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Messerattacke in Nizza: Staatsanwalt gibt grausame Details bekannt


Staatsanwalt gibt brutale Details bekannt
Messerangriff in Nizza: 47-Jähriger festgenommen

Von dpa, afp, rtr
Aktualisiert am 30.10.2020Lesedauer: 6 Min.
Nizza: Polizisten der Eliteeinheit Raid treffen ein, um die Kirche Notre-Dame nach einem Messerangriff zu durchsuchen.Vergrößern des BildesNizza: Polizisten der Eliteeinheit Raid treffen ein, um die Kirche Notre-Dame nach einem Messerangriff zu durchsuchen. (Quelle: Valery Hache/AFP/dpa-bilder)
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Mehrere Messerattacken erschüttern Frankreich. Drei Menschen starben bei einem Angriff in Nizza, weitere wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft hat nun erste Informationen bekannt gegeben.

Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriff mit drei Toten in Nizza hat die Polizei einen weiteren Verdächtigen in Gewahrsam genommen. Der 47-Jährige werde verdächtigt, am Tag vor der Tat mit dem mutmaßlichen Täter in Kontakt gestanden zu haben, hieß es am Freitag aus französischen Justizkreisen. Zuvor hatte die Tageszeitung "Nice-Matin" von der Festnahme berichtet.

Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard hatte am Donnerstagabend gesagt, dass Ermittler herausfinden wollen, ob der Angreifer von Komplizen unterstützt wurde. Sie wollen auch genauer wissen, wie der Mann, der aus Tunesien stammen soll, nach Südfrankreich kam. Der von Polizisten schwer verletzte Angreifer kam in ein Krankenhaus und schwebt in Lebensgefahr.

60-Jähriger wurde Kehle durchgeschnitten

Bei der tödlichen Messerattacke in Nizza hat ein Angreifer die Opfer massiv an der Kehle verletzt. Einer 60-jährigen Frau sei die Kehle durchgeschnitten worden, sagte Antiterror-Staatsanwalt Jean-François Ricard am Donnerstagabend in Nizza. Er sprach von einer Art Enthauptung. Auch der getötete Küster wurde schwer an der Kehle verletzt. Ein drittes schwer verletztes Opfer sei noch geflüchtet. Die 44-Jährige sei dann außerhalb der Kirche ihren Verletzungen erlegen.

Der Angreifer habe gegen halb neun Uhr morgens die Kirche im Zentrum von Nizza betreten und sich dort dann etwa eine halbe Stunde aufgehalten und die Opfer angegriffen. Gegen neun Uhr habe die Polizei eingegriffen, den mutmaßlichen Angreifer verletzt und festgenommen. "Die Beamten haben zweifellos ein noch dramatischeres Ergebnis vermieden", sagte Ricard. Der Angreifer sei schwer verletzt und schwebe in Lebensgefahr.

Die Einsatzkräfte hätten einen Koran und Telefone gefunden. Außerdem habe man in der Nähe des Angreifers die Mordwaffe, ein rund 17 Zentimeter langes Messer, entdeckt. Ebenfalls seien zwei unbenutzte Messer gefunden worden, so Ricard. Der Angreifer habe ein Dokument des Italienischen Roten Kreuzes bei sich getragen, das auf einen 1999 geborenen tunesischen Staatsbürger ausgestellt gewesen sei. Er sei im September über die italienische Insel Lampedusa eingereist, so Ricard weiter.

Frankreich hat unterdessen die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen, Präsident Emmanuel Macron sprach von einem "islamistischen Terroranschlag". Frankreich sei angegriffen worden, sagte der Staatschef in Nizza. Es ist die dritte Attacke in Frankreich innerhalb weniger Wochen.

