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Berliner über die Lockerungen: "Willkürlich und teilweise lächerlich"


Umgang mit dem Virus
"Die Lockerungen finde ich willkürlich und teilweise lächerlich"

Von Sophie Loelke

Aktualisiert am 12.05.2020Lesedauer: 5 Min.
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Berlin: Menschen genießen zu zweit oder in Gruppen im Volkspark am Weinberg die sommerlichen Temperaturen.Vergrößern des Bildes
Berlin: Menschen genießen zu zweit oder in Gruppen im Volkspark am Weinberg die sommerlichen Temperaturen. (Quelle: Jens Schicke/imago-images-bilder)

Nach den Corona-Einschränkungen der vergangenen Wochen wurden die Regeln zuletzt wieder gelockert. Doch wie reagieren die Menschen darauf? t-online.de war in Berlin unterwegs und hat nachgefragt.

Die Auswirkungen des Coronavirus waren und sind auch weiterhin überall in Deutschland spürbar. Doch in der vergangenen Woche lockerte die Politik die Regeln. Treffen mit Menschen aus zwei verschiedenen Haushalten sind wieder möglich, Restaurants und Geschäfte dürfen öffnen. Doch Kontaktbeschränkungen bestehen weiterhin: Auch künftig soll Abstand gehalten werden. Es besteht eine Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Läden. Wie empfinden die Menschen die neuen Richtlinien? t-online.de hat sich in der Hauptstadt umgehört.


Auffällig: Es gibt starke Meinungsschwankungen zwischen den verschiedenen Generationen. Nur in einer Sache, da sind sich alle einig.

Abiturienten über die Regeln: "Sie sind willkürlich"

Am vergangenen Wochenende waren die Parks und Grünflächen in Berlin voll. Kein Wunder. Die Sonne schien, es waren über zwanzig Grad. Die meisten saßen allein oder zu zweit. Doch immer wieder bildeten sich auch Gruppen mit mehreren Menschen – vor allem am Abend. Auch Sten saß mit seinen drei Freunden im Volkspark am Weinberg.

Doch weshalb treffen sie sich trotz Kontaktbeschränkungen in einer Gruppe mit mehr als zwei Haushalten?

Sten, 18, Abiturient:

"Wenn ich krank werden würde, wäre das nicht problematisch. Meine Eltern zählen nicht zur Risikogruppe und meine Mutter arbeitet von zu Hause. Ich würde – wenn überhaupt – nur sie anstecken. Ich wäre fast glücklich, wenn ich Corona hätte und der Stress damit durch ist. Die neuen Lockerungen finde ich willkürlich und teilweise lächerlich. In Bayern werden Biergärten aufgemacht, aber man soll sich nicht in einer Gruppe in den Park setzen. Masken beim Einkaufen tragen zu müssen, finde ich sinnvoll, die Maske in den öffentlichen Verkehrsmitteln wiederum nicht. Denn meistens sind die einfach leer und trotzdem muss man die Maske aufsetzen."


Und weiter: "In unserer Schule geben sich die Lehrer generell schon Mühe, damit die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Nur das mit dem Abstandhalten klappt nicht immer. Die Dreier- oder Vierergruppen auf dem Schulhof nach einer Klausur zum Beispiel werden oft nicht aufgelöst."

Die Angst vor einer zweiten Welle

Es sind vor allem junge Menschen wie Sten, die am Wochenende das Bild in den Parks prägten. Doch hin und wieder begegnete man natürlich auch älteren Menschen – Ingrid und Uli zum Beispiel. Das Ehepaar hat eine ganz andere Sicht auf die Corona-Lockerungen als die Schülergruppe um Sten.

Ingrid, 70, Rentnerin:

"Mir sind die neuen Lockerungen teilweise einfach zu stark. Es ist zu befürchten, dass eine neue Welle anläuft. Wir gehören zu den Risikopersonen. Es wird immer gesagt, die Menschen wollen die Lockerungen haben, aber ich denke, viele wären lieber vorsichtiger. Was uns wirklich wehtut, ist, dass wir unsere Enkelkinder schon lange nicht mehr gesehen haben. Das bedauern wir sehr."

Uli, 70, Rentner:

"Ich habe Angst, dass sich der positive Trend mit den vielen Lockerungen wieder umkehren könnte. Dass sie Läden öffnen, finde ich allerdings gut. Aber jetzt darf man sich auch mit zwei Haushalten treffen. Wenn ich durch den Görlitzer Park in Kreuzberg laufe, fühle ich mich manchmal komisch, denn dort sitzen Gruppen eng beisammen. Wenn sie dabei noch Bier trinken, verlieren sie die Hemmungen und halten oft den Abstand nicht ein. Kann die neue Lockerung der Kontaktbeschränkung überhaupt flächendeckend kontrolliert werden? Ist es egal, aus wie vielen Personen die Haushalte bestehen? Das verunsichert mich."

