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Corona-Chaos in den USA: "Das hätte verhindert werden können"


Corona-Chaos in den USA
Studentin: Warum Trump für mich unwählbar ist

  • Josephin Hartwig
Von Josephin Hartwig

17.07.2020Lesedauer: 5 Min.
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US-Präsident Trump bei einer Pressekonferenz im Garten des Weißen Hauses: Die Corona-Lage in seinem Land ist außer Kontrolle.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Trump bei einer Pressekonferenz im Garten des Weißen Hauses: Die Corona-Lage in seinem Land ist außer Kontrolle. (Quelle: Jonathan Ernst/reuters)

Die Nachrichten aus den USA überschlagen sich, täglich werden Rekordwerte bei den Corona-Infizierten gemeldet. Wie ist die Situation für die Menschen vor Ort? Eine Studentin aus Virginia berichtet.

Wenn Joan im Moment auf ihre Heimat blickt, dann fürchtet sie sich vor der Zukunft. In keinem Land der Welt haben sich mehr Menschen mit dem Coronavirus angesteckt, sind der Pandemie mehr Menschen zum Opfer gefallen als in den USA. Hinzu kommt ein Präsident, der die Gefahr konsequent herunterspielt.

Joan ist 21 Jahre alt und studiert Chemie und Russisch, eigentlich in Texas. Wegen der Pandemie ist sie allerdings schon seit Monaten bei ihrer Familie, die etwa 20 Minuten außerhalb der Hauptstadt Washington, D.C. in Virginia lebt. Joan möchte anonym bleiben. Zu groß ist ihre Angst, ihr Name könnte in Verbindung mit dem Präsidenten auftauchen, wenn sie mit der deutschen Presse spricht. Für Donald Trump hat sie keine warmen Worte übrig.

2.000 Todesopfer bislang in Virginia

In Virginia ist die Situation im Vergleich zu anderen Teilen der Vereinigten Staaten derzeit nicht dramatisch. Bislang registrierten die Behörden 70.000 Infizierte, etwa 2.000 Menschen starben an Covid-19. Zuletzt stiegen die Fallzahlen nur moderat an, anders als etwa in Kalifornien oder Oklahoma.

Virginia gehört zu den sogenannten Swing States, die bei den Präsidentschaftswahlen im November eine enorm wichtige Rolle spielen werden. Joan darf dann zum ersten Mal wählen. Für sie steht schon lange fest: Trump wird ihre Stimme nicht bekommen. "Obwohl ich Joe Biden nicht für den idealen Kandidaten der Demokraten halte, werde ich für ihn stimmen. Amerika hat mit ihm eine größere Chance auf Fortschritt", sagt sie.

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In den vergangenen Monaten hat sich fast ihr ganzes Leben verändert. Das Haus verlässt sie kaum, soziale Kontakte gibt es nahezu keine. Die Freunde sind bei ihren Familien im ganzen Land verteilt. "Anfangs fühlte ich mich ziemlich einsam, denn normalerweise bin ich oft mit meinem Ruderteam unterwegs. Das Team besteht aus 50 Mädchen, zu Hause sind nur drei Familienmitglieder", erzählt sie. Es sei schwierig, die ganze Zeit zu Hause zu bleiben und nur zum Spaziergang mit den Hunden das Haus zu verlassen. Freunde der Studentin seien vor wenigen Wochen sogar noch in den Urlaub gefahren und von der Pandemie in ihrem alltäglichen Leben kaum eingeschränkt gewesen. "Heute bin ich froh, dass Virginia so früh reagiert hat und die Menschen bat, zu Hause zu bleiben. Viele Staaten ignorierten die Bedrohung und haben jetzt unter den heftigen Ausbrüchen bei den Fallzahlen zu leiden."

Bislang ist in ihrer engeren Familie noch niemand erkrankt. "Da hatten wir noch Glück", sagt Joan. Zwei entfernte Cousins hätten allerdings schwere Krankheitssymptome gezeigt. Ob sie das Coronavirus hatten, weiß Joan nicht. "Als die beiden krank waren, wurde kaum getestet. Viele Menschen wurden abgewiesen, weil sie offenbar nicht genügend Symptome zeigten, um für einen Test infrage zu kommen. So eben auch meine Cousins."

"Regierung unter Trump hat komplett versagt"

Präsident Donald Trump reagierte erst spät auf die Bedrohung und seither unkoordiniert. Die Vereinigten Staaten verzeichnen alle paar Tage Rekordzahlen – auch in Texas. Joan macht sich Gedanken darüber, wann sie wieder an ihre Hochschule zurückkehren kann. "Das hätte alles verhindert werden können, hätte die Regierung schneller etwas getan." Für Joan haben Trump und sein Kabinett komplett versagt.