In der Notre-Dame: Schrecklicher Angriff auf zwei Menschen

Der Angriff ereignete sich laut Medien gegen 9 Uhr morgens in der Kirche Notre-Dame mitten in der Einkaufsstraße von Nizza. Zwei Menschen seien innerhalb der Kirche "auf schreckliche Weise" getötet worden, sagte Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi. Die Art und Weise erinnere an den Tod des vor zwei Wochen ermordeten Lehrers Samuel Paty, erklärte Estrosi weiter. Paty war in der Nähe seiner Schule in einem Pariser Vorort enthauptet worden.

Täter erst vor kurzem über Lampedusa nach Europa gekommen

Estrosi zufolge rief der Attentäter "Allahu akbar" ("Gott ist groß"). Nach dpa-Informationen handelt es sich um einen Mann, der 1999 in Tunesien geboren ist. Der Pariser Abgeordnete Éric Ciotti aus der Region erklärte, der mutmaßliche Täter sei erst vor kurzem über die italienische Insel Lampedusa nach Europa gekommen. Die Ermittler hatten sich bis zum frühen Abend noch nicht zum Täter und zum Tathergang geäußert.

Premierminister Jean Castex sprach von einer "niederträchtigen" und "barbarischen" Attacke und kündigte eine entschlossene Antwort der Regierung an. Es sei die Stufe "Urgence Attentat" des Anti-Terror-Alarmplans "Vigipirate" ausgerufen worden, sagte er in der Pariser Nationalversammlung. Diese Warnstufe ermöglicht die außergewöhnliche Mobilisierung von Ressourcen im Kampf gegen den Terror.


Macron kündigte einen verstärkten Schutz von Kirchen und Schulen an. Der schon länger laufende inländische Anti-Terroreinsatz "Sentinelle" des Militärs solle von bisher 3.000 auf nun 7.000 Soldaten aufgestockt werden. "Heute steht die ganze Nation hinter unseren katholischen Mitbürgern", sagte Macron in der Nähe des Tatorts. Man dürfe nicht dem Geist der Spaltung nachgeben.

Der 42-Jährige war am Nachmittag in die südfranzösische Metropole gereist und tauschte sich dort unter anderem mit Sicherkräften aus. In zahlreichen Kirchen im Land läuteten nach der brutalen Attacke am Nachmittag um Punkt 15.00 Uhr die Glocken. Die Anti-Terrorstaatsanwaltschaft übernahm in dem Fall die Ermittlungen. Sie ermittelt unter anderem wegen Mordes in Verbindung mit einem terroristischen Vorhaben.

Tunesien verurteilt den Angriff

Die tunesische Staatsanwaltschaft hat unterdessen auch Ermittlungen aufgenommen. Nach ersten Informationen über die Identität des mutmaßlichen Angreifers haben man mit den Ermittlungen begonnen, sagte der stellvertretender Staatsanwalt und Gerichtssprecher in Tunis, Mohsen Dali am Donnerstagabend. Für den Fall, dass die Justizbehörden um Zusammenarbeit bitten, stehe man zur Verfügung.

Das tunesische Antiterrorgesetz schreibe die Strafverfolgung jedes Tunesiers vor, der an einer terroristischen Handlung innerhalb oder außerhalb des Landes beteiligt war, sagte Dali. Tunesien verurteile "den terroristischen Vorfall in Nizza" aufs Schärfste, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur Tap aus dem Außenministerium. In einer Erklärung bekräftigte das nordafrikanische Land demnach auch seine "völlige Ablehnung aller Formen von Terrorismus, Extremismus und Gewalt" und sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus.

Ermordung von Lehrer hatte zuvor für Ensetzen gesorgt

Erst vor zwei Wochen hatte die brutale Ermordung des Lehrers Paty im ganzen Land riesiges Entsetzen ausgelöst. Das Motiv des 18-jährigen Angreifers war den Ermittlern zufolge, dass Paty in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte.

