungskräften genau zu sagen, wo das Unglück passiert ist. In einem Fluss würde ich niemals hinterherspringen. Bei einem See kommt es darauf an, ob man ein guter Schwimmer ist. Ich persönlich würde aber eher davon absehen. Mit Adrenalin überschätzt man sich schnell. Ein Menschenleben retten zu wollen, ist ehrenwert. Am Ende nützt es aber niemandem, wenn plötzlich zwei Menschen in Gefahr sind.

Was sind die wichtigsten Tipps beim Schwimmen im Freien?

Das Wichtigste ist, unbeaufsichtigt nur ins Wasser zu gehen, wenn man wirklich sicher schwimmen kann. Als sicherer Schwimmer gilt man erst ab dem Bronzeabzeichen. Dann sollte man sich mit der Umgebung vertraut machen. Geht der See flach rein oder habe ich ein Steilufer? Und dann die klassischen Baderegeln der DLRG, also zum Beispiel nur baden, wenn man sich wohlfühlt oder wenn man jemanden hat, der einem helfen kann. Auch hungrig oder direkt nach dem Essen sollte man nicht ins Wasser gehen. Und, liebe Eltern: Bitte passt auf eure Kinder auf.

Herr Daniels, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Florian Daniels am 20. August
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