Wie an vielen Universitäten in den USA sitzen auch am College von Joan normalerweise viele Studenten gemeinsam in großen Hörsälen. "Das macht es natürlich sehr schwer, Abstand einzuhalten", sagt sie. Die Wiedereröffnung von öffentlichen Einrichtungen kann sie nicht nachvollziehen. "Ich fühle mich sehr unwohl, wenn ich in einer überfüllten Gegend bin, und sei es auch nur vorübergehend." Viele Menschen in ihrem Umfeld hätten Angst und mieden Menschenansammlungen.

Der Süden und der Südwesten der USA gehören zu den besonders schwer von der Pandemie betroffenen Regionen. Im sogenannten Bibelgürtel wird eher konservativ gewählt. Und da liegt ein wesentliches Problem: Viele Republikaner verbinden das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes mit einem politischen Statement. Mehr dazu lesen Sie hier.

Viele Anhänger von Trump tun es ihrem Präsidenten gleich, der bis auf eine Ausnahme zuletzt nie öffentlich eine Maske trägt. In Texas sind bis zum 13. Juli 2,8 Millionen Menschen auf das Coronavirus getestet worden. Mehr als 260.000 haben sich infiziert, rund 3.300 Menschen sind bislang gestorben. Derzeit müssen die Behörden fast täglich einen Rekord bei den Neuinfektionen vermelden.

Wie Joan ihr Studium ab Herbst fortführt, ihr letztes Jahr am College, ist noch unklar. "Ich war nur für Vorlesungen, aber nicht für Laborkurse in Chemie in diesem Semester eingeschrieben. Das hat mir die Umstellung auf den Onlineunterricht sehr erleichtert", erklärt sie. Zu Beginn sei die Organisation des digitalen Unterrichts schwierig gewesen, doch die Professoren zeigten auch aufgrund der neuen Situation für die Lehrkräfte selbst viel Verständnis.

Der vorläufige Plan einiger Universitäten sieht vor, dass größere Klassen ab Herbstsemester online unterrichtet werden, kleinere Kurse könnten mit Abstandsregeln in die Universität kommen. "Viele Unis haben aber auch schon vollständigen Onlineunterricht angekündigt und es würde mich nicht überraschen, wenn es für alle so kommt." Joan würde dieses Modell bevorzugen, denn bei der Vorstellung, in der Pandemie in den Corona-Hotspot Texas zurückzukehren, fühlt sie sich nicht wohl.

"Amerikanische Regierung hat schreckliche Arbeit geleistet"

"Ich denke, die amerikanische Regierung hat bei der Bewältigung der Pandemie eine schreckliche Arbeit geleistet", sagt Joan. "Wir wurden viel später getroffen als andere Länder. Wir hätten von ihnen lernen können." Doch die US-Regierung habe die Bedrohung wiederholt heruntergespielt.

"Unser Präsident behauptet, dass der Anstieg der Fälle nur auf die Zunahme der verfügbaren Tests zurückzuführen ist. Das ist falsch, denn der Anteil der positiven Tests hat in vielen unserer Corona-Brennpunkte zugenommen, auch in Texas", sagt die Studentin. Die überstürzte Wiedereröffnung der amerikanischen Wirtschaft zeige deutlich, dass "die Regierung die Wirtschaft über das Leben der Amerikaner stellt".

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130.000 Amerikaner starben bislang an Covid-19

In den USA wurden bislang fast 3,5 Millionen Infektionen mit dem Coronavirus festgestellt (Stand: 16. Juli 2020), die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Mehr als 137.000 Covid-19-Erkrankte sind gestorben. Damit sind die USA so schlimm betroffen wie kein anderes Land.

Präsident Trump meint, die USA fast ohne Beschränkungen durch die Krise bringen zu können, damit die Konjunktur nicht an Schwung verliert. Joan findet es erstaunlich, dass es einige Orte gibt, wo überfüllte Bars geöffnet bleiben, selbst wenn die Todesfälle täglich neue Rekordwerte erreichen. Sie wünscht sich, das mehr darüber nachgedacht werde, wie die Pandemie nicht nur die Brieftaschen der Menschen belaste, sondern auch das Leben von so vielen schädige. "Das Einzige, was man jetzt tun kann, ist, den Experten zuzuhören und entsprechend zu handeln."

Verwendete Quellen
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