Ende September hatte ein junger Mann vor den ehemaligen Redaktionsräumen des Satireblatts "Charlie Hebdo" zwei Menschen mit einem Messer verletzt. Das Magazin hatte zu Beginn des Prozesses rund um die brutale Terrorserie 2015, bei der auch zahlreiche Zeichner des Blattes ermordet wurden, erneut Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Auch hier gab der Angreifer die Karikaturen als Motiv an.

Konflikt mit Türkei über Meinungsfreiheit

Macron hatte nach der Attacke gegen Paty die Meinungsfreiheit und die Veröffentlichung auch religionskritischer Karikaturen verteidigt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach daraufhin von einer "Lynchkampagne" gegen Muslime in Europa und rief zum Boykott französischer Waren auf.

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Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin kündigte auf Twitter eine Krisensitzung des Kabinetts an, Regierungschef Jean Castex verließ dafür die laufende Parlamentsdebatte über den neuen Lockdown. Innenminister Darmanin hatte mehrfach von einer hohen Terrorgefahr im Land gewarnt.

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Bürgermeister Estrosi schrieb auf Twitter, Nizza sei ein weiteres Mal in seinem Herzen von islamistischem Terror getroffen worden: "13 Tage nach #SamuelPaty kann sich unser Land nicht mehr damit zufrieden geben, mit Friedensgesetzen den islamistischen Faschismus zerstören zu wollen".

Weitere Fälle in Frankreich – Zusammenhang nicht bestätigt

In Frankreich kam es am Donnerstag noch zu weiteren Vorfällen, ein Zusammenhang zur Attacke in Nizza konnte aber zunächst nicht bestätigt werden. Die Polizei tötete im südfranzösischen Avignon einen mutmaßlichen Angreifer, der Passanten mit einer Waffe bedroht haben soll. Es gab Polizeikreisen zufolge vorerst keine Hinweise auf einen Terrorhintergrund. AFP berichtete, dass der Mann psychische Probleme gehabt haben solle. In Lyon wurde ein mit einem Messer bewaffneter Mann festgenommen. Niemand wurde verletzt, der Mann sei Sicherheitskreisen bekannt gewesen.

Am französischen Konsulat in Dschidda in Saudi-Arabien wurde außerdem ein Sicherheitsbeamter angegriffen und leicht verletzt. Der Täter wurde festgenommen. Die genauen Hintergründe der Tat blieben zunächst unklar. Die französische Botschaft in Riad sprach in einer Mitteilung von einer "Messerattacke". Franzosen in Saudi-Arabien wurden zugleich zu "höchster Wachsamkeit" aufgerufen.

Taten im Widerspruch zu allen Religionen

Weltweit war die Anteilnahme nach der mörderischen Attacke groß. Saudi-Arabien verurteilte den Angriff der staatlichen Nachrichtenagentur SPA zufolge mit klaren Worten. "Solche extremistischen Taten stehen im Widerspruch zu allen Religionen und allem menschlichen Glauben", teilte das Außenministerium demnach mit. Zugleich sei wichtig, solche "Verhaltensweisen" abzulehnen, die zu Hass, Gewalt und Extremismus führen, teilte das Ministerium mit, ohne konkreter zu werden.

Die Spitzen der EU-Institutionen sicherten Frankreich ihre Solidarität zu. Ganz Europa sei solidarisch mit dem Land, schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin brachte sein "tiefes Mitgefühl" zum Ausdruck. Papst Franziskus bekundete seine Nähe und sein Mitgefühl mit den Trauernden. UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Attacke "abscheulich".

US-Präsident Trump schrieb auf Twitter, die USA stünden Frankreich "in diesem Kampf" zur Seite. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Tat als einen "Akt abscheulicher Gewalt" und betonte: "Der Gewalt und den islamistischen Motiven, die offenbar hinter ihr stehen, müssen wir mit aller Entschiedenheit entgegentreten."

Nizza wurde bereits 2016 von einem Terroranschlag erschüttert, dabei starben 86 Menschen. Frankreich wird seit Jahren von einer islamistischen Terrorwelle heimgesucht.

Verwendete Quellen
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