Auch die Studentin Carolin, die am Wochenende allein unterwegs war, wundert sich über die Regeln zu Abstand und Kontaktbeschränkung. Sie war in den vergangenen zwei Monate nicht in der Stadt gewesen. Als sie nun zurückkam, war sie erstaunt, was in Berlin los ist.

Carolin, 24, Studentin:

"Hier in Berlin merkt man oft gar nicht, dass wir uns in einer Krise befinden – ob mit oder ohne Regel. Ich sehe ständig Gruppen im Park. Die letzten zwei Monate war ich in Rheinland-Pfalz und habe von dort aus in den Medien die Situation in Berlin verfolgt. Es hieß, die Stadt sei leer, die Menschen halten sich an die Regeln. Aber jetzt bin ich zurück und sehe das Gegenteil. Mir zumindest wurde da ein falsches Weltbild von der Stadt vermittelt."

Kioskbetreiber hofft auf Normalität für sein Geschäft

Carolin berichtet vor allem davon, was sie beobachtete. Späti-Betreiber Mehmet hingegen musste selbst erfahren, wie schwer es war und weiterhin ist, in Berlin als Selbstständiger gut durch die Krise zu kommen.

Mehmet, 22, Späti-Betreiber:

"Ich finde es gut, dass die Maskenpflicht weiter besteht. Auch, dass mein Späti nur einzeln betreten werden darf, gibt mir Sicherheit. Aber generell hatte ich in meinem Shop viel weniger Kunden und hoffe, dass durch die Lockerungen wieder mehr zu mir kommen. Ich persönlich fühle mich jetzt auch freier, kann wieder raus. Aber wir sollten uns an diese neuen Regeln auch weiterhin halten."

Dass viele Menschen die Regeln aber etwas lockerer nehmen als erlaubt, ist an zahlreichen Gruppen in Parks deutlich zu sehen. Auch Nika fiel auf, dass viele Berliner die Regeln nicht mehr ganz so ernst nehmen. Sie selbst gehört dazu, traf sich am Wochenende im Park zu viert. Ihre Erklärung:

Nika, 32, Schauspielerin:

"Ich hatte am Anfang Angst, mich anzustecken. Das war, als die Medien mit Schreckensmeldungen überquollen und alles neu war. Ich war super paranoid: Ich habe so oft meine Hände gewaschen, alles desinfiziert, niemanden getroffen. Aber als klar wurde, dass das nicht so schnell vorbei sein wird, bin ich lockerer geworden. Wenn man wüsste, es dauert nur noch zwei Monate, wäre das okay. Aber ich kann nicht für zwei Jahre niemanden mehr treffen. Dann würden wir alle psychisch krank werden. Ich treffe mich jetzt immer mit den gleichen Leuten in kleinen Gruppen oder einzeln. Es ist zwar nicht hundert Prozent sicher, aber ein besserer Weg, um das durchzustehen."

Musa, 47, Gastromitarbeiter:

Gastromitarbeiter Musa geht sogar noch einen Schritt weiter: "Auch vor den neuen Lockerungen hat sich hier im Görlitzer Park auch fast keiner drum geschert, ob man nun zu zweit oder in einer Gruppe draußen sitzt. Ich fand es ganz gut, wie es in Berlin gehandhabt wurde. Kein Mensch hat diesen absoluten Lockdown, wie er woanders stattgefunden hat, gebraucht. Wir leben noch, die Zahlen halten sich in Grenzen. Normalisierung ist gut – da hängen Existenzen dran, ich kann bald wieder arbeiten gehen. Ich habe keine Angst, mich anzustecken. Das ist ja nicht die Pest!"

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Die Menschen in Berlin haben bezüglich der Corona-Lockerungen unterschiedliche Meinungen. Den einen sind sie zu wenig, den anderen kommen sie willkürlich oder unverhältnismäßig vor. Nur bei einer Sache, da sind sie sich einig: Sozialer Kontakt zu Freunden und Familie ist ihnen allen besonders wichtig und wird schmerzlich vermisst.

Vielen fehlt er sogar so sehr, dass sie die Regeln nicht mehr ganz so ernst nehmen. Zwar sehen alle die Dringlichkeit, Kontakt zu Risikogruppen zu meiden, dem eigenen Verlangen, mehrere Freunde zu treffen, wollen viele der Befragten aber dennoch nachkommen.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Personen aus Berlin
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