Spendengelder veruntreut? Corona-Anwalt Reiner Fuellmich in Haft
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Er schwurbelte in einem "Corona-Ausschuss" und kassierte Geld für eine gigantische Sammelklage, die nie eingereicht wurde. Jetzt sitzt Anwalt Reiner Fuellmich in Haft, weil er Partner hereingelegt haben soll.
Der Impfgegner und Anwalt Reiner Fuellmich ist in der vergangenen Woche festgenommen worden und sitzt in Untersuchungshaft. Es geht um den Vorwurf der Untreue im Zusammenhang mit Spendengeldern, die an ihn in der Corona-Zeit geflossen waren.
Offenbar wurde Fuellmich, früherer "Kanzlerkandidat" der Anti-Corona-Partei "Die Basis", in der vergangenen Woche direkt nach der Landung in Frankfurt festgenommen. Fuellmich hatte sich nach Tijuana in Mexiko abgesetzt, wurde aber nach Darstellung seiner Anwältin von dort ausgewiesen. Er und seine Frau hatten offenbar keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr, im deutschen Konsulat in Mexiko erhielt er nicht die erforderlichen Papiere, sondern wurde zum Rückflug nach Deutschland gebracht. Seit März gab es in Deutschland einen Haftbefehl gegen Fuellmich, seit Mai auch einen europäischen Haftbefehl.
Auslöser dafür ist eine Anzeige früherer Weggefährten: Sie hatten im September 2022 Ermittlern detailliert dargelegt, wie Fuellmich sie um Gelder betrogen haben soll, die viele Menschen aus der Corona-Leugner-Szene an einen sogenannten "Corona-Ausschuss" gespendet hatten. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hatte bereits im Mai Ermittlungen wegen Untreue bestätigt.
Zweifler steckten Geld und Hoffnungen in "Corona-Ausschuss"
Fuellmich hatte Mitte Juli 2020 mit weiteren Anwälten den "Corona-Ausschuss" gegründet. In wöchentlichen langatmigen Sitzungen, die live übertragen wurden, kamen vermeintliche Experten zu Wort, die regelmäßig dem Wissensstand zu dem Virus widersprachen. Verunsicherte Zuschauer sahen sich und ihre Zweifel bestätigt und kamen den Spendenaufrufen der Macher dankbar nach. Der "Corona-Ausschuss" wurde so offenbar zu einer Gelddruckmaschine.
Neben Fuellmich war die Anwältin Viviane Fischer fast zwei Jahre lang das Gesicht des "Corona-Ausschusses". Gemeinsam standen er und sie sogar an der Spitze der Anti-Maßnahmen-Partei "Die Basis", die 2021 bei der Bundestagswahl 1,4 Prozent holte.
Im "Corona-Ausschuss" hatten sie zunächst mit Juristen der Berliner Kanzlei "Hafenanwälte" eine Stiftung angekündigt, arbeiteten aber faktisch als GbR zusammen. Im Spätsommer 2022 kam es zum Zerwürfnis, die früheren Partner stellten eine 30 Seiten umfassende Anzeige gegen Fuellmich. Die Vorwürfe umriss Fischer in einem Video: Der Göttinger Fuellmich habe sich vom Ausschuss im Monat 29.750 Euro zahlen lassen für die Bearbeitung von E-Mails, in Summe fast 660.000 Euro. Festgelegt gewesen sei aber, dass sich niemand ein Honorar zahle.
Fuellmich hatte auf die Vorwürfe erwidert, seine Kanzlei sei lahmgelegt gewesen, weil sich beim "Ausschuss" niemand richtig um die Fragen von ratsuchenden Zuschauern gekümmert habe. "Die Welle schlug bei uns in der Kanzlei auf". Diese Zahlungen sind zumindest nicht Gegenstand des Haftbefehls, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
Im Zentrum stehen dort 700.000 Euro aus den Spenden, die als "Liquiditätsreserven" des "Ausschusses" gedacht gewesen seien. Angeblich per Darlehensvertrag zog Fuellmich das Geld aus der Gesellschaft heraus. Er hatte es seinen Darstellungen nach in seine Villa für die Ablösung von Krediten oder Ähnlichem gesteckt und konnte den Kredit nicht zurückzahlen, als er aufgefordert wurde. Er begründete das mit Problemen beim Verkauf des Hauses.
Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Montag diese im Raum stehende Summe: Durch einen Vertrauten, der ebenfalls beschuldigt ist, habe Fuellmich am 10. November 2020 20 Überweisung von je 10.000 Euro an seine Ehefrau veranlasst und das Geld mit ihr verbraucht, so der Vorwurf. Weitere 500.000 Euro soll er im Mai 2021 selbst auf sein Privatkonto transferiert haben – und 115.000 Euro davon für die Ablösung des Immobilienkredits genutzt haben.*
Goldbarren waren für alle blockiert
Streit gab es auch um Goldbarren, die mit Spenden gekauft worden waren und an die keiner der Beteiligten herankam. Strafrechtlich scheint das aber keine Rolle zu spielen. Seit die Vorwürfe im Raum standen, hielt sich Fuellmich im Ausland auf, offenbar überwiegend in Mexiko.
Die "Hafenanwälte" hatten sich bereits Monate zuvor aus der Zusammenarbeit mit Fuellmich zurückgezogen. Höhepunkt der Kooperation war der Plan einer je nach Darstellung "milliarden- oder billionenschweren Sammelklage". Fuellmich hatte ab August 2020 dafür geworben, sich mit 800 Euro plus Steuer an dieser in den USA angestrebten sogenannten "Class Action" zu beteiligen, um bei einem Erfolg Schadenersatz für die Corona-Politik zu bekommen. Er hatte dafür etwa behauptet, der deutsche Virologe Christian Drosten habe mit dem PCR-Test zum Coronavirus eine völlig untaugliche Grundlage für Corona-Maßnahmen geschaffen. Es gehe um Billionen, weil weltweit deshalb Schadenersatz eingeklagt werden könne.
Vor allem Unternehmer glaubten ihm. Es gingen Zahlungen in niedriger siebenstelliger Höhe ein. Zur angestrebten Klage kam es jedoch nie. Fuellmich hat das Scheitern nie eingeräumt, sondern behauptete etwa, er wolle bei einem Gericht der Maori klagen. Er hatte aber offenbar keinen Zugriff auf diese Gelder. Die "Hafenanwälte" verwalten sie und haben auf entsprechende Rückmeldungen Rückerstattungen geleistet. Wegen der vermeintlichen Sammelklage gingen bei der Staatsanwaltschaft Berlin auch vier Betrugsanzeigen ein, diese lehnte aber Ermittlungen ab: Es sei kein Erfolg versprochen worden, sondern nur ein Bemühen.
Fuellmich wurde allerdings in den vergangenen Monaten in Göttingen in Abwesenheit bereits wegen mehrfacher Beleidigung und Volksverhetzung verurteilt. Mit Bezug zum Holocaust hatte er gesagt: "Es war nicht Hitler allein, der das getan hat. Es war das angloamerikanische Finanzsystem." RKI-Wissenschaftler hatte er als Massenmörder bezeichnet, die "zu dumm sind, einen Eimer Wasser umzukippen", Frankfurter Richtern unter Nennung ihrer Namen Rechtsbeugung vorgeworfen.
Anwältin spricht von politischer Justiz
Fuellmich ist nun offenbar nach der Festnahme am Flughafen und der Verkündung des Haftbefehls in eine Justizvollzugsanstalt (JVA) in Niedersachsen gebracht worden. Seine Anwältin Dagmar Schön sprach bei einem Schweizer YouTuber davon, er sei "in Göttingen, das ist für ihn Feindesland". Sie behauptete auch, dass vermutlich "die politische Justiz zugeschlagen hat, dass man einen Sprecher des Widerstands mundtot machen will."
In der Szene macht man sich über diese Aussagen lustig. Der Jurist gilt in Deutschland bei einem Großteil seiner früheren Unterstützer als reiner Geschäftemacher. Auch der in der "Querdenker"-Szene vernetzte Aktivist und Anwalt Markus Haintz widersprach Fuellmichs Opferrolle bei einem YouTuber: "Fangt jetzt nicht an, von politischer Verfolgung zu sprechen. Das sehe ich nicht nach allem, was ich über den Fall weiß."
Anwältin Schön richtete an Fuellmichs Unterstützer die Bitte, massenhaft Briefe an die JVA zu schicken. "Mein Traum ist, dass nach zwei Wochen der Zusammenbruch über die Poststelle kommt, dass die sagen, bitte entlasst diesen Mann."
Zur Verteidigung wird sie andere Argumente brauchen.
*Der Text wurde mit den Angaben der Staatsanwaltschaft aktualisiert.
- Eigene Recherchen
- staatsanwaltschaft-goettingen.niedersachsen.de: Pressemitteilung "Rechtsanwalt verhaftet"
- youtube.com: Elijah Tee: LIVE | FÜLLMICH IN U-HAFT!
- dlive.com: Bittel-TV: Reiner Fuellmich in U-Haft