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Virologe Christian Drosten überrascht mit These: Quarantäne nur noch fünf Tage


Drosten im Podcast-Comeback
"Es gibt die Möglichkeit, dass wir uns etwas vormachen"

Von dpa, afp, lw

Aktualisiert am 02.09.2020Lesedauer: 4 Min.
Christian Drosten: Der Direktor am Institut für Virologie der Charité Berlin war mit dem NDR-Podcast in der Sommerpause.Vergrößern des BildesChristian Drosten: Der Direktor am Institut für Virologie der Charité Berlin war mit dem NDR-Podcast in der Sommerpause. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)
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Masken, Immunität, Quarantäne: Frisch zurück aus der Sommerpause gibt der Virologe Christian Drosten Aufschluss über aktuelle Corona-Themen – und spricht Empfehlungen für die kommenden Monate aus.

Der preisgekrönte NDR-Podcast "Coronavirus-Update" mit Christian Drosten ist aus der Sommerpause zurück. In einer XXL-Ausgabe bringt der Berliner Virologe die Zuhörer auf den neuesten Stand zu Masken und Aerosolen, Immunität und Cluster-Kontakt-Tagebüchern. Der Sommer sei "sehr arbeitsreich" gewesen, sagt Drosten. Dennoch habe es bezüglich des Coronavirus "keine Überraschungen" und "keine einzige wirklich neue Erkenntnis" gegeben. Trotzdem startete der Corona-Experte mit neuen Erklärungen und Vorschlägen in die neue Podcast-Saison und widmete sich vieldiskutierten Corona-Themen.

In der neuen Folge verdeutlicht der Forscher, dass es derzeit "ganz schwer einzuschätzen" sei, bis zu welcher Grenze sich die Zahl der Corona-Neuinfektionen noch kontrollieren lasse und wann eine massenhafte Ausbreitung beginne. Grundlage seien Cluster in der Bevölkerung – etwa Familien oder WGs – die lose miteinander verbunden seien. Durch das Verbinden von Clustern im ganzen Land entstehe ein Übertragungsnetzwerk. Dabei gebe es aber viele Einflussfaktoren wie die mittlere Größe der Cluster, die Mobilität der Bevölkerung, den Umfang der Sozialkontakte. Von Land zu Land beeinflussten sie das Geschehen ganz unterschiedlich. "Und darum kann ich jetzt nicht sagen: Hier ist der Schwellenwert."

Steigende Fallzahlen seit Ende Juni

Klar sei aber, dass die Lage außer Kontrolle geraten könne. "Es gibt die Möglichkeit, dass wir uns etwas vormachen, wenn wir uns sagen: Ja, das läuft ja im Moment ganz gut, dann machen wir mal so weiter wie bisher." Bei immer mehr unentdeckten Clustern – weil Menschen ihre Infektion nicht bemerken oder verschweigen – könne es einen Perkolationseffekt geben. Die Zahlen stiegen dann schlagartig, ohne dass ein Grund erkennbar sei. "Ich habe das Gefühl, das ist, was wir gerade in Frankreich sehen."

So betonte der Virologe, dass die seit Ende Juli steigenden Fallzahlen in Deutschland nicht nur auf die Zunahme von Tests zurückzuführen seien. Es sei auch schon im Mai und Juni viel getestet worden, als die Infektionszahlen sehr niedrig waren, erläuterte der Experte von der Berliner Charité gewohnt sachlich und unaufgeregt. "Die jetzigen Zahlen, die sind schon real."

Drosten empfiehlt Kontakt-Tagebücher

Die wirkliche Infektionshäufigkeit in der Bevölkerung spiegelten aber auch sie nicht wider, sie würde aus unterschiedlichen Gründen unterschätzt. Zum einen könne man einfach nicht alle Menschen testen, so Drosten. Zum anderen infizierten sich zunehmend junge Menschen, die nur harmlose, milde Infektionen hätten. Die würden womöglich ihre Infektionen verheimlichen und nicht in die Statistik einfließen. "Wenn ich auf 'ner illegalen Techno-Party war, dann hab ich ja noch mehr die Tendenz, meine Symptome zu verstecken und mich nicht diagnostizieren zu lassen."

Um die Nachverfolgung von Corona-Infektionen zu erleichtern, rief Drosten dazu auf, Kontakt-Tagebücher zu führen. Nicht jeder sei bereit, die Corona-App zu nutzen. Es sei aber sinnvoll, sich jeweils abends zu notieren, wann man mit mehreren Menschen in einer Gruppe zusammen war, so der Virologe. Dies könne später die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern erleichtern. Auch er selbst führe solch ein Tagebuch. Um gut über den Herbst zu kommen, sei die "maximale Kooperation des Großteils der Bevölkerung nötig", sagte Drosten.

"Es werden nie alle mitmachen"

"Da müssen nicht alle mitmachen, es werden nie alle mitmachen. Einige verstehen das nicht gut genug, andere sind in Fundamentalopposition. Vergessen wir das, es müssen nicht alle mitmachen, aber ein großer Teil. Schon wenn die Hälfte mitmacht, ist viel gewonnen", so der Forscher. Er warb erneut für das Tragen von Alltagsmasken. Trotz einiger Schwächen trügen sie zum Schutz vor einer Corona-Infektion maßgeblich bei. Sie senkten zumindest zum Teil auch die Ansteckungsgefahr durch Aerosole.

Um die Akzeptanz der Maßnahmen in der Gesellschaft zu erhalten, sprach sich Drosten für eine Verkürzung der Quarantänezeit aus. Menschen mit Verdacht auf eine Infektion sollten sich nur noch fünf statt 14 Tage isolieren müssen. Mit diesem Vorschlag gehe er "bis an die Schmerzgrenze der Epidemiologie", erklärte Drosten. "Das ist schon, sagen wir mal, eine steile These, dass man sagt, nach fünf Tagen ist eigentlich die Infektiosität vorbei", so der Corona-Experte.

Immunität dürfte für gegenwärtige Pandemie anhalten

Die Überlegung sei aber: "Was kann man denn in der Realität machen, damit man nicht einen De-facto-Lockdown hat? Es nützt ja nichts, wenn man alle möglichen Schulklassen, alle möglichen Arbeitsstätten unter wochenlanger Quarantäne hat." Drosten regte zudem an, die fünf Tage nicht für Tests zu "verschwenden", sondern erst nach Ablauf zu testen, ob die Betroffenen infiziert waren und noch infektiös sind.

Zum Thema Immunität erklärte der Virologe, dass Menschen, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben, vor einer erneuten Erkrankung geschützt seien. Zumindest für den Zeitraum der gegenwärtigen Pandemie dürfte die Immunität anhalten, sagte Drosten. Im Ausnahmefall könne es möglicherweise bei erneutem Kontakt mit dem Virus zu einer neuerlichen, oberflächlichen Infektion kommen, eine schwere Lungenentzündung dürfte daraus aber nicht werden. Aufgrund der geringeren Viruskonzentration in solchen Fällen sollten daraus auch keine Infektionsketten mehr entstehen.

Kritik an "Aufmerksamkeitsgeheische"

Die in den vergangenen Tagen berichteten Fälle von neuerlichen Infektionen bezeichnete Drosten als "Raritäten". Es gehe hier um "Aufmerksamkeitsgeheische", so der Corona-Experte. Diese Fälle würden wahrscheinlich epidemiologisch, für die Verbreitung und für die Gefährlichkeit, nicht ins Gewicht fallen. Wissenschaftler würden von solchen Fällen in Mitteilungen berichten, Medien das aufgreifen und zahlreiche Fragen daraus ableiten, etwa hinsichtlich der Immunität oder der Wirksamkeit von Impfstoffen. "Das beschreibt nicht die medizinische Realität und den Normalfall."

Das "Coronavirus-Update", das es seit Ende Februar gibt, war im Juni in die Sommerpause gegangen. Der erfolgreiche Podcast wurde mit dem Grimme Online Award und dem Preis der Bundespressekonferenz ausgezeichnet. Er verzeichnete mehr als 60 Millionen Abrufe. Seit dem 1. September wechselt sich Christian Drosten wöchentlich mit der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek in der Wissenschaftssendung ab.

Verwendete Quellen
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