Leser bewerten Bahn-Werbespots "Unverschämt und geschmacklos"

Ist es humorvoll oder geschmacklos, wenn die Bahn sich über ihre eigenen Probleme in einer Serie mit Anke Engelke lustig macht? Die Meinungen von Bahnfahrern und Lesern gehen auseinander.
Die Webserie "Boah, Bahn!" löst derzeit Diskussionen aus. In den fünf Folgen durchlebt Hauptdarstellerin Anke Engelke als Zugchefin Tina verschiedene Situationen, die typisch für die Probleme beim Reisen mit der Deutschen Bahn sind.
Die Werbespots sind humorvoll und selbstironisch, viele reagierten in den sozialen Netzwerken positiv auf die Kurzvideos. Doch nicht jedem ist beim Ansehen zum Lachen zumute. t-online-Politikchef Christoph Schwennicke bezeichnet sie im Pro & Kontra als "geschmacklos". Textchefin Heike Vowinkel entgegnet mit Ringelnatz: "Humor ist der Knopf, der verhindert, dass der Kragen platzt." Viele Leser schrieben t-online daraufhin, wie sie die Spots wahrnehmen.
"Selbstironie ist hoffentlich der Anfang zur Besserung"
Klaus-Jürgen Schulz ist zwar unzufrieden mit der Bahn, kann den Videos aber etwas abgewinnen: "Selbstironie ist hoffentlich ein Anfang zur Besserung", schreibt der t-online-Leser.
"Ich frage mich, was der Spaß gekostet hat", kritisiert dagegen Florian Müller. "Mit dem Geld hätte die Bahn definitiv etwas Sinnvolleres anstellen können."
Michael Meyerhoff sagt: "Da ist sie wieder, die typisch deutsche Humorlosigkeit. Neben dem ewigen Pessimismus und der German Angst ist sie ein Attribut, mit dem man uns Deutsche im Ausland leider immer wieder wahrnimmt." Der t-online-Leser appelliert an seine Mitbürger: "Hey Leute, mit Humor und einem Schuss Gelassenheit wird zwar nichts besser, aber mit nach oben gezogenen Mundwinkeln lebt es sich doch wesentlich leichter."
"Ich finde es einfach unverschämt und geschmacklos, darüber Filmchen zu drehen", mailt Andreas Janz. "Da wird Geld verpulvert für das Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Die Führungsriege sollte lieber zusehen, dass sich der Zustand ändert."
"Es wäre witzig, hätte es nicht die Bahn produziert"
"Ist es wirklich so böswillig und geschmacklos, Clips zu produzieren, in denen sich die Bahn selbst auf die Schippe nimmt?", fragt Lars Krüger rhetorisch. "Man kann es vielmehr als zarten Hinweis verstehen, dass die oft Jahrzehnte alten Probleme langsam im Bewusstsein der DB-Chefetage ankommen."
Thomas Arp meint: "Es wäre witzig, hätte es nicht die Bahn produziert. Natürlich kann man es als Galgenhumor sehen, dass sich die Bahn selbst auf die Schippe nimmt. Angesichts des Zustands der Bahn ist es jedoch nur traurig."
"Ich freue mich über die Spots, weil sie mir vermitteln, dass die Probleme erkannt sind", äußert Tom Wiegand. "Ich bin zufriedener Vielfahrer der Bahn und habe den größten Respekt vor dem professionellen Personal. Die Mitarbeiter geben sich große Mühe, die Defizite auszugleichen. 500 Kilometer am Stück auf Deutschlands Autobahnen sind auch nicht stressfrei und genau planbar. Für die Lösungen brauchen wir, wie bei allen anderen Themen auch, Geduld."
Sven Stadie findet: "Sicher ist es lustig, wenn sie Bahn sich selbstironisch auf die Schippe nimmt. Aber der Bahnvorstand und der Bund müssen jetzt liefern und den Laden wieder flott machen. Das geht nicht von heute auf morgen. Es sollten sich aber in den nächsten Jahren kleine Verbesserungen, die Schritt für Schritt passieren, bei den Bahnkunden bemerkbar machen. Wenn nicht, dann sind diese Werbespots eine Verhöhnung der zahlenden Kunden